Die Bärenhaut

Zween Helden, die der Douze-Strand
Von Jugend auf, in frühen Wechselchören,
Nach tapfern Flüchen singen hören,
Verließen, um die Zahl der Reisenden zu mehren,
Ihr liederreiches Vaterland.
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Mehr Lust, als Fähigkeit zu ungemeinen Werken,
Die Noth und etwas Eigensinn
Trieb sie zuletzt nach Polen hin,
Die Mißvergnügten zu verstärken.
Gesang und Gold und Muth nahm bald und merklich ab,
Als diesen sonst galanten Leuten
Ein Kürschner Tisch und Stube gab;
Vielleicht aus Hoffnung bess'rer Zeiten.
Zu diesem sagten sie: Ein großer Wütherich,
Ein ungeheurer Bär läßt sich im Walde sehen;
Euch soll, an Zahlungsstatt, die Haut zu Dienste stehen.
Herr Wirth! das Fell ist schön, der Anschlag ritterlich.
Wir sähen auch nicht gern, um unsers Landes Ehre,
Daß ein Gascogner schuldig wäre.
Die Bestie wird euch und uns erfreun.
Beim Element! wir wollen uns ergötzen;
Den Bären soll gewiß kein Teufel besser hetzen.
Der Kürschner lächelt zwar, doch geht er alles ein;
Sie aber säumen nicht, den Streich ins Werk zu setzen.
Der Kühnheit Ungeduld verdoppelt ihren Lauf;
Der Wald wird schnell erreicht; ihr Gegner zeigt sich wieder.
Sogleich trifft Furcht und Frost der beiden Jäger Glieder.
Der eine springt verzagt den nächsten Baum hinauf;
Den andern wirft Gefahr und Angst und Klugheit nieder.
Er streckt sich starrend aus, hält seinen Athem an,
Und stellt sich mausetodt, so gut er immer kann;
Denn, was er sonst gehört, ist ihm noch unvergessen,
Daß Bären selten Todte fressen.
Das Thier betrachtet ihn, beriecht ihn, kehrt ihn um,
Und läßt sich durch den Schein betrügen,
Pfui! brummt es, welch ein Aas! wir Bären sind nicht dumm;
Uns muß was frischeres vergnügen.
Er geht hierauf zurück. Der Held verläßt den Baum,
Und eilt dem Freunde zu. Ich sehe dich am Leben,
Ruft er bewundernd aus, und dennoch glaub' ich's kaum,
Kein kleiner Heiliger hat dir jetzt Schutz gegeben.
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Allein, wie hält es nun mit unsers Feindes Haut?
Er war, wie ich mit Schrecken sahe,
Hier deinen Ohren ziemlich nahe;
Was hat er dir doch anvertraut?
Nicht viel, versetzt sein Freund; doch glaub' ich diesem Scythen:
Er gab mir insgeheim den Rath,
Die Haut nicht eher feil zu bieten,
Als bis man schon den Bären hat.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hagedorn, Friedrich von. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Erstes Buch. Die Bärenhaut. Die Bärenhaut. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3253-9