[85] An Herrn Austen

Candidat. Philos. et Juris.


Dir, der du aus bewiesnen Schlüßen
Recht, Ordnung und Natur verstehst
Und mit Vernunft dem Joch entgehst,
Das Neid und Pöbel tragen müßen,
Dir, edler Freund, vertraut mein Kiel
Des Glückes langes Trauerspiel,
Wodurch ich Ärmster auf der Erde
(Die Thränen brechen Reim und Wort
Und schießen mit der Hofnung fort)
Den Leuten zum Gelächter werde.
Das Leben ist der Rest der Güter,
Wovon mich Haß und Glut entblößt;
Des Vaters Eigensinn verstößt
Auf Reizung giftiger Gemüther.
Hier ist kein Weg zur alten Treu;
Die Beßrung hält er Heucheley,
Weib, Pfafen, Neid und Aberglauben
Beflügeln seines Eifers Lauf
Und wühlen meine Lieder auf,
Aus Vorwiz, Gift herauszuklauben.
So bin ich auf den Boßheitsbühnen
Geschleppt, gerichtet und verdammt.
Läst Gott sein hohes Richteramt
Den Thoren zum Gespötte dienen?
So mancher, dem ich in Gefahr,
Der Himmel kennt ihn, dienlich war,
Bezahlt mir Treu und Fleiß mit Lachen.
Dies fährt und frißt wie Salz ins Marck
Und zieht die Sehnen noch so starck,
Als müst ich auf der Folter wachen.
In Juvenals gewißem Dichten
Stehn Leute, derer Lastergeist
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Sich mit Gewalt zur Sünde reißt,
Die Nechsten, Gott und alles richten:
Die, so des keuschen Ehstands Frucht
Mit Bädern zu verhalten sucht,
Der, welcher Wais- und Wittwen dränget,
Der, so vom Opfergelde spielt,
Ein andrer, der sein Amt bestiehlt
Und Hüttenrauch in Perlen menget.
Die fluchen noch mit frömmsten Scheine
Der Jugend, die sich leicht vergeht;
Wenn irgendwo ein Glück entsteht,
So wirft ihr Zorn den Weg voll Steine.
Ich weis, ich fehl in mancher That;
Doch könten Hülfe, Zeit und Rath
Und Freund und Alter alles zähmen.
Mein Herz, das gern von andern schweigt,
Ist ja so ehrlich als geneigt,
Vernunft und Warnung anzunehmen.
Ich weis nicht, ob ich mein Geschicke
Mehr schelten als bewundern kan.
Ich seh es hier- und dortnaus an,
So seh ich gleich- und saure Blicke;
Ich komm in allen Scenen blind.
So klug mein Ernst und Anschlag sind,
So wenig bringt die Hofnung Früchte.
Träf alles noch so künstlich ein,
Wird leztlich stets ein Umstand seyn,
Der schlechterdings die Müh vernichte.
Erschien ein Engel auf der Erden
Und schwür er mir sein Mitleid zu,
Die Schickung lies ihm keine Ruh,
Er müst an mir zum Satan werden.
Dies meinte Scarron so wie ich.
Ihr Gönner, last und meidet mich,
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Wo nicht, so seyd ihr schon verloren;
Denn was nur mir erst Gunst verspricht,
(Wie viel Exempel hab ich nicht!)
Das ist gewis zum Fall erkohren.
Man spricht, ich sey zu blind gewandelt.
Wer zeigt mir nun die rechte Spur?
Bin ich allein die Creatur,
Die sich zur Strafe thöricht handelt?
Ich liege furcht- und grillenvoll
Und weis nicht, was ich glauben soll.
Mein Schöpfer, leb ich dir zur Schande,
Dein Keil ist ja noch wohl so heiß,
Was giebstu mich den Feinden preis,
Und warum irr ich in dem Lande?
Du schlägst mich unter fremden Leuten
Bey allgemeiner Armuth lahm,
Als würde mir nicht so der Gram
Ein schnelles Grabmahl zubereiten.
Ach, aber bin ich nicht ein Thor,
Was kan des Höchsten Arm davor?
Mein Wesen giebt die Folgerungen.
Verzeih, mein Freund, der Ungedult;
Du siehst, sie ist nicht meine Schuld,
Doch hab ich Trost, woher? gezwungen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Klagelieder und geistliche Gedichte. Striegau - Schweidnitz 24. September 1719 - Lauban Ende Juli 1720. An Herrn Austen. An Herrn Austen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-267F-A