[193] XXVI.
Der kleine Töffel.

In einem großen Dorf, das an die Mulde stieß,
Starb Grolms, ein Bauersmann. Die Wittwe freyte wieder,
Und kam mit einem Knaben nieder,
Den man den kleinen Töffel hieß.
Sechs Sommer sind vorbey, als es im Dorfe brannte,
Der Knabe war damals gerade sechszehn Jahr,
Da man, wiewohl er schon ein großer Lümmel war,
Ihn noch den kleinen Töffel nannte.
Nunmehro drosch er auch mit in der Scheune Korn,
Fuhr selber in das Holz; da trat er einen Dorn
Sich in den linken Fuß; man hörte von den Bauren
Den kleinen Töffel sehr bedauren.
Zuletzt verdroß es ihn, und als zur Kirchmeßzeit
Des Schulzen Hadrian, ein Zimmermannsgeselle,
Ihn: kleiner Töffel! hieß, hatt' er die Dreistigkeit,
Und gab ihm eine derbe Schelle.
Die Rache kam ihm zwar ein neues Schock zu stehn,
Denn Schulzens Hadrian gieng klagen,
Und durch das ganze Dorf hört man die Rede gehn,
Der kleine Töffel hat den Hadrian geschlagen.
O! das that Töffeln weh, und er beschloß bey sich,
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Sich in die Fremde zu begeben.
Was? sprach er, kann ich nicht ein Jahr wo anders leben?
Immittelst ändert sich's, und man verkennet mich.
Gleich gieng er hin, und ward ein Reuter.
Das höret Nachbars Hans, die Sage gehet weiter,
Und man erzählt von Haus zu Haus,
Der kleine Töffel geht nach Böhmen mit hinaus.
Der arme Töffel springt vor Bosheit fast in Stücken.
Indessen kömmt Befehl, es soll der Sachsen Heer
Den Gränzen Böhmens näher rücken.
Nunmehr ist Töffel fort, man spricht von ihm nicht mehr,
Die Sachsen dringen ein, gehn bis nach Mähren hinter,
Und Töffel gehet mit. Es geht ein ganzer Winter,
Ein halber Sommer hin, man senkt den Weinstock ein,
Als man den Ruf vernimmt: Es sollte Friede seyn!
Da meynt nun unser Held, daß man die Kinderpossen,
Die ihn vordem so oft verdrossen,
Vorlängst schon ausgeschwitzt. Er wirkt sich Urlaub aus,
Und suchet seines Vaters Haus.
Er hörte schon den Klang der nahen Bauerkühe;
Ein altes Mütterchen, das an den Zäunen kroch,
Ersah' ihn ungefähr, und schriee:
Je kleiner Töffel! lebt ihr noch?

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Das Vorurtheil der Landesleute
Verändert nicht der Oerter Weite,
Tilgt weder Ehre, Zeit noch Glück;
Reist, geht zur See, kommt alt zurück,
Der Eindruck siegt, da hilft kein Sträuben,
Ihr müßt der kleine Töffel bleiben.

Lichtwer.


Dies ist eine unserer schönsten Erzählungen; überhaupt ist Lichtwer, ob er gleich sehr wenig erzählt hat, wegen seiner originellen komischen Laune in die erste Klasse der Erzähler zu setzen.

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TextGrid Repository (2012). Heinse, Wilhelm. Erzählungen. Erzählungen für junge Damen und Dichter. Zweyter Band. 26. Der kleine Töffel. 26. Der kleine Töffel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4CD7-B