[243] [245]15.

Ŏrīon' legt' am frühen Morgen
Sein Wehrgehänge vor mich hin,
Als spräche er: »Ich will's beschwören
Dass ich des Königs Sclave bin.«
O Schenke, komm, weil mir die Hilfe
Des thät'gen Glückes ward gewährt
Zu der Erfüllung eines Wunsches
Den von dem Schöpfer ich begehrt.
Gib mir ein Glas: denn bei der Freude
Des Königs Angesicht zu seh'n,
Fühl' ich die jugendlichen Triebe
Im alten Haupte frisch ersteh'n.
Tritt aus dem Weg' mir und beschreibe
Mir Chiser's Quelle nimmermehr,
Denn aus des Königs Glase labt mich
Ein Schlückchen aus der Fluth Kjěwsēr.
O König! Höb' ich auch zum Himmel
Den Thron der Trefflichkeit empor,
Blieb ich doch Sclav an deiner Schwelle
Und Bettelmann an deinem Thor.
Durch tausend Jahre ward mit Hefe
An deiner Tafel ich betreut;
Verlass' ich, d'ran gewohnt, die Stelle
Die freundlich Trank und Kost mir beut?
Und wenn du nimmer Glauben schenktest
Dem was der Knecht gesprochen hier,
So will ich aus Kjěmāl's Gedichten
Nun den Beweis auch liefern dir:
Sollt' ich dir je mein Herz entreissen
Und meine Liebe dir entzieh'n,
»An wen vergäb' ich diese Liebe,
Und jenes Herz, wo trüg' ich's hin?«
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Denn meine Liebe zu dem König
Fing mit dem Urvertrage an,
Und, dem Vertrage treu, durchwand'le
Ich meines Lebens Königsbahn.
Mănssūr Sohn Mōhămmēd's, der Sieger,
Ist mein Beschirmer in Gefahr,
Und durch den Segen dieses Namens
Besiege ich der Feinde Schaar;
Und weil der Himmel selbst gedichtet
Die hohe Plejas auf den Schah,
So dicht' auch ich nun helle Perlen:
Denn, wahrlich, Keinem steh' ich nach.
Da ich, wie Falken, meine Nahrung
Stets aus des Königs Hand empfing,
Muss nicht die Beute einer Taube
Mir schlecht erscheinen und gering?
O König, der du Löwen zähmest!
Was kann es dir für Schaden thun,
Wollt' ich, geschützt von deinem Schatten,
Im Reiche stiller Musse ruh'n?
Mir fehlt der Flügel und der Fittich,
D'rum ist's in Wahrheit sonderbar,
Dass ich nach einem Ort mich sehne
Nur von Sĭmūrgh bewohnt, dem Aar.
Es nahm mein Lied, weil's dich besinget,
Schon hundert Herzensländer ein,
Und meine so beredte Zunge
Scheint nur dein tapf'res Schwert zu sein.
Wenn ich, dem Morgenwinde ähnlich,
Am Rosenhain vorüber zog,
War's weder Fichte noch Zipresse
Die freundlich mich dazu bewog:
Dein süsser Duft war's der mich lockte,
Und, in Erinnerung an dich,
Betheiligten der Wonne Schenken
Mit ein paar vollen Bechern mich.
Das Nass von ein paar Traubenbeeren
Ist's nicht was mich berauschen kann!
Ich bin ein Greis, ich bin ein alter
In Schenken grossgezog'ner Mann;
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Und mit den Sternen und dem Himmel
Leb' ich in stetem Zank und Streit,
Und richten soll in diesem Falle
Mich meines Königs Billigkeit.
Gottlob dass wieder auf dem Giebel
Der diese Pforte schmückt, der Ton
Den mein Gefieder weckt, vernommen
Vom Pfaue wird am Himmelsthron.
Es drang, mein Herz sich zu erbeuten,
Der Sohn des Löwen auf mich ein:
Doch, mager oder nicht, ich werde
Des Löwenhelden Wild nur sein;
Und in der Werkstatt der Verliebten
Verwische ganz mein Name sich,
Beschäftig' ich mit ander'n Dingen
Als nur mit deiner Liebe mich.
Du, der du mehr Verliebte zählest
Als diese Welt Atome hält,
Wirst du wohl jemals mich beglücken
Der wen'ger als Atome zählt?
Zeig' mir den Mann der deine Reize
Frech abzuläugnen wär' versucht,
Dass in die Augen ich ihm bohre
Das Messer meiner Eifersucht.
Auf mich herab warf seinen Schatten
Der Herrschaft helles Sonnenlicht,
Und um das Sonnenlicht des Osten
Bekümm're ich mich fürder nicht.
Die Absicht dieser Handlungsweise
Ist nicht mir höher'n Werth zu leih'n:
Denn nicht verkauf ich Liebesblicke,
Noch handl' ich süsse Winke ein.
Es liebt Hafis mit ganzer Seele
Den Gottgesandten und sein Haus:
Darüber stellt mein Herr und Richter
Mir wahrlich selbst ein Zeugniss aus.

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TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Lyrik. Diwan des Hafez. Zweiter Band. Der Buchstabe Mim. 15.. 15.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2E46-C