[239] An seine Geliebte

Mehr sag ich jezo nicht, galant- und kluges Kind,
Als daß die Redligkeit, die stets den Preis gewinnt,
Mir jezt und allemahl so Kiel als Zunge rühre,
So oft ich deinen Ruhm der Welt vor Augen führe.
Drum glaube, was du wilt, ich sage, was ich muß,
Und wollte glücklich seyn, wofern des Himmels Schluß
Mir, der ich auf der Welt nach Ruh und Frieden strebe,
Ein Kind von deiner Art in Herz und Armen gäbe.
Wo Reiz und Zärtligkeit in netten Gliedern sizt,
Wo Feuer und Verstand die volle Brust erhizt
Und Übung und Natur die edle Seele zwingen,
Die angenehme Treu ins Heiratsgut zu bringen,
Da fällt allein die Wahl von meiner Sehnsucht hin,
Da hängt, da bleibt und schwört mein unverfälschter Sinn,
Die Feßel keuscher Glut bis an das Grab zu tragen.
O höchst vergnügte Last! Man flucht in unsern Tagen
Auf lauter schwere Zeit und rühmt die alte Welt
Blos darum, weil man dort noch sonder Neid und Geld
Den Gram der Eitelkeit bey süßer Ruh verwunden
Und in vergnügter Eh das Paradies gefunden.
Die Klagen haben recht, allein wo kommt es her?
Was macht denn uns die Frucht der wahren Liebe schwer?
Das macht, wir lieben jezt aus Hochmuth, Geiz und Mode
Und fälschen jeden Kuß mit bitterm Narrensode.
Wo findet man wohl jezt, man geh auch weit und breit,
Ein Paar, das mit Vernunft und nach der Neigung freyt?
Viel laufen wie das Vieh von ohngefehr zusammen,
Noch mehr verbrennen sich in unversuchten Flammen,
Die meisten aber sehn auf Niederträchtigkeit,
Auf das, was ihrer Hand gemünztes Blech verleiht.
O Schade vor die Lust, die, wenn das Silber klinget,
Den Nachklang später Reu bey Zanck und Untreu bringet.
Ich hab es oft gesagt und sag es allemahl,
Verdient mein redlich Herz nur einen Gnadenstrahl
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Des Auges in der Höh, so ist mein Wuntsch auf Erden,
Blos durch ein kluges Weib des Lebens froh zu werden.
Ich rede fast zu viel und freyer als ich soll;
Darüber lacht mein Feind, die Misgunst nennt mich toll;
Er kan, sie mag es thun, genung, daß mein Gemüthe
Mit Ernst und Unschuld liebt und daß mir deine Güte,
Du schön- und kluges Kind, die Kühnheit nicht verwehrt.
Mit welcher dir mein Kiel den stummen Trieb erklärt,
Den stumm- und starcken Trieb, der, seit ich dich erblicket,
Dein Bildnüß allzu tief ins Herz mir hat gedrücket.
Du hast Vernunft und Geist; lis, prüfe dieses Blat,
Und wo ein einzig Wort ein Falschheitszeichen hat,
So reiß es gleich entzwey und sende mir die Stücke
In Körben voller Fluch wie deinen Zorn zurücke.
Doch nein, ich merck es dir an Wort und Mienen an,
Daß der, so dich verehrt, was Beßers hofen kan.
Die Zeit, so alles lehrt, wird dich auch endlich lehren,
Mit was vor Eifer dich die treuen Seufzer ehren.
Nimm dies papierne Pfand auf künftigen Beweis,
Die Neigung gegen dich bleibt im Verborgnen heiß
Und brennt in meiner Brust so heimlich als verschwiegen,
Den Vorwiz böser Welt vernünftig zu betriegen.
Erlangt mein Wuntsch bey dir kein vorgestecktes Ziel,
So dencke dermahleinst, wenn dich der Liebe Spiel
In fremden Armen wiegt und nachmahls doch betrübet,
Mit was vor Redligkeit dich blos um dich geliebet
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Phillis. An seine Geliebte. An seine Geliebte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-25FA-9