Die vergnügte Vermehlung des hochedlen, festen und hochgelahrten Herrn, Herrn Ernst Siegmund Lindners, königl. preuszischen Hofraths und Erbherrns auf Scharffenort, mit der viel ehr- und tugendbelobten Jungfer Johanna Eleonora Hennigin, so den 9. Junii A. 1721. in Jauer geschah.


Honny soit qui mal y pense.


Dasz Frauen, wenn sie gehn, ein blinder Appetit

Auf wunderliches Zeug und tumme Speisen zieht

Und daß sich Kinder oft, so wie wir sie verwöhnen,

Fast jeden Augenblick nach etwas Neuem sehnen,

Verdient mehr Scherz als Zorn. Hingegen daß ein Mann

Von Alter und Verstand nicht beßer wehlen kan

Und, wenn er ohngefehr sein zeitlich Wohlseyn gründet,

Die Selbstvergnügung nicht am rechten Orte findet,

Ja, was noch mehr, nicht sucht, da wo er soll und muß,

Das ist Verwunderns werth. Der weisen Vorsicht Schluß

Zielt stets auf unser Heil, sofern wir uns bequemen,

Den rechten Weg dazu geschickt in Acht zu nehmen.

Allein wie suchen wohl die meisten ihre Lust?

Ohn Absicht auf das Ziel. Der Ehrsucht schwillt die Brust

Von Wüntschen nach der Höh und schnappt nach Wind und Rauche.

Der Geiz beschläft Metall und wacht mit magrem Bauche

Vor seinen Feind, den Schaz, der Furcht und Diebe nährt,

Ihm aber selbst zulezt nicht größern Lohn gewährt,

Als daß die Erben sich mit lustigem Beklagen

Bey seiner Himmelfahrt um manch Laus Deo schlagen.

Die lüsterne Begier der weichlichen Natur

Lacht beide billig aus und trift gleichwohl die Spur

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Des wahren Glückes nicht. Jagd, Hunde, Wein und Spielen

Ergözt zwar dann und wann ihr allzu zärtlich Fühlen,

Jedoch auf späte Reu, wenn nehmlich Geist und Leib

Durch den in Schwelgerey gesuchten Zeitvertreib

Muth, Kräfte, Kost und Ruh noch vor der Gruft verlieren

Und in der Jugend schon die Last des Alters spüren.

Wer Welt und Menschen kennt, der fodre nicht Beweis.

Wo aber liegt der Hund? Da liegt er, daß kein Fleiß

Uns klug und ernstlich treibt, die Ursach vom Ergözen,

Das ewig dauren soll, blos in uns selbst zu schäzen.

Das Glücke kommt ja nicht auf andrer Meinung an,

Und der besizt es schon, wer ruhig leben kan,

Sich in sich selbst verkriecht, den Zwang der Mode fliehet

Und sich, hochedler Freund, wie du dem Garn entziehet,

Worein der Ämter Schein so manchen Fuß verstrickt.

O daß doch jeder nicht die Seeligkeit erblickt,

Die dort dem Curius nach so viel Heldenthaten,

Wie Caniz klug gescherzt, bey seinem Rübenbrathen

Und stiller Wirthschaftslust mehr Fried und Freude wies,

Als wenn man ihn zuvor der Länder Heiland hies

Und unter Ehr und Pracht zum Siegesopfer führte.

Die Lust, so den Horaz auf seinem Tibur rührte,

Ja, die auch selbst Catull 1 von seiner Insul schreibt,

Ist, was dich aus der Stadt zur sichern Freyheit treibt,

Da wo der lezte Rest der güldnen Zeiten schwebet

Und ein gelaßner Geist sich aus dem Staub erhebet,

Der jenen Pöbel drückt, der unter Staat und Müh

Mit Vielthun nichts erwirbt, als daß er spät und früh

Der Thorheit dienen muß und daß zu allen Seiten

Ein Sturm von Ärgernüß und andern Eitelkeiten

Sein unruhvolles Herz bald hier-, bald dorthin schmeist.

Was vor Zufriedenheit dergleichen Seelen speist,

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Die Lieb und Einigkeit an süße Quellen zwingen

Und die sich aus der Macht der wilden Mode bringen,

Das schäzt, das glaubt kein Kopf, der wie ein taumelnd Schaaf

Noch mit der Menge lauft. O seegensvoller Schlaf,

Den uns ein Lager giebt, worauf wir endlich kommen,

Wenn wir die junge Zeit auf Reisen mitgenommen,

Verstand und Wiz geschärft, den Lauf der Welt gesehn

Und bey der Wiederkunft dem Glück um nichts mehr flehn,

Als daß es uns nunmehr mit hoher Gunst verschone

Und mit der Mäßigkeit bey uns im Stillen wohne.

Jezt hastu, was du wilst, hochedler Musenfreund:

Ein Kind von guter Art, das alles will und meint,

Was deine Klugheit denckt und deine Liebe fodert.

Die Flamme, so bey euch in gleicher Stärcke lodert,

Hat Zunder aus der Höh und brennt so treu als rein.

Die Wirthschaft muß daher in gutem Stande seyn

Und dich, mein Bräutigam, durch Wucher schon vergnügen.

Nur las die Felder nicht aus Faulheit brache liegen.

Denn wie mans treibt, so gehts. Das Maul der Poesie

Ist allzeit etwas schnell; drum könt ich ohne Müh

Vom Buttern, Wiesen, Feld, vom Pflügen und vom Ruhren

Hier viel ins Gleichnüß ziehn; allein die glatten Spuren

Sind etwas ungewis, und wer nicht sicher tritt,

Der nimmt oft statt des Dancks ein Hohngelächter mit.

Zudem so kan dich auch dein Vogt viel beßer lehren,

Als was Studirte nur von todten Schriften hören.

Es wird mein Glückwuntsch stets vor euer Wohlergehn

Zu dem, der euch vermehlt, in vollem Opfer stehn;

Und darum scheltet nicht dem Phoebus, eurem Knechte,

Wenn ich kein Reimgebeth an diesen Brautbrief flechte.

Und also ists genug. Nur dies noch, werthe Braut:

Wofern dir gleich zuerst noch vor der Haube graut,

So stille doch die Furcht mit diesem Tröstungsworte:

Der Anfang keuscher Lust ist stets am scharfen Orte.

Fußnoten

1 Catull. ad. Sirm. Penins.

O quid solutis est beatius curis,

Cum mens onus reponit ac peregrino

Labore fessi venimus larem ad nostrum

Desideratoque acquiescimus lecto?

Hoc est, quod unum est pro laboribus tantis.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Gelegenheitsdichtungen der Leipziger Zeit. Wilmsdorf (Kreuzburg-Bischdorf) Februar 1721 - Liegnitz-Klein-Kotzenau Juli 1721. [Dasz Frauen, wenn sie gehn, ein blinder Appetit]. [Dasz Frauen, wenn sie gehn, ein blinder Appetit]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2539-E