Nützliche Lehren
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Es sagt ein altes Sprichwort: Selber essen macht fett. Ich will noch ein paar dazusetzen: Selber Achtung geben macht verständig. Und selber arbeiten macht reich. Wer nicht mit eignen Augen sieht, sondern sich auf andere verläßt, und wer nicht selber Hand anlegt, wo es nötig ist, sondern andere tun läßt, was er selber tun soll, der bringt's nicht weit, und mit dem Fettwerden hat es bald ein Ende.

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Ein anderes Sprichwort heißt so: Wenn man den Teufel an die Wand malt, so kommt er. Das sagt mancher, und versteht's nicht. Den bösen Geist kann man eigentlich nicht an die Wand malen, sonst wäre es kein Geist. Auch kann er nicht[79] kommen. Denn er ist mit Ketten der Finsternis in die Hölle gebunden. Was will denn das Sprichwort sagen? Wenn man viel an das Böse denkt, und sich dasselbe in Gedanken vorstellt, oder lang davon spricht, so kommt zuletzt die Begierde zu dem Bösen in das Herz, und man tut's. Soll der böse Feind nicht kommen, so mal ihn nicht an die Wand! Willst du das Böse nicht tun, so denke nicht daran wo du gehst und stehst, und sprich nicht davon, als wenn es etwas Angenehmes und Lustiges wäre.

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Einmal ist keinmal. Dies ist das erlogenste und schlimmste unter allen Sprichwörtern, und wer es gemacht hat, der war ein schlechter Rechnungsmeister oder ein boshafter. Einmal ist wenigstens einmal, und daran läßt sich nichts abmarkten. Wer einmal gestohlen hat, der kann sein Leben lang nimmer mit Wahrheit und mit frohem Herzen sagen: Gottlob! ich habe mich nie an fremdem Gut vergriffen, und wenn der Dieb erhascht und gehenkt wird, alsdann ist einmal nicht keinmal. Aber das ist noch nicht alles, sondern man kann meistens mit Wahrheit sagen: Einmal ist zehnmal und hundert- und tausendmal. Denn wer das Böse einmal angefangen hat, der setzt es gemeiniglich auch fort. Wer A gesagt hat, der sagt auch gern B, und alsdann tritt zuletzt ein anderes Sprichwort ein, daß der Krug so lange zum Brunnen gehe, bis er bricht.

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Nun kommen zwei Sprichwörter und die sind beide wahr, wenn sie schon einander widersprechen. Von zwei unbemittelten Brüdern hatte der eine keine Lust und keinen Mut etwas zu erwerben, weil ihm das Geld nicht zu den Fenstern hineinregnete. Er sagte immer: Wo nichts ist, kommt nichts hin. Und so war es auch. Er blieb sein Leben lang der arme BruderWonichtsist, weil es ihm nie der Mühe wert war, mit einem kleinen Ersparnis den Anfang zu machen, um nach und nach zu einem größern Vermögen zu kommen. So dachte[80] der jüngere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: Was nicht ist, das kann werden. Er hielt das Wenige, was ihm von der Verlassenschaft der Eltern zuteil worden war, zu Rat, und vermehrte es nach und nach durch eigenes Ersparnis, indem er fleißig arbeitete und eingezogen lebte. Anfänglich ging es hart und langsam. Aber sein Sprichwort: Was nicht ist, kann werden, gab ihm immer Mut und Hoffnung. Mit der Zeit ging es besser. Er wurde durch unverdrossenen Fleiß und Gottes Segen noch ein reicher Mann, und ernährt jetzt die Kinder des armen Bruders Wonichtsist, der selber nichts zu beißen und zu nagen hat.

[1806]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hebel, Johann Peter. Prosa. Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Nützliche Lehren [2]. Nützliche Lehren [2]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-42E5-8