[195] Als er Gott um Vergebung der Jugendsünden anflehte
Gott, der du dich zu aller Zeit
Mir, was du bist, erwiesen,
Verzeih der faulen Danckbarkeit,
Sie hat es schlecht gepriesen,
Und gieb den Fehler mit Gedult
Dem unerfahrnen Alter Schuld,
In dem wir thöricht handeln
Und wegen Mangel an Verstand
So wie ein Schatten an der Wand
Nach jedem Scheine wandeln.
Das Blendwerck schön- und eitler Lust
Gefällt den jungen Jahren;
Das Feuer wallt uns in der Brust,
Sich mit der Welt zu paaren,
Es reizt uns Wollust, Trunck und Pracht,
Und weil es keiner beßer macht,
So folgt ein Schaaf dem Haufen;
Ja, eh sich Fleisch und Blut bequemt
Und der Verstand den Willen zähmt,
Muß mancher Strom entlaufen.
Darum, mein Gott, verkürze nicht
Die Hälfte meiner Tage
Und las mir deiner Weißheit Licht,
Wornach ich eifrig jage.
Jezt komm ich erstlich auf die Spur,
Worauf mir Einsehn und Natur
Ein reifer Käntnüß geben;
Ich seh die Sünd- und Tugendbahn
Mit ungleich schärfern Augen an
Und denck erst recht zu leben.