[75] Vertrauen

Du kannst mich nicht verlassen,
Du wirst mich doch befrein,
Du kannst mich doch nicht hassen,
Du mußt mir doch verzeihn:
Ich liebe Dich von Herzen,
Ich sehne mich nach Dir;
Ich suche Dich mit Schmerzen
Und weine für und für.
[76]
Und kann Dich doch nicht finden,
So weit mein Blicken reicht;
Ach! meine vielen Sünden,
Die haben Dich verscheucht.
Fließt aus, fließt aus, ihr Augen,
Wenn ihr Ihn nicht erseht:
Was soll das Sehen taugen
Dem, der im Finstern geht?
Du Liebe, einz'ge Liebe,
Du Licht, das brennt und lacht,
Nimm alle meine Triebe
In Deine Hut und Acht.
Nimm alle meine Sinnen
Und schaff' sie in Dir neu;
Mein Denken nimm von hinnen,
Auf daß es heilig sei.
Mein Glauben, Lieben, Loben,
Mein Hoffen, mein Verstehn,
Das lehre all nach oben
Zu Dir, mein Heiland, gehn.
[77]
Nach Dir, Herr! will ich schreien,
Dich lassen will ich nicht,
Ob tausend Teufel dräuen,
Und ob das Herz mir bricht.
Und soll ich Dich nicht haben,
Den ich allein erwählt,
So soll man mich begraben
Verschmäht und unvermählt.
Und sollt' ich Dich nicht sehen,
Mich Dein nicht ewig freu'n,
Möcht' ich nicht auferstehen,
Möcht' ich nicht selig sein!

Fastenzeit 1818.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hensel, Luise. Gedichte. Lieder (Ausgabe von 1879). [Lieder]. Vertrauen. Vertrauen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-53AA-5