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Jung-Katerverein für Poesiemusik

Der philharmonische Katerverein
War auf dem Dache versammelt
Heut nacht – doch nicht aus Sinnenbrunst;
Da ward nicht gebuhlt und gerammelt.
Es paßt kein Sommernachthochzeitstraum,
Es passen nicht Lieder der Minne
Zur Winterjahrzeit, zu Frost und Schnee;
Gefroren war jede Rinne.
Auch hat überhaupt ein neuer Geist
Der Katzenschaf sich bemeistert;
Die Jugend zumal, der Jung – Kater ist
Für höheren Ernst begeistert.
Die alte frivole Generation
Verröchelt; ein neues Bestreben,
Ein Katzenfrühling der Poesie
Regt sich in Kunst und Leben.
Der philharmonische Katerverein,
Er kehrt zur primitiven
[235]
Kunstlosen Tonkunst jetzt zurück,
Zum schnauzenwüchsig Naiven.
Er will die Poesiemusik,
Rouladen ohne Triller,
Die Instrumental- und Vokalpoesie,
Die keine Musik ist, will er.
Er will die Herrschaft des Genies,
Das freilich manchmal stümpert,
Doch in der Kunst oft unbewußt
Die höchste Staffel erklimpert.
Er huldigt dem Genie, das sich
Nicht von der Natur entfernt hat,
Sich nicht mit Gelehrsamkeit brüsten will
Und wirklich auch nichts gelernt hat.
Dies ist das Programm des Katervereins,
Und voll von diesem Streben
Hat er sein erstes Winterkonzert
Heut nacht auf dem Dache gegeben.
Doch schrecklich war die Exekution
Der großen Idee, der pompösen –
Häng dich, mein teurer Berlioz,
Daß du nicht dabeigewesen!
Das war ein Charivari, als ob
Einen Kuhschwanzhopsaschleifer
Plötzlich aufspielten, branntweinberauscht,
Drei Dutzend Dudelsackpfeifer.
Das war ein Tauhu-Wauhu, als ob
In der Arche Noäh anfingen,
Sämtliche Tiere unisono
Die Sündflut zu besingen.
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Oh, welch ein Krächzen und Heulen und Knurr'n,
Welch ein Miau'n und Gegröle!
Die alten Schornsteine stimmten ein
Und schnauften Kirchenchoräle.
Zumeist vernehmbar war eine Stimm',
Die kreischend zugleich und matte
Wie einst die Stimme der Sontag war,
Als sie keine Stimme mehr hatte.
Das tolle Konzert! Ich glaube, es ward
Ein großes Tedeum gesungen,
Zur Feier des Siegs, den über Vernunft
Der frechste Wahnsinn errungen.
Vielleicht auch ward vom Katerverein
Die große Oper probieret,
Die Ungarns größer Pianist
Für Charenton komponieret.
Es hat bei Tagesanbruch erst
Der Sabbat ein Ende genommen;
Eine schwangere Köchin ist dadurch
Zu früh in die Wochen gekommen.
Die sinnebetörte Wöchnerin
Hat ganz das Gedächtnis verloren;
Sie weiß nicht mehr, wer der Vater ist
Des Kindes, das sie geboren.
»War es der Peter? War es der Paul?
Sag, Liese, wer ist der Vater?«
Die Liese lächelt verklärt und spricht:
»Oh, Liszt! du himmlischer Kater!«
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TextGrid Repository (2012). Heine, Heinrich. Gedichte. Gedichte 1853 und 1854. 18. Jung-Katerverein für Poesiemusik. 18. Jung-Katerverein für Poesiemusik. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4B4C-F