[Wie glücklich lebt doch eine Stadt]

[6] Als Schweidniz einen Hahn aus seinem Neste stieß,

Befahl die Pallas, ihn in ihre Schoos zu jagen.

Weil nun das Freundschaftsrecht mich ihn begleiten hies,

So dachte seine Schuld in diesem abzutragen


Johann Christian Günther,

Stregensis Silesius


Wie glücklich lebt doch eine Stadt,
Die mit Athen den Preis der freyen Künste hat,
Wo sich das Chor der Musen reget
Und wo der Weißheit Musterplaz
Das Kleinod und den edlen Schaz
Der guten Wißenschaft uns in die Herzen präget.
Die Nacht der bangen Finsternüß,
So dir, Elysien, der Weißheit Glanz entriß,
Wird durch des Phoebus Licht vertrieben.
Die Klugheit steigt, die Thorheit fällt,
Seitdem nun die gelehrte Welt
Den Irrthum und den Wahn des Pöbels aufgerieben.
Wo vor Gradivens Tempel war,
Da baut die Tugend jezt der Pallas ein Altar,
Und wo der Helden Blut geschwommen,
Geust man vielleicht die Dinte hin,
Da, wo Minervens Schüler knien,
Hat etwan Lechus einst den Fußfall angenommen.
Fleuch hin, verdammte Barbarey!
Dein Scepter ist zerstückt, dein Purpurrock entzwey,
Wir aber deiner Last entbunden.
Die Künste blühn und nehmen zu,
Nachdem des Friedens süße Ruh
Den Oelzweig um den Hut des Fürstenthums gewunden.
[7]
Beglücktes Schweidniz, nimm in Acht,
Wie das Verhängnüß dich vor andern herrlich macht,
Schau deiner Söhne Wohlergehen;
Durch ihrer Arbeit Müh und Schweiß
Grünt deines Nahmens Ehrenpreis,
Dein Nachruf wird durch sie einst bey den Sternen stehen.
Mein Freund, dein Abschied stellet mir
Die Blumen deiner Müh schon als im Traume für.
Nun wird die Lindenstadt erfahren,
Was deiner Lehrer Fleiß gethan.
Mich deucht, sie hebt verwundernd an:
Kommt dann in Schlesien das Alter vor den Jahren!

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. [Wie glücklich lebt doch eine Stadt]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-25D7-8