Karl Friedrich Hensler
Die Teufelsmühle am Wienerberg
Ein österreichisches Volksmährchen mit Gesang in vier Aufzügen, nach einer Sage der Vorzeit von Herrn Leopold Huber.
Für die k. k. priv. Marinellische Schaubühne bearbeitet von Karl Friedrich Hensler.

Personen

[160] Personen.

    • Ritter Kilian von Drachenfels, ehemaliger Bewohner der Teufelsmühle.

    • Marie, sein Weib, als Geist unter verschiedenen Gestalten.

    • Günther von Schwarzenau, ein österreichischer Ritter.

    • Käsperle, sein Knappe.

    • Hanns von Stauffen.

    • Mathilde, seine Tochter.

    • Bertha, ihre Zofe.

    • Berthold, Vogt auf der Stauffenburg.

    • Ritter Otto von Löbenstein.

    • Fust von Kleeberg.

    • Ritter Bodo.

    • Wallberg.

    • Ritter Boodsheim.

    • Junker Eckard von Trausnitz.

    • Frowald, ein Minnesänger.

    • Veit Schneck, der Wirth am Wienerberge.

    • Märtchen, seine Tochter.

    • Hans, sein Kellerbube.

    • Reisige und Knechte des Ritter Boodsheim.

    • Knechte von Eckhard.

    • Knechte auf der Stauffenburg.

    • Kampfrichter.

    • Beysitzer bey dem Gottesgericht.

    • Jeriel, ein Schutzgeist.
    • [160]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Herberge an der Strasse des Wienerbergs Günther von Schwarzenau. Eckard. Fust von Kleeberg. Bodo und Wallberg zechen wacker. Der Minnesänger Frowald sitzt unter ihnen, spielt auf der Laute und singt. Mehrere Knappen und Knechte. Käsperle. Veit Schneck. Hans, sein Bube schenken ein –

Fröhlicher Trinkchor.


Nehmt den Humpen in die Hand,

Singet frohe Lieder.

Uns umschlingt der Eintracht-Band,

Wackre, deutsche Brüder!

Schenket ein!

Trinkt den Wein!

Wer uns Böses wünschen kann,

Ist kein braver, deutscher Mann.


Wer ein deutsches Mädchen liebt

In der Jugend-Feuer,

Für die er sein Leben giebt,

Die ihm einzig theuer,

Dessen Brust

Füllt nur Lust!

Trinkt auf aller Mädchen Wohl,

Die von reiner Liebe voll!


Wer's mit Jedem ehrlich meynt,

Leidende erquicket;

Dem erzeiget euch als Freund,

Wo ihr ihn erblicket.

Reicht die Hand,

Ihm zum Pfand!

Deutsche Treu und Redlichkeit

Macht uns geltend weit und breit.


FUST
zu Frowald.
Recht so – junger Mann! hast's in deiner Kunst weit gebracht. Woher kommst du!
FROWALD.

Von Wien, edler Herr! bin dort schon sieben Tage bey dem [161] Turnier gewesen, das der Kaiser der Ritterschaft zu Ehren gehalten hat. Ihr waret ja auch dabey, edle Herren? habt euch wacker in den Schranken herumgetummelt – besonders Günther von Schwarzenau –

GÜNTHER
der indessen in Gedanken da saß.
Wer nennt meinen Namen?
FROWALD.

Ich, edler Herr! sah ja wohl, wie ihr den Dank aus den Händen der schönen Mathilde von Stauffen erhieltet – sah, wie der holden Dirne das Blut in das Gesicht stieg, als sie euch die goldene Kette um den Hals hieng, und die Scherpe euch um den Leib band, und euer Feuerblick ihrem sanften Auge begegnete.

KÄSPERLE
giebt ihm den Humpen.

Da – trink, Kammerad! du hast, wie ich merk, eine gute Anlage zum Plaudern und Singen, aber eine verdammt schlechte zum Saufen.

FROWALD.
Glaubt ihr das? da irrt ihr euch! Gebt her! – Trinkt mit vollen Zügen.
HANS.
Ey, so sauff, daß du ersticktest!
KÄSPERLE.
Esel! du red'st ja wider das Interesse deines Herrn. Jemehr er trinkt, destomehr muß er bezahlen.
HANS.

Ja – s'trinken wär schon recht – wenn es aber ans Zahlen kommt, ist bey dergleichen musikalischen Seelen nichts zu Haus.

BODO.
Fust! es ist Zeit – wir müssen aufbrechen!
WALLBERG
steht auf.
Traun! du hast Recht –
FUST
zu seinen Knappen.
Rudolph! Hugo! sattlet die Rosse – wir wollen uns auf den Weg machen.Einige Knechte ab.
ECKHARD.

Du reitest nach Wien, Ritter Kleeberg! hast gewiß dort einem schönen Wienermädchen zu viel in die Augen geschaut – Wetter! es gab ja derer bey dem letzten Turnier so viele, daß einem die Wahl schwer wurde.

FUST.
Ich hatte nicht Zeit, mich nach ihnen umzuschauen.
ECKHARD.

Nicht Zeit? So was kann ich nicht hören. Wem ein schön Mädchen in den Weg kommt, und er auf die Seite schaut, hols der Teufel! der muß ein ledernes Herz im Leib haben. Ich kann das nicht!

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Vorige. Rudolph.

RUDOLPH.
Die Pferde sind gesattelt, edler Herr!
FUST.
So lebt wohl! Sie reichen dem Ritter die Hand. Günther! uns rufen Geschäfte an Maximilians Hofe. –
[162]
BODO.

Haltet ihr euch noch länger auf, so sehen wir uns vielleicht morgen in dieser Herberge wieder. – Lebt wohl!

WALLBERG.
Vielleicht froher, als jetzt! Gott befohlen! Giebt ihm einen Handschlag.
GÜNTHER.
Vielleicht! Vielleicht auch nicht!
ECKHARD
zu Fust.

Nichts für ungut, Bruder! ich meynt es nicht so böse – wenn du aber die schönen Wienerinnen siehest, so sag ihnen nur, daß ich für sie lebe und sterbe.

FUST.
Schon recht, schon recht, Wildfang! ich will schon alles besorgen. Alle drey ab.
ECKHARD.
So wartet nur – wir müssen ja noch einen Valettrunk beym Aufsteigen trinken. Ihnen nach.
KÄSPERLE
nimmt einen Humpen vom Tisch.
Richtig! da heißt es: wer gut schmiert, der reitet gut – Ich trag den Humpen nach! Ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Günther. Frowald. Veit.

FROWALD.
Herr Ritter! ihr habt beym letzten Wienerturnier tapfer gefochten.
GÜNTHER.
Und doch nichts als Wunden davon getragen.
VEIT.
Wie – ihr seyd verwundet worden?
GÜNTHER.
Im Körper nicht – aber hier – Auf das Herz deutend. Mathildens schöne Augen –
FROWALD.

Haben das Feuer angefacht? Dacht' ichs doch gleich – Edler Ritter! sucht Zerstreuung, und ihr vergesset bald auf das Mädchen –

GÜNTHER.

Vergessen? Mathilden vergessen? Nein! eben bin ich im Begriff, nach der Stauffenburg hinüber zu reiten.

VEIT.
Und sie doch nicht vom Vater zum Weibe zu begehren?
GÜNTHER.
Ihr leset den Wunsch in meinem Herzen. Ich will mein Glück versuchen.
VEIT.

Da dauert ihr mich, edler Herr! Mathildens Vater ist ein geitziger Mann. Auch hat Otto von Löbenstein durch seine Reichthümer, die er besitzt, den Alten dahin gebracht, daß er ihm seine Tochter zusagte. Sie ist bereits verlobt.

GÜNTHER.
Verlobt? O! warum bin ich nicht reich!
4. Auftritt
[163] Vierter Auftritt.
Vorige. Marie als Wallfahrer.

WALLFAHRER.

Gott zum Gruß – edle, gestrenge Herren! Wohl mir, daß ich auf der Strasse diese Herberge gefunden habe – ach! meine Kräfte haben Erhohlung nöthig – die Angst, die ich in voriger Nacht ausgestanden habe – brachte mir bald den Tod.

GÜNTHER.
Veit! reiche dem alten Mann einen Trunk Wein. – Woher kommt ihr? Veit reicht ihm Wein.
WALLFAHRER.

Aus Palästina! Neun Jahre bin ich von Deutschland entfernt – ich wallfahrtete zu Fuß nach Jerusalem, um durch dieses Gelübde für meine Sünden zu büssen. – Vorige Nacht überfiel mich das Gewitter – ich suchte Obdach, und fand dieses in einer Mühle, die hier links der Heerstrasse liegt.

VEIT
fährt auf.
Du lieber Gott! das ist die Teufelsmühle.
WALLFAHRER.
Ja wohl mögen Unholden und böse Geister darinn einst ihr Wesen getrieben haben.
GÜNTHER.

Setzt euch, alter Mann! und stärket euch durch diesen Labetrunk – dann fahret fort in eurer Erzählung.

WALLFAHRER
setzt sich.
Dank euch, edler Herr!
GÜNTHER.
Nun – Veit! da du so nahe bey dieser Mühle wohnst, kannst du uns vielleicht nähern Bescheid geben.
VEIT.

Gestrenger Herr! leider ist alles wahr, was man sich in der ganzen Gegend davon erzählt. Viele tausend Menschen liegen dort begraben. Hört nur: da war einmal ein Müller, er hieß Kilian, den hat man nur den Teufelsmüller geheissen – der ist mit einem Ritter im Bund gestanden – Leiser. man will aber sagen, daß der Ritter Niemand anders als der leidige Satanas soll gewesen seyn.

GÜNTHER
lacht.
Ha ha ha! nur weiter mit dieser abentheuerlichen Erzählung –
FROWALD.

Ja – ja – hört nur: in der Mühle war an dem Boden ein Loch, wenn da ein Fremder darauf getretten, so ist das Brett mit ihm hinunter gegangen unter die Erde – und in dem Loch waren spitzige Dolche und Schwerter, die haben die Menschen umgebracht – auf einmal ist der Müller und sein Weib verloren gegangen, man weiß nicht wie – und seit der Zeit kann kein Mensch mehr in der Mühle wohnen.

[164]
GÜNTHER.

Eine wunderbare Mähre! Wenn ich ein Freund von dergleichen Abentheuern wäre, traun! ich hätte wohl Lust, diesen Spuck näher zu untersuchen.

VEIT.
Ja! Hört nur die ganze Geschichte, die wir euch erzählen wollen. –

Romanze von 2 Stimmen.


Veit. Frowald.

In jener Mühle, wie bekannt,
Da haußte Kilian,
Der Teufelsmüller einst genannt,
Er war ein böser Mann;
Es sind jetzt bald die dreissig Jahr,
Verschrieb er sich dem Satan gar,
Und mordete zum Zeitvertreib
Zuletzt sogar sein eignes Weib.

Das Weib war fromm, so wie es heißt,
Das Leben war ihr schwer;
Nun wandert sie umher als Geist,
Und neckt den Wandrer sehr.
Bald foppt der Geist manch armen Tropf,
Setzt Eselsohren ihm an Kopf –
Spuckt Tag und Nacht, spuckt weit und breit,
Doch thut er Niemand was zu leid.

In jener Mühle ist verwahrt
Ein wundergrosser Schatz;
Und vieles Geld ist eingescharrt
An jenem Teufelsplatz.
Und wer den Geist erlösen kann,
Der wird ein reicher, reicher Mann,
Er trägt – bewahr uns Gott! – zum Lohn,
Das Geld und auch den Schatz davon.

Beyde ab.
5. Auftritt
[165] Fünfter Auftritt.
Günther, der Wallfahrer, hernach Jeriel.

GÜNTHER.
Traun, eine wunderbare Geschichte!
WALLFAHRER
steht auf.
Ihr wollt nach der Stauffenburg reiten, gestrenger Herr! um euch dort eine Burgfrau zu holen!
GÜNTHER.
Das will ich –
WALLFAHRER.

Ich wünsche euch Glück – Mathilde liebt euch – aber ehe ihr sie als Gattin besitzen könnt, habt ihr noch manches Ungemach auszustehen.

GÜNTHER.
Was sagt ihr? Alter!
WALLFAHRER.

Nur Muth und Tapferkeit bringen euch dem Ziele näher. Junger Mann! vergiß nicht den unglücklichen Geist in jener Mühle – seine Erlösung ist dein Werk – nur durch seine Vollendung gelangest du zu deiner Wünsche Ziel. – Donnerschlag. Akkord. Jeriel erscheint.

JERIEL.
Vom Schicksal auserlesen
Wirst du den Geist erlösen.
Dich Jüngling! rufet höh're Pflicht,
Auf – fasse Muth, und zage nicht.
Geehrt und reich trägst du zum Lohn
Mathilden, als dein Weib davon.
GÜNTHER.
Was ist das? was hab' ich gehört?
WALLFAHRER.

Den Ruf deines Schutzgeistes! Auf Jüngling! ziehe nach der Stauffenburg, beginne die Erlösung des Geistes, und du wirst glücklich.

GÜNTHER.

Wer bürgt mir für den Erfolg, wenn ich vollende? – Donnerschlag. – Der Wallfahrer wandelt sich in einen weissen, weiblichen Geist um.

GEIST.
Ich – wenn ich der ewigen Ruh geniesse!Verschwindet.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Günther, hernach Käsperle.

GÜNTHER
in vollem Entsetzen.
Gott! welche sonderbare Erscheinung! Starrt nach dem Platz hin, wo der Geist versank.
KÄSPERLE
kommt herein.

Nun – nun – Für sich. Was ist denn meinem g'strengen Herrn g'schehen, daß er seine beyden Augen so auf den Boden heftet?

[166]
GÜNTHER.

Ja ich ziehe zu Mathildens Vater, und wird er dem armen Ritter seine Tochter versagen, so schwöre ich, unglücklicher Geist! deine Erlösung zu vollenden.

KÄSPERLE
erschrickt – für sich.

Geist – Geist – so viel ich merk, ist da von einem Geist die Red, da mach ich mich aus dem Staub. Will fort – Günther sieht ihn.

GÜNTHER.
Heda – Käsperle!
KÄSPERLE
ohne sich umzuwenden.
Ich hab kein Wort g'hört, g'strenger Herr!
GÜNTHER.
So wart doch – du mußt mich nach der Stauffenburg begleiten, ich will mir dort eine Braut holen.
KÄSPERLE.

Das ist recht, edler Herr! da kommt doch einmal Ruhe in unsre Burg, und das verdammte Herumvagiren hat ein Ende.

GÜNTHER.
Wenn es denn Abend wird, begleitest du mich nach der Teufelsmühle.
KÄSPERLE
erschrickt heftig.

Nach – nach der Teufelsmühl, sagt ihr? wißt ihr, edler Herr! daß dort alle Hexen in ganz Ober- und Unterösterreich ihr Remessori halten?

GÜNTHER
lächelnd.
Eben deßwegen will ich dahin.
KÄSPERLE.

So! Weinerlich. Wenn man euch aber Hals und Kragen umdreht, was werdet ihr hernach sagen? Bittend. Edler Herr! Seyd vernünftig, ihr werdet euch doch keine Braut unter dem Hexengepack aussuchen wollen?

GÜNTHER.
Du befolgst meinen Befehl, und begleitest mich.
KÄSPERLE
schluchzt.

Aber – was habt ihr denn davon, wenn ihr mich sterben seht? ich hab' mir immer sagen lassen, wer sich mit Hexen und Unholden abgiebt, sey der größte –

GÜNTHER
drohend.
Kerl! fürchte meinen Zorn!
KÄSPERLE.
Nun ja – der größte Held – hab ich sagen wollen. –
GÜNTHER.
Ich erwarte dich unten am Thor. Ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Käsperle. Hans aus der Seitenthür.

KÄSPERLE
äfft ihm nach.

Ich erwarte dich unten am Thor. Ja – wartet nur – könnt' lang warten, ich komm doch nicht. Ruft ihm nach. Glaubt ihr etwa, Herr Ritter! weil ich allenthalben auf euren verliebten Abentheuern [167] mitziehe, daß ich auch jetzt der Narr seyn werd – und euch zu der Hexenbagage –

HANS.
Was treibt ihr denn, Käsperle! Schlägt ihn auf die Schulter.
KÄSPERLE
fährt zusammen, erschrickt heftig.
O weh! der Satanas hat mich schon am Kragen – laß mich aus, du böser, unreiner Geist!
HANS.
Kennt ihr mich denn nicht – ich bin ja der Hans.
KÄSPERLE
mit grossen Augen.
Der – der Hans – ja richtig, du bist der Hans –
HANS.
Warum seyd ihr denn so erschrocken, guter Freund!
KÄSPERLE.

Nun – da – da hat mein Herr Ritter so eine verdammte Zumuthung an mich. – Hans! du kennst doch die Teufelsmühle da drüben?

HANS.
Nun freylich kenn ich sie – der Geist hat auch schon einmal seinen Spuck mit mir g'habt.
KÄSPERLE.
So! ist das wahr?
HANS.

Einmal trag ich ein Bündel Weinreben nach Hans – kaum war ich über der Mühle vorbey, schau ich mich nach meinem Schatten um, spatziert ein Müller-Esel neben mir her –

KÄSPERLE.
Ein Müller-Esel!
HANS.
Und der hat mir auf ein Haar gleich g'sehen – es war mein leibhafter Schatten!
KÄSPERLE.

Nein – da geh ich nicht mit – der liebe Gott weiß, was ich für einen Begleiter bekäm – der Käsperle bleibt da – ich halt mich als zu gern mit lebendigen Geistern auf –


Lied.


Potz Wetter! das kann gar nicht seyn,
Mit Geistern laß ich mich nicht ein.
Sie spasseln nicht lange, kaum sieht man sich um,
So drehen sie einem den Kragen herum.
Da bleib ich viel lieber zu Haus,
Und lab mich beym Wein und beym Schmauß.

Die Geister von Fleisch und von Blut,
Die meynens mit einem noch gut.
Sie suchen Erlösung in unserem Arm,
Da wird ein'm so wunderlich, wird ein'm so warm.
Da bin ich auch, sey's, wie es sey,
Gleich bey dem Erlösen dabey!

Ab.
8. Auftritt
[168] Achter Auftritt.
Hans, hernach Märtchen.

HANS.

Der Knappe hat Recht; gescheider ists, wenn man auf die Erlösung lebendiger Geister ausgeht, da ist man doch nicht gefährtet, sein Leib und Leben zu verlieren.

MÄRTCHEN.
Bist du noch da, Hans! so eben sind die Ritter spornstreichs davon geritten.
HANS.
Werden nicht lange ausbleiben – in einigen Stunden sind sie wieder da.
MÄRTCHEN.

Der Meister Frowald blieb zurück – ich hab ihn auch gebeten, bey meinem Vater ein gutes Wort zu sprechen.

HANS.
Du meinst wegen unserer Heirath? ach, Märtchen! ich zweifle, ob er sein Jawort geben wird.
MÄRTCHEN.
Und warum, lieber Hans!
HANS.

Weil ich ein armer Schlucker bin, und ihm die Herberge nicht ablösen kann – aber, meiner Six! ich hätte wohl Lust – Märtchen! du weist doch, daß in der Teufelsmühle ein grosser Schatz begraben liegt?

MÄRTCHEN.

Gott bewahre dich, Hans! weist du aber auch, daß man sich dem – Gott sey bey uns! verschreiben muß, wenn man den Schatz heben will.

HANS
erschrickt.
Nein! da dank' ich dafür – ich heb den Schatz nicht.
MÄRTCHEN.

Warten wir lieber, bis wir dem Vater das Jawort abbetteln können. Er hat ja ohnehin gesagt, in Jahr und Tagen könnt' es sich schicken – und wenn wir auch gleich arm sind, so arbeiten wir desto fleissiger, und wer arbeitet, den läßt der liebe Gott nicht verhungern.

HANS.

Hast recht, liebe Dirne! wir wollen uns einstweilen ehrlich lieben, um mit der Zeit ein ehrliches Pärchen zu werden.


Duett.
HANS.
Gieb mir die Hand
Zum Unterpfand!
Du wirst mein Weibchen, ich werde dein Mann,
Dann lacht uns beyde Zufriedenheit an.
Heut' über's Jahr
Sind wir ein Paar!
[169]
MÄRTCHEN.
Mit Seel und Leib
Werd' ich dein Weib.
Giebt's auch im Ehstand ein mürrisch Gesicht,
Dauert nicht lange – wir achten es nicht,
Friede im Haus
Söhnet uns aus!
BEYDE.
Und werden wir manchmal zum Zanken gebracht,
So wird durch die Liebe gleich Friede gemacht.
Und bringt dieser Friede uns Kinder ins Haus,
So söhnen die Fratzen die Eltern gleich aus.

Tanzen ab.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Gemach auf der Stauffenburg. Ritter Hans. Günther.

GÜNTHER.
Seyd ihr der Burgherr, Hans von Stauffen?
RITTER HANS.
Ich bin's! was verlangt ihr, Ritter!
GÜNTHER.

Ich heisse Günther von Schwarzenau – die Ursache, warum ich zu euch komme, ist eure Tochter Mathilde.

RITTER HANS.
Meine Tochter? warum das?
GÜNTHER.

Ich sah Mathilden in Wien, wo ich den Preiß aus ihren Händen erhielt. Sie zu sehen und zu lieben, war das Werk eines Augenblicks. Mein Herz trieb mich hieher, um von euch zu hören, ob ihr mich für würdig haltet, Mathilden als Gattin zu umarmen.

RITTER HANS.
Günther! ihr seyd arm – eure Burgen sind verschuldet.
GÜNTHER.

Macht Reichthum allein glücklich? oder sind es nicht vielmehr Liebe und Zufriedenheit, welche die Wonne und das Glück unseres Lebens gründen? Ich habe genug, um mein Weib ernähren zu können, und was bedarf ich mehr?

RITTER HANS.
Ich bedaure euch! Meine Tochter kann nie die eurige werden.
GÜNTHER.

Nie? Ritter! ihr habt nie geliebt, darum sind euch jene Empfindungen unbekannt, die unser Leben zum Himmel oder zur Hölle umschaffen können. Was wird es euch frommen, wenn eure Tochter an der Seite eines Mannes, den sie nicht liebt, Tage des Jammers verlebt.

[170]
RITTER HANS.

Mathilde ist verlobt! Otto von Löbenstein erkaufte meine Einwilligung mit 3000 Goldgulden – Mathilde wird seine Gattin. Ab.

GÜNTHER.

Unglücklicher Günther! Die erste Liebe streu't Dorne auf deine Pfade. Was soll ich nun beginnen? Im Getümmel der Schlacht Tödtung des seligsten Gefühles suchen? Oder wie? der geldgeitzige Vater verlangt Schätze für seine Tochter – wenn ich – Pause. ha – ein mächtiges Gefühl weckt meine Sinne empor – jener unglückliche Geist ruft mich zur Rettung. – Wohlan! ich will Mathilden sprechen, und dann glücklich werden.Ab.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Garten. Mathilde. Bertha, ihre Zofe.

BERTHA.

Warum so düster und traurig, liebes Fräulein! Soll denn der Trübsinn, der eure Stirne umwölkt, nicht mehr schwinden?

MATHILDE.
Ach – Bertha! mir ist so sonderbar – so ängstlich und doch so wohl.
BERTHA.
Fräulein! ihr liebt – liebt den tapfern Günther von Schwarzenau –
MATHILDE.
Zauberin! wer enthüllte dir die geheimsten Falten meines Herzens?
BERTHA.

Euer heutnächtiger Traum! Fräulein! aus allem, was ich von euch hörte, folgt: daß ihr Günthern innig liebt.

MATHILDE.
Lieben? ich darf ja nicht – ich bin verlobt.
BERTHA.

Wer kann die Gränze unserer Empfindungen ziehen? Sollt ihr deswegen nicht lieben, weil euer Vater eure Hand verkaufte?

MATHILDE.
Gute Bertha! heute zum erstenmal fühle ich, wie unglücklich ich bin.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Vorige. Jeriel als Mädchen mit einer Laute.

JERIEL.

Schön willkommen, edle Jungfrauen! könnt ihr mir nicht sagen, wo ich das schmucke Burgfräulein finden kann, die sich nächstens hier vermählen wird? Sie nennt sich Mathilde von Stauffen.

BERTHA.

Hier ist das edle Burgfräulein, das du suchest. Aber wer bist du, Kleine! und wer hat dich hieher gesandt?

JERIEL.
Der edle Ritter von Schwarzenau!
[171]
BERTHA
lebhaft.
Ritter Schwarzenau! wer bist du?
JERIEL.

Ich bin die Tochter eines Minnesängers aus Wien – o mein Vater hat mich gar ein schön Liedlein gelehrt – wollt ihr es hören, edles Fräulein!

MATHILDE.
So sing, gutes Kind! vielleicht zauberst du mir das Bild meines Geliebten in meine Phantasie zurück.

Jeriel spielt und singt.

Romanze.


Einsam weinte am murmelnden Quell
Ein Mädchen so schön und so gut;
Schwellende Thränen flossen hinab,
Blumen auf Blumen pflückte sie ab,
Und warf sie betrübt in die Fluth.

Schnell ergriff sie die Harfe, und sang
Ein Liedchen der Liebe so rein.
Leise und leiser rauschte der Bach,
Lispelnder sangen Bäume es nach:
Nur Liebe beglücket allein.

Sieh! da schritte ein Jüngling herbey,
Von deutschem und freysamen Sinn.
Pochend von Liebe schlug ihre Brust,
Ihn nur zu lieben, war ihre Lust,
Sie gab sich dem Jüngling dahin.

Ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Mathilde. Bertha. Günther von Schwarzenau.

MATHILDE.

Was war das? welch sonderbare Erscheinung! dieses holde Kind sang so ganz die Empfindung meiner Seele.

BERTHA.
Fräulein! ich höre Männertritte. – Gott! wen seh' ich?
MATHILDE
mit ausgestreckten Armen.
Günther von Schwarzenau!
GÜNTHER.

Verzeiht, Fräulein! daß ich vor euch erscheine. Seit ich in Wien so glücklich war, euch zu sehen, fühle ich mich unwiederstehlich hieher gezogen. Ach, Mathilde! ihr seyd verlobt?

MATHILDE.
Ihr wißt –
[172]
GÜNTHER.

Euer Vater sagte es mir so eben. Jetzt bin ich hier, um von euch Abschied zu nehmen – von euch, die ich erst einigemal sah – aber das Herz setzt sich über die Bedenklichkeiten dieser Art so gerne hinweg.

MATHILDE.
Und wohin wollt ihr, Günther!
GÜNTHER.
Fort – vielleicht auf ewig – im Getümmel der Schlacht werde ich die verlohrne Ruhe wieder suchen.
MATHILDE.
Ihr seyd tapfer, Günther! ach ich fürchte –
GÜNTHER.
Kann Mathilde für mich fürchten?
MATHILDE.
Seyd ihr nicht Mensch?
GÜNTHER
ergreift ihre Hand.
Mathilde!
MATHILDE.
Günther! was ist euch?
GÜNTHER.

Diesen Händedruck, diesen Blick – darf ich ihn deuten? – Ihr schlagt eure schönen Augen zu Boden. Bin ich nicht würdig eures Anblicks?

MATHILDE.
Ritter! was beginnt ihr?
GÜNTHER.

Nichts, als was meine reine Liebe mir geboth. Laßt immer euren Vater mir eure Hand versagen, weil ich arm bin – wenn ihr mich liebt, bin ich nicht durch dieses Bewußtseyn reicher als tausende?

MATHILDE.
Ach – Günther! wer könnte dich nicht lieben.
GÜNTHER
umschlingt sie.
Du – das liebe Du? o so bist du mein – durch diesen Kuß vereinigen sich unsere Seelen auf ewig! –
13. Auftritt
Dreyzehnter Auftritt.
Vorige. Otto von Löbenstein tritt ergrimmt ein, reißt die Umschlungenen von einander. – Hernach Hans. Berthold. Mehrere Knappen.

LÖBENSTEIN.
Buhldirne!
MATHILDE.
Gott im Himmel! Otto von Löbenstein!
LÖBENSTEIN.

Ha! kam ich dir zur ungelegenen Zeit? Schändliche, entehrte Dirne! Zu Günther. Seyd ihr Ritter? seyd ihr Mann? Schämt euch, daß ihr in fremde Burgen euch einschleicht, um Jungfrauen zu verführen. Aber ich will euch die Larve vom Gesichte reissen, und euch nach Verdienst strafen.

GÜNTHER.
Ritter! ich rathe euch, zu schweigen, oder –
LÖBENSTEIN.
Du drohst mir, Bube! so zieh – Er zieht seine Klinge.
MATHILDE.
Hülfe – Rettung – Will ab.
[173]
LÖBENSTEIN.

Bleib, Entehrte! du sollst deinen Buhlen bluten sehen. Er dringt auf Günther ein, dieser schlägt ihm das Schwert aus der Hand.

GÜNTHER.
Danket es meiner Großmuth, daß ich mich nicht des Rechts des Siegers bediene.
LÖBENSTEIN
in Wuth.

Knappen! Knechte! Sie erscheinen. Ergreifet diesen Elenden, und schleppt ihn zum Tode! Sie wollen Günther entwaffnen.

GÜNTHER.
Wagt's nur, Buben! den ersten, der sich mir nähert, schicke ich zur Hölle.
LÖBENSTEIN.
Feige Memmen! ergreift ihn!
HANS
mit gezogener Klinge.

Was geht hier vor?Kurzes Gefecht – Die Knechte fallen über ihn her, Günther wird überwältiget – Donnerschlag. Alle bleiben in einer bezauberten Gruppe. Mitten auf der Bühne erscheint der Geist, als schwarzer Ritter mit geschlossenem Visier.

GEIST
Pause in der Musik beym Donnerschlag.

Otto! hast du noch nicht genug gemordet? Blicke dorthin – Agnesens Tod rufet um Rache! – Donnerschlag.


Die Kortine rauscht hinauf. – Sanfte Harmonie – man sieht in einen schwarzen hellbeleuchteten Saal – Mitten liegt auf einem Paradebett Agnes von Boodsheim todt – über sie schwebt ein Toden-Genius mit ausgelöschter, noch rauchender Fackel.
LÖBENSTEIN.
Ich bin verloren! Stürzt zur Erde! – Der Geist verschwindet mit Günther.
Der Vorhang fällt.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Zimmer im Wirthshause am Wienerberg.
Eckard von Trausnitz. Fust von Kleeberg. Ritter Bodo und Wallberg sitzen am Tisch.

WALLBERG.
Nun schenk ein, Bursche! der Wein mundet mir heute baß!
HANNS.

Müßt euch auch wacker gespudet haben, edle Herren! weil ihr schon wieder von Wien zurückkehrtet – sollt gleich bedient seyn. Geht mit dem Humpen ab.

FUST.

Dachte ja gleich, daß es mit dem Schwarzenau so kommen würde. [174] Ritter Löbenstein ist also der Glückliche, der Mathilden zur Hausfrau bekommen wird?

BODO.

Löbenstein ist einer der reichsten Ritter in Franken, aber, traun! man erzählt sich wunderbare Dinge von diesem Manne.

FUST.

Er liebte die Tochter des Ritter Boodheims, ohne Gegenliebe erhalten zu können – vor drey Tagen starb die Edle plötzlich – und der alte ehrliche Vater jammert um seine einzige Tochter.

WALLBERG.
Wenn etwa Löbenstein die Dirne –
BODO.
Ich weis, was ihr sagen wollt – wenn er sie etwa vergiftet hätte?
WALLBERG.
Schrecklich, wenn es so wäre!
ECKARD.

Hols der Teufel! da sieht man wieder, was die Liebe angerichtet hat. Nein! ich bleib bey meinem Grundsatz, ich nehme, wo ich etwas finde – und will sich die Liebe im Ernst bey mir einnisten, so jage ich sie aus meinem Herzen hinaus, wie einen Kirchenräuber.

HANNS
bringt Wein.

Hier, edler Herr! trinkt in Gottes Nahmen zu, wir haben noch mehr im Keller, und die Fässer rinnen über und über.

WALLBERG.
Ist das wahr? – so gieb her! Er trinkt. Du scheinst mir ein lustiger Bursche zu seyn.
HANNS.

Das bin ich, edler Herr! bin zwar ein armer Teufel; aber bey meiner Armuth bin ich so froh, als wenn ich das Geld in Scheffeln zu messen hätt.


Lied.


Ein froher Humor kommt ja üb'rall durch d'Welt,
Da ißt man, und trinkt man, und braucht gar kein Geld.
Man lebt in den Tag so verstolen hinein,
Und was ein' nicht kümmert, das läßt man halt seyn.

Die Madeln – die haben das Lustig seyn gern.
Sie laufen davon bey den grämlichten Herrn.
Geht's drunter und drüber bey ihnen im Haus,
Ein Küsserl, ein Druckerl – da machens nichts draus.

Drum sag ich halt immer – und s'bleibt schon dabey,
Ich bleib in mein'm Leben drey Sachen getreu.
Ein Madel, ein Tanzel, ein Glasel mit Wein,
Da bleibt man gesund, und kann lustig nur seyn.

Ab.
2. Auftritt
[175] Zweyter Auftritt.
Vorige, ohne Hanns, hernach Käsperle.

KÄSPERLE
kommt weinend herein.
Ach – ach – mein lieber, guter Herr! aber ich habs ihm immer gesagt, er wird einmal picken bleiben.
WALLBERG.
Knappe! du allein hier? wo hast du denn deinen Herrn gelassen?
BODO.
Du hast ihn ja nach der Stauffenburg begleitet?
KÄSPERLE.

Freylich hab ich ihn dahin begleitet – aber ohne ihn bin ich jetzt wieder da. Lamentirt. Ach, mein armer Herr! er war so gut – so wohlthätig, so tapfer – er hat immer so fromm und christlich gelebt – nur' n einzigen Fehler hat er halt g'habt, daß er d' Madeln gern g'sehen hat.

ECKARD.
Jetzt red, Bursche, wo ist dein Ritter, Günther von Schwarzenau? Rüttelt ihn.
KÄSPERLE.
He, he! – so laßt mich nur aus – wo wird er seyn – da ist er nicht, das seht ihr.
FUST.

Hat ihn vielleicht Ritter Löbenstein zum Kampf gefordert? So red, oder ich stoß dir die Worte mit meinem Schwertknopf aus der Gurgel heraus. Faßt ihn wild an.

KÄSPERLE
schreyt.

Ich bitt euch um des Himmels willen, laßt mich loß! Ich weiß nichts mehr und nichts weniger, als daß meinen Herrn Ritter der Satanas geholt hat.

FUST.

Der Kerl ist ein Narr! Brüder! Günther ist unser Freund und Waffenbruder! wir müssen über diese Kunde gewissen Aufschluß haben. Schicken wir Bothen aus.

ALLE.
Ja – das wollen wir!
FUST.

Hören wir aber, daß Ritter Löbenstein Meuchelmord an ihm verübt hat – bey Gott! so wollen wir uns schrecklich an diesem Franken rächen. Ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Käsperle, hernach Günther von Schwarzenau.

KÄSPERLE.

Ja – geht nur! was einmal der Böse in seinen Krallen hat, das läßt er nicht so leicht wieder aus. – Aber! was soll ich jetzt anfangen? –Günther tritt ein, bleibt an der Thüre stehen. Ich bin nur froh, daß Jedermann weiß, daß ich kein Courage hab.

[176]
GÜNTHER
kommt hervor.
Da sagst du Wahrheit!
KÄSPERLE
fängt an zu zittern, fällt auf die Knie, schließt die Augen zu.
O weh! o weh! der Geist meines Herrn! Ach, Gnade, Barmherzigkeit! ich will ja alles bekennen.
GÜNTHER.
Bist du von Sinnen, Kerl! was ist mit dir geschehen? So red' doch, Käsperle!
KÄSPERLE.
Ach – du lieber Gott! nein! ich heiß nicht Käsperle – ich bin nicht der Käsperle – ich bin –
GÜNTHER.
Sonderbar! Dein Gesicht straft dich Lügen!
KÄSPERLE.

Der liebe Himmel weiß, warum ich dem Kerl gleich sehen muß. Für sich. Wenn ich mich nur dießmal in einen Affen oder so was umwandeln könnt.

GÜNTHER.
Steh auf! du mußt mich nach Wien begleiten! hörst du, Käsperle!
KÄSPERLE
immer noch mit geschlossenen Augen.
Ihr hört's ja, daß ich der Käsperle nicht bin – so laßt mich nur mit Fried.
GÜNTHER.
Wer bist du denn, Schurke!
KÄSPERLE.

Ich – ich bin – ich bin ein Ritter aus dem Mohrenland, ich – ich heiß – Besinnt sich. g'strenger Herr! glaubt's mir, ich hab den verdammten Kerl gar nicht kennt, der sich Käsperle nennt, und der euer vormahliger Schildknappe war.

GÜNTHER.
Mein vormahliger, sagst du?
KÄSPERLE.

Nun freylich – denn ich denk doch, an dem Ort, wo ihr jetzt seyd, werdet ihr wohl keinen Schildknappen mehr brauchen.

GÜNTHER.
So öfne nur deine Augen, und blick mich an, Narr!
KÄSPERLE.
Ey ja wohl – das laß ich bleiben. Ich kann keinem Geist ins Gesicht sehen.
GÜNTHER.

Geist! Für sich. Was muß denn dem Kerl im Kopf herumspucken. Laut. Jetzt steh auf, und sieh mich an, oder du sollst die Schwere meines Armes fühlen. Legt die Hand an das Schwert.

KÄSPERLE
blickt etwas auf.

Es – es ist wahr – nicht anders, als wenn er leibhaftig vor mir stände. Stotternd. Seyd – seyd ihr denn wirklich kein Geist, g'strenger Herr!

GÜNTHER.

Wer berichtete dich denn mit einer so dummen Mähre? Greife mich an, und du wirst dich von meinem Daseyn überzeugen.

KÄSPERLE
fühlt ihn an.

Richtig, Fleisch und Bein wie unser eins – [177] Steht auf. Aber – um Vergebung, edler Herr! hat euch denn nicht auf der Stauffenburg der Böse – geholt?

GÜNTHER
packt ihn am Hals.
Schurke! noch einmal so eine Frage, und ich durchbohre dich in dem Augenblick!
KÄSPERLE
schreyt.
Zu Hülfe! – zu Hülfe! er hat mich schon am Kragen!
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Vorige. Veit eilt herein.

VEIT.

Gestrenger Herr! was geht hier vor? Ihr werdet doch meine Herberge durch keine Mordthat in üblen Ruf bringen wollen?

GÜNTHER.

Veit! ich muß hinaus in's Freye – bald bin ich wieder da, um noch vor Abend ein wichtiges Geschäft zu vollenden. – Für meinen Waffenknecht da haftest du mir mit deinem Leben, er muß mich begleiten.


Ab.
VEIT.

Nun das ist sauber, jetzt soll ich gar der Wärter dieses Gauners werden. Meynst du etwa, daß ich nichts anders zu thun hab, als daß ich so einen Taugenichts hüten soll, wie du bist.

KÄSPERLE.

Geb sich der Herr keine Mühe, wenn ich zu essen und zu trinken krieg, so bringt mich kein Mensch aus dem Haus, bis mein Ritter wieder da ist.

VEIT.
Hast du auch Geld, wenn du zu essen und zu trinken verlangst?
KÄSPERLE.
Geld hab ich nicht, aber Hunger und Durst.
VEIT.

So sieh, wo du was kriegst! – Ein Mensch ohne Geld kommt mir grad so vor, wie ein zerbrochener Weinhumpen, den man vor die Thüre wirft.


Lied.


Wer im Beutel hat kein Geld,
Der ist schlimm daran.
Geld ist Meister in der Welt,
Geld nur macht zum Mann.
Geld macht klug den faden Wicht,
Sey er noch so dumm,
Schaft das häßlichste Gesicht
Zu dem schönsten um.

[178]
Hat man aber Geld wie Stroh,
O dann geht es gut.
Man wird seines Lebens froh,
Was man immer thut.
Ich sing niemals: Tralla la!
Ist mein Beutel leer;
Wenn er voll ist, hopsasa!
Spring ich froh einher!
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Käsperle, hernach Jeriel, als Küchenmädchen, mit aufgebundener Schürze.

KÄSPERLE
sieht ihm nach.

O du Gauner von einem Kerl! Nun das ist jetzt eine saubere Geschichte – mein Ritter versetzt mich beym Wirth –

JERIEL
sehr geschwätzig, mit einem Knicks.

Schön willkommen, gestrenger Herr Ritter! ihr kommt gewiß von Wien – ja – ja – da kommen immer die stattlichsten Ritter her, und halten Herberge bey uns.

KÄSPERLE
für sich.
Alle Wetter! wie kommt denn das kleine Baggatellerl ins Haus?
JERIEL.

Kennt ihr mich denn nicht, edler Herr! ich bin ja das berühmte Küchenmadel, das schon zwölf Jahrln beym goldnen Helm zu Wien gedient hat.

KÄSPERLE.
Schon zwölf Jahr? jetzt sey mir still – bist ja noch nicht einmal zwölf Jahr alt;
JERIEL.
Da irrt ihr euch sehr, edler Herr! Ich hab schon meine zwanzig Jahrln auf dem Rücken.
KÄSPERLE.
Und bist noch so klein?
JERIEL.

Das schadt nichts – das Kleinseyn ist schon in unsrer Familie; mein Vater und Mutter sind auch nicht grösser g'west.

KÄSPERLE
beys.

Das muß ja eine ordentliche Zwergelfamilie gewesen seyn? Laut. Kannst du mir zu essen und zu trinken bringen – So gieb etwas her, damit mein Appetit gestillt wird.

JERIEL.
Gleich sollt ihr bedient werden, gestrenger Herr! Zieht einen grossen Küchenzettel heraus.

Lied.


Ein Suppen mit Fleckerl, steht hier aufgeschrieben,
Ein Rindfleisch mit Semmelkrenn und rothen Rüben.
[179]
Ein Kraut mit Pofesen, ein Eing'machts mit Krebsen,
Gebratene Tauben, ein Ragout von Schöpsen,
Kapäuneln und Hühneln, gebratene Vögerl,
Ein Antel, ein Gansel, ein kälbernes Schlegerl.
Ein guts Karmonadl,
Ein g'fülltes Rostbratel,
Ein g'stoppt's Indianerl,
Ein schönes Fasanerl.
Gebackene Karpfen, gesottene Forellen,
Ein wälsches Salatel mit frischen Sardellen –
Pasteten und Torten,
Von allerley Sorten.
Das wäre für euch wohl ein köstlicher Schmauß,
War nur von dem Allem ein Bissen zu Haus.

Ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Käsperle allein, der unter der Arie immer vor lauter Appetit geschluckt hat.

Nun das ist nicht übel – jetzt laß ich mir den ganzen Küchenzettel vorbuchstabiren, ich beiß mir schon vor lauter Appetit die Zunge halb weg, und jetzt heißts: es sey von dem Allem kein Bissen zu Haus. Mein! 's geht halt auch wie manchmal in der Stadt – viel Speisen auf dem Zettel – und wenn man was begehrt, ist nichts da – weils die Köchin nicht gekocht hat. Ich denk, ich schau mich ein Bissel in der Kuchel um, sonst macht mich der Kuchenzettel zuletzt noch ganz rinnauget. Ab.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Veit. Frowald. Hans.

FROWALD.
Ritter Schwarzenau will also wirklich hinüber ziehen nach der Teufelsmühle? –
VEIT.

Wenn er nur glücklich wieder zurückkommt. Traun! ich wäre nicht so neugierig, den Aufenthalt eines bösen Geistes auszukundschaften.

HANS.

Hat sich wohl! Habt ihr denn nicht gehört, daß in der Mühle grosse Schätze verborgen liegen; wer weiß, was ich thun könnte, um mein Märtchen zum Weib zu bekommen?

VEIT.
Du wirst doch den Geist nicht erlösen wollen?
[180]
HANS.

Das eben nicht – aber ich denke, der Vater könnte mir die Dirne auch so geben ohne Geld – ich bin arm und ehrlich – arbeite gern, und so werden wir nie verhungern.

FROWALD.
Meister Veit! ich denke, der Bube hat Recht.
VEIT.
Kommt Zeit, kommt Rath! die Sache hat ja doch keine Eil.
HANS.
Schon recht – aber bedenkt nur, Vater! wir werden alle Tage älter.
VEIT.

Und mit Gottes Hülfe auch gescheider! wenn man heurathet, so ist es nicht auf heut und morgen; mancher heurathet aus Zeitvertreib, und hat er ein Weib, so geht er mit dem Zeitvertreib zu Grunde.


Terzett.


Veit. Frowald. Hans.

Der liebe Ehstand ist
Ein Zeitvertreib.
Drum nimmt auch jeder sich
Ein schmuckes Weib.
Man lebt so gut,
Hat frohen Muth,
Wenn uns ein Weibchen lacht,
Und Freude macht.

Doch macht der Ehestand,
Wie man oft weiß,
So manchem armen Wicht
Erschrecklich heiß.
Die Liebe wankt,
Man keift und zankt –
Und stirbt – hat man ein Weib –
Am Zeitvertreib.

Alle ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Gemach auf der Stauffenburg. Mathilde allein.

MATHILDE.

Ja! es ist beschlossen, eher ende ich mein Leben, bevor ich einem andern, als Günther meine Hand reiche. – Donnerschlag. Akkord. Eine Stimme.


[181]
Auf! holde Dirne! fasse Muth,
Sey standhaft, dann geht alles gut!
Du liebst den Jüngling heiß und rein,
Und Günther wird dein Gatte seyn. –
MATHILDE.

Gott! welche sonderbare Stimme! –Man hört Fußtritte. Ha! meine Peiniger kommen! ich will ihnen ausweichen! Sie will in das Seitengemach.

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Mathilde. Hans von Stauffen. Otto von Löbenstein.

HANS.
Bleibe – oder heißt dich dein Gewissen unsern Anblick fliehen?
MATHILDE.
Nur Bösewichte scheuen den Anblick des Menschen, der Unschuldige nie.
HANS.

Mathilde! noch spricht der Vater zu dir – hüte dich, daß er sich nicht in den strengen Richter verwandelt.

MATHILDE.

Ich ehre euch als Vater, und bin bereit, euch zu gehorchen, wenn euer Befehl nicht mein Wohl untergräbt.

HANS.

Diese Sprache geziemt der Tochter. Sieh! Otto von Löbenstein liebt dich, er will vergessen, was zwischen ihm und dem Ritter Schwarzenau vorgefallen ist. Reich ihm daher willig deine Hand.

MATHILDE.

Vater! zwingt mich nicht zu einem Schritt, der mich zeitlich und ewig unglücklich machen würde. Ich liebe Günther von Schwarzenau –

OTTO.

Den Zauberer, der mit bösen Wesen in Verbindung steht? Sahet ihr nicht das Blendwerk, wie er vor unsern Augen verschwand? Mathilde! gebt mir eure Hand, und ihr sollet nie bereuen, mir dieselbe gereicht zu haben.

MATHILDE.
Ohnmöglich – Otto! ich kann euch nicht lieben!
HANS.

Gut! dein Loos ist geworfen – auch wider deinen Willen mußt du Löbensteins Gattin werden; du kömmst nicht von der Stelle, in meiner Burg wirst du in dem Augenblick mit Otto von Löbenstein getraut werden.

MATHILDE.

Vater! höret die Stimme der Natur, höret das Flehen eurer Tochter – Fällt ihrem Vater zu Füssen. Seht mich hier zu euren Füssen – wenn menschliches – ich will nicht sagen – Vatergefühl in eurem Busen schlägt, so wiederruft –

[182]
HANS.

Thörin! dein Flehen ist vergebens – du wirst Otto's Gattinn, oder du sollst im Burgverließ so lang schmachten, bis du meinen Antrag erfüllest – He! Knechte! Burgvogt!

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Vorige. Burgvogt. Knechte.

BURGVOGT.
Ihr habt uns gerufen, edler Herr!
HANNS.
Werfet meine Tochter in den Felsenthurm.
BURGVOGT.
Wie? unser Burgfräulein?
HANNS.

Knechte! vollziehet meinen Befehl! Sie wollen Mathilden greifen. Es geschieht ein Donnerschlag, alle stehen in ihrer bezauberten Attitude.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Vorige. Jeriel, als Genius, mit einer Laute.

JERIEL
hüpft fröhlich herein, neckt unter dem Ritornell die Anwesende, und führt Mathilden aus dem Gemach.
– Sie kommen zu sich.
HANNS.
Was war das? Wo ist meine Tochter?
LÖBENSTEIN.

Wo ist das Burgfräulein? Schurken! ihr habt sie durch meinen Nebenbuhler entführen lassen. Zieht die Klinge.

BURGVOGT.

Sahet ihr denn nicht, edler Herr! welch' eine sonderbare Gestalt sie unsern Augen entzog, ohne daß wir es zu verhindern vermochten.

LÖBENSTEIN
zu Stauffen.

Ritter! das ist Günthers Werk – Auf! wir wollen ihr nach – mit meinem Schwert will ich eure Tochter aus seinen Zauberhänden befreyen.

HANNS.
Knechte! folgt mir! Sie wollen fort.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Marie, als altes Weib, kommt ihnen entgegen, an einem Stab daher wankend.

WEIB.
Guten Tag, edler Burgherr! wohin wollt ihr so eilend?
HANNS.
Laß mich, du alte Vettel! Will fort.
WEIB.

So harret doch – edler Herr! ihr wollet gewiß eurer Tochter nacheilen? ach, das arme Burgfräulein! wie wahnsinnig flog sie vorhin an mir vorüber, und sagte: mein tyrannischer Vater zwingt mich zu einer Heurath, die ich nicht vollziehen kann; mir bleibt kein Mittel mehr übrig, als mein Grab in den Wellen zu suchen – und so eilte sie nach dem Mühlbach.

[183]
HANNS.
Nach dem Mühlbach?
LÖBENSTEIN.

Verdammter Unglücksbothe! wer schickte dich hieher, um uns mit dieser Schreckensnachricht zu täuschen. Wer bist du?

WEIB
mit veränderter Stimme.

Ein Wesen, das hieher kam, um dich zu warnen! Ritter! du bist von dem Schicksale bestimmt, sieben Mordthaten an Unschuldigen zu begehen, um den Geist deiner Mutter zu erlösen, und sie zur ewigen Ruhe zu bringen. Sechs dieser Mordthaten sind vollzogen, die siebente beginnt mit deinem Tode.

HANNS.
Schrecklich!
LÖBENSTEIN
zieh die Klinge gegen sie.
Elendes Blendwerk! du wagst es?
WEIB.

Halt ein – Unmächtiger! – Siehst du Mathilden, wie sie sich in die Wellen stürzt – nur meine Macht kann sie retten. – Donnerschlag – die Bühne verwandet sich in eine freye Gegend. Im Hintergrund ein Fluß, nebenbey eine Hütte. Auf einem Felsenstück steht Mathilde, sieht Händeringend in den Strom, und stürzt sich hinab. Man sieht sie mit den Wellen kämpfen, ein Genius erscheint aus der Fluth, rettet sie, und fliegt mit ihr durch die Luft.

HANNS.
Unbegreifliches Wesen! Wer bist du? Die Bühne verwandelt sich wieder in das Zimmer.
WEIB.
Die Retterinn deiner Tochter! Sie wandelt sich um. und dieses Jünglings Mutter! Verschwindet.
ALLE.
Der Himmel sey uns gnädig! Alle eilen schnell ab.
13. Auftritt
Dreyzehnter Auftritt.
Wald. Der Mond scheint.
Ritter Günther von Schwarzenau. Käsperle. Jeriel, als ein Bauernjunge mit einer Fackel.

JERIEL.
Kommts nur nach, gestrenger Herr! wir werden bald an Ort und Stelle seyn.
KÄSPERLE
brummend.

Ja – s' ist auch einmal Zeit; ich hab mir ohnehin schon bald die Füsse aus der Wurzel herausg'laufen.

GÜNTHER.
Wie lange wird der Weg noch dauern, du Kleiner?
JERIEL.
So lange, bis ihr zu eurem Glücke reif seyd.
KÄSPERLE
für sich.

Ich wollt, daß der Teufel den Fackelbuben holte – Schlag – er bekömmt eine Maulschelle – schreyt. he! Sapperment! was ist denn das? gestrenger Herr!

[184]
GÜNTHER.
Was lärmt denn der Bursche so?
KÄSPERLE.

Ich bitt' euch um alles in der Welt, jagt's den Fackelbuben weg, ich krieg eine Watschen um die andere, und ich weiß nicht, woher.

GÜNTHER.
Käsperle! sey still!
KÄSPERLE.

Nein! ich bin nicht still! die verdammte Teufelsba – Schlag – er bekommt wieder eine Maulschelle. Auweh! g'strenger Herr!

GÜNTHER
kommt zu ihm.
So sey einmal still!
KÄSPERLE.
Er ist schon still – er redt kein Wort mehr.
JERIEL.
Ritter! bis hieher habe ich euch geführt, euch weiter zu leiten, ist mir nicht vergönnt.
GÜNTHER.
Aber wohin soll ich mich nun wenden? was soll ich beginnen?
KÄSPERLE
schnell.
Gehen wir wieder zurück ins Wirthshaus, gestrenger Herr!
JERIEL.

Menschen sollst du glücklich machen, um dein eigenes Glück zu befördern. Wandre links hinab zur Mühle – um Mitternacht mußt du daselbst angelangt seyn. Sey vorsichtig, standhaft – denke, Mathilde ist der Lohn deiner Unerschrockenheit!

GÜNTHER.
Deine Worte treffen mein Herz! Ja – ich vollziehe meine Bestimmung! Will fort.
KÄSPERLE
stotternd.

Ge – ge – gestrenger Herr! was soll denn jetzt ich anfangen – ganz allein im Wald – ich weiß ja keinen Weg und keinen Steg.

GÜNTHER.
So folge mir –
JERIEL.
Hast du Muth, deinen Herrn bis zur Teufelsmühle zu begleiten?
KÄSPERLE.

Teu – Teu – Teufelsmühl! Zitternd. Ach, du lieber Gott! das Wort stirbt mir schon auf meiner Zung – nein! dahin geh ich nicht.

JERIEL.

So suche den Weg in die Herberge. – Ich verlasse dich – Tapferer Jüngling! vollziehe des Schicksals Schluß, und du wirst glücklich. Ab.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt.
Günther. Käsperle.

GÜNTHER.
Sonderbar! höchst sonderbar!
KÄSPERLE
äfft ihm nach.

Ja – sonderbar, höchst sonderbar! Ihr habt mich sauber angeschmiert. G'strenger Herr! hätt's das eher gsagt, so hätt ich mich um einen andern Dienst umgschaut – aber dergleichen Spitzbübereyen –

[185]
GÜNTHER
rasch.
Bursche! raisonir nicht, oder mein Schwert soll dich so stumm machen wie einen Fisch.
KÄSPERLE.
Nun ja – seyds so gut – meynt's etwa, die Menschen wachsen auf den Bäumen wie d'Holzäpfel.
GÜNTHER.
Ich muß scheiden, die Mitternacht tritt ein – ich darf nicht länger säumen.
KÄSPERLE
schluchzt.
Und ihr – ihr – ihr wollt mich also wirklich verlassen?
GÜNTHER.
So begleite mich – oder harre hier, bis ich zurückkehre.
KÄSPERLE
beyseite.

S' beste ist halt doch, ich geh mit – und wenn ein Geist kommt, so druck ich die Augen zu – aber – Schluchzend. das – das ist gewiß meine letzte Stunde.

GÜNTHER
geht voraus.
Schäme dich, alter Kerl! und sey nicht so furchtsam.
KÄSPERLE
stotternd.

S' ist – s' ist alles schon recht – aber – Sieht einen Baum, und fängt an erschrecklich zu schreyen. Auweh! auweh! was kommt denn da für ein erschrecklicher Riese daher?

GÜNTHER
wendet sich nach ihm um.
Wo denn – ich sehe nichts!
KÄSPERLE.
Ja – das glaub ich – ihr seyd halt kein Neusonntagskind – da – da – seht nur dahin.
GÜNTHER.

Dummkopf! es ist ein Baum. – Folge!Wie er fort will geschieht ein Donnerschlag, eine fürchterliche Stimme ertönt.

STIMME.
Weiche, Knappe! du bist unwürdig, an dem Verdienst deines Herrn Theil zu nehmen.
GÜNTHER.
So harre hier meiner, bis ich dich wieder sehe. Ab.
KÄSPERLE
schreyt erschrecklich.

G'strenger Herr! g'strenger Herr! ich will ja herzlich gern mit – laßt mich nur nicht allein an dem Teufelsort da. Ein häßlicher Geist, mit einer Keule in der Hand, eine grosse Laterne auf dem Rücken, erscheint.

GEIST.
Folge mir – ich zeige dir den Weg in die Herberge.
KÄSPERLE.

Nein Sapperment! für so einen Laternbuben dank ich – ich will gar nicht in die Herberge, ich will zu meinem Ritter.

GEIST.
So folge mir – ich bringe dich zu deinem Ritter.
KÄSPERLE
stotternd.

Ich – ich will auch nicht zu meinem Ritter – ich will – Beys. z'letzt weiß ich vor lauter Angst nicht, wohin ich will. Laut. Ich bleib da.

[186]
GEIST
hebt die Keule.
Willst du mir folgen, oder –
KÄSPERLE.

Er folgt schon – er folgt schon! Für sich. Das ist eine saubere Bedienung! Wenn mich der nicht grad zum Meister Lucifer führt, so kann ich von Glück sagen. Er folgt dem Geist furchtsam, ab.

15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Das Innere einer Mühle. Alles liegt unordentlich umher. – Zeugen von schneller Flucht. – Umher zerstreute Kleider, Handwerkszeug. Auf einem Tisch liegt eine Mühlaxt, ein Frauenschleyer, zwey Lichter brennen – ein grosses Fenster zur Seite. Günther kommt – hernach der Geist. –

GÜNTHER
sieht sich um.

Ha! diese Unordnung zeuget von der Eil, mit welcher der, der zuletzt hier war, die Flucht ergriffen haben mag, um irgend einem Feinde zu entgehen. Hier eine Mühlaxt – und hier ein blutiger Frauenschleyer – zwey seltsam gepaarte Dinge! – Ein schrecklicher Wind schauer durch das Gemach. Donner und Blitz. Der Geist erscheint.

GÜNTHER
zieht seine Klinge.

Auf meinem Schwert ruht das heilige Kreuz – ich beschwöre dich bey dem allmächtigen Gott, steh mir zur Rede. – Wer bist du, und was ist dein Begehren?

GEIST
mit hohler Stimme.

Ich war einst die Bewohnerinn dieser Mühle. Edel war mein Stamm, denn ich zählte grosse Männer unter meinen Ahnen. Mein Gemahl war Ritter, aber er verband sich mit einer Räuberhorde, zog in diese Mühle, und ward im ganzen Gau gefürchtet, und bekannt durch seine Lasterthaten. – Ich ward ermordet und suche Ruhe –

GÜNTHER.
Warum bist du der Ruhe verlustig, und wer ermordete dich?
GEIST.

Mein Mann! Ich rettete Grafen Heinrich von Senftenberg durch einen heimlichen Gang, weil er – wie so viele Unschuldige unter den schneidenden Rädern sein Leben enden sollte – meine Gebeine liegen in dem alten Brunnen an der nördlichen Seite – meinem Geist wehet aus tiefer Ferne Ruhe entgegen, aber ich kann noch nicht dazu gelangen.

GÜNTHER.
Entdecke mir – wie kann ich deinen Schatten versöhnen?
GEIST.

Bis nicht der Aufenthalt meines Mannes, der nach vollbrachtem Mord aus der Mühle floh, entdeckt ist, und meine modernden Gebeine neben seinem Leichnahm ruhen – vermag ich nicht, die Wonne der Seeligen zu geniessen. Diese Bedingung kannst du erfüllen – die zweyte, die Gottes Barmherzigkeit über mich verhieng, muß ich zu vollbringen suchen.

GÜNTHER.
Und diese ist?
[187]
GEIST.

Ich habe einen Sohn – ein fürchterliches Schicksal waltet über ihn und mich! Er kennt seinen Vater und Mutter nicht – ist von der Vorsicht bestimmt, sie nie kennen zu lernen. Siebenfacher Mörder muß er werden, ehe er zum 24ten Jahre gelangt, und hat er dieses Jahr erreicht, so stirbt er den Tod der Rache von seiner Mutter Hand. –

GÜNTHER.
Schreckliches Verhängniß!
GEIST.
Eile, Jüngling! meine Erlösung zu beginnen, wenn du gutes Muthes und reines Herzens bist.
GÜNTHER.
Unglücklichen zu helfen, ist mein Wunsch. Gott sieht in mein Herz, es ist rein von Lastern.
GEIST.

Wohl dann mir und dir! ich kann mich bald in die Gefilde der Seeligen schwingen; schon die Hoffnung erfüllt mich mit nie empfundener Wonne, und du erreichst den Höchsten deiner Wünsche – Mathilden!

GÜNTHER.
Soll diese Hoffnung zur Gewißheit werden? Aber ich bin arm!
GEIST.

Du sollst reich werden! Hier in der Mühle ist ein grosser Schatz begraben, der für dich bestimmt ist. Schwacher Windschauer. doch – die Stunde der Mitternacht beginnt – Günther! gedenke meiner Leiden – gedenke Mathilden! – Ein Blitzstrahl mit einem Donnerschlag begleitet, fährt durch das Gemach, der Geist verschwindet, Günther senkt sich auf seine Knie nieder, und hebt sein Schwert empor.

GÜNTHER.

Nie will ich ruhen, nie mich des Lebens mehr freuen, bis ich dich, unglücklicher Geist! gerettet habe. Keine Gefahr will ich scheuen, Leiden und Beschwerden mit Muth und Geduld ertragen, – aber dann, wenn ich den rauhen Pfad ohne Scheu wanderte, wenn ich siege – dann – Gott! dann schenk mir Mathilden. Eine feyerliche Harmonie ertönt, mit sanften Flötentönen begleitet. Jeriel als Genius steht hinter ihm mit einem Palmenzweig.


Final-Musik.

JERIEL.
Die Gottheit höret deine Bitte,
Ertrage willig dein Geschick;
Und folgt auch Unglück deinem Schritte,
So lächelt dir am Ende, Glück!
JERIEL
führt ihn ab.
– Die Glocke schlägt 12mal – unter diesem kommt Käsperle furchtsam herein, und sagt.
KÄSPERLE.

So hat mich doch der Teufel an den verdammten Ort herführen [188] müssen. Wo ist denn mein Ritter? den hat vielleicht schon der Böse – Nach dem 12ten Schlag geschieht ein Donnerschlag, der Sturm heult, alle Räder der Mühle kommen in Bewegung. Geister und Herren kommen als Müllerknechte und Mägde, tragen Säcke, werfen Korn in die Multe, und haben verschiedene Beschäftigungen. Käsperle retirirt sich unter den Tisch, und schaut hervor.


Fürchterlicher Chor.


Zur Arbeit, ihr Geister der Mitternachtsstunde!
Der Sturm heult durch den Wald!
Hört! fürchterlich brüllen die Donner dem Bunde,
Daß Berg und Thal erschallt!
KÄSPERLE
schaut hervor.

Ach du lieber Gott! wenn ich nur dießmal aus der Kompagnie da weg wäre. – Der Sturmchor geht in einen fröhlichen Tanz über, die Geister nähern sich dem Tisch.


Geister-Chor.

ALLE.
Hurrah tax! wer ist denn da?
KÄSPERLE.
Laßt mich aus! kein Mensch ist da!
ALLE.
Fremdling! komm durch Berg und Klüfte,

Sie tanzen um ihn.

Fahre mit uns durch die Lüfte –
Rechts und Links, die Kreuz und Quer,
Oben, unten – hin und her –
Hurrah tax – mit uns von hier,
Fort aus diesem Nachtquartier!

Donnerschlag – Jeriel erscheint, winkt – alle Geister stehen in Gruppen – Pause in der Musik. – Der Tisch verwandelt sich in einen Mülleresel, worauf Käsperle sitzt, er reitet durch das Fenster, welches unter schrecklichem Gepolter herabfällt.

Der Vorhang fällt.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Herberge am Wienerberg Fust von Kleeberg. Ritter Bodo. Wallberg. Eckard. Veit.

FUST
zu Veit.
Ritter Günther gieng also wirklich hinüber nach der Teufelsmühle? sagst du?
VEIT.

Ja – edler Herr! hab schon heute früh meinen Hans ausgeschickt – er fand aber weder den Ritter noch den Knappen. – Drey Schläge geschehen an die Thüre.

ECKARD.
Horcht! was ist das?
FUST.
Schläge – wie der Ruff des Vehmgerichts. –Bodo öffnet die Thüre.
2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Vorige. Marie, als schwarzer Ritter mit geschlossenem Visier, er hat eine weisse Pergamentrolle in der Hand, mit schwarzem Flor umwunden.

RITTER.

Fust von Kleeberg! Ritter Bodo! Ritter Wallberg! Ritter Eckard! ich fordere euch auf, als ehrsame, edle Männer heute Abend auf der Stauffenburg zu erscheinen. – Ihr sollt als Zeugen bey dem Gottesgericht über Leben und Tod des Otto von Löbenstein sprechen. – Wollt ihr kommen?

ALLE.
Wir kommen!
BODO.
Wer seyd ihr, junger Ritter?
RITTER.

Otto's Ankläger auf Leben und Tod! Otto ist der Mörder von Boodheim's Tochter. – Erscheinet, edle Ritter! ihr werdet mich kennen lernen. Ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Vorige, ohne den Ritter.

BODO.
Also war unser Argwohn nicht ungegründet. – Löbenstein Agnesens Mörder?
FUST.

Kommt, Brüder! eilen wir nach dem Forst, um Günther aufzusuchen, und ihm diese Nachricht zu überbringen; – wir reiten gerade nach der Teufelsmühle.

[190]
VEIT.
Thut das nicht, edle Herren! es könnte euch ein Unglück begegnen.
FUST.
Der ehrliche Mann scheuet keine Gefahr, um seinen Freund zu retten. Kommt!
ALLE.
Wir folgen! Alle ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Veit. Märtchen.

VEIT.
Dem lieben Himmel sey Dank, daß ich kein Ritter bin!
MÄRTCHEN
springt fröhlich herein.
Lieber Vater! er ist wieder da?
VEIT.
Wer ist wieder da? der Ritter!
MÄRTCHEN.

Ach nein – was geht mich denn der Ritter an – mein Hans ist wieder da – ihr habt ihn heute früh nach der Teufelsmühle geschickt, und da hätt' ihm leicht können ein Unglück geschehen.

VEIT.
Nun – nun – es ist ja heller Tag – und bey Tag haben die Geister keine Macht über uns.
MÄRTCHEN
kosend.

Aber jetzt schickt ihr ihn nicht mehr fort, nicht wahr, lieber Vater! denn seht – es könnte sich doch einmal fügen, daß der Gott sey bey uns! sein Spiel mit ihm haben wollt. –

VEIT
beys.

O ihr verliebtes Volk ihr! Laut. Nun – nun – dein Hans soll da bleiben, und wenn du dich gut aufführst, so kannst du vielleicht in etlichen Wochen Hochzeit halten. –

MÄRTCHEN
küßt ihm die Hand.

In etlichen Wochen schon? ach! lieber Vater! ihr wisset gewiß auch, wo einen der Schuh drückt, wenn man verliebt ist – weil ihr mit der Hochzeit so Eile macht!

VEIT.
Ja – ja – ich weiß es – o du Schelmengepack.Eilt ab.
MÄRTCHEN
hüpft.
Hochzeit – Hochzeit! wenn jetzt nur gleich der Hansel da wäre. –

Lied.


Mein Hansel – das ist halt ein stattlicher Mann,
Ihr Madeln! schaft euch nur so einen bald an.
Dann seyd ihr so froh, wie ich es jetzt bin,
Ein Mann ist für uns der größte Gewinn.

Der Brautstand gefällt mir gar wundersam wohl,
Von Liebesgedanken bin ich allzeit voll;
[191]
Doch wird mir die Zeit bey Tag oft so lang,
Und denk' ich an Hans, dann wird mir so bang.

Drum machen wir Hochzeit, sobald es seyn kann,
Da werd ich ein Weib, und der Hansel mein Mann,
Denn wartet man lang, so kommt nichts heraus,
Das Zaudern bringt oft ein Unglück ins Haus.

Ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Veit. Hans.

VEIT.
Du hast also von dem Ritter gar nichts gesehen und gehört?
HANS.

Nicht die mindeste Spur hab ich gefunden. Ich gieng ganz zum Eingang der Mühle hin – rief des Ritters Nahmen, da war auch alles so still, nicht einmal ein Käuzlein hat sich hören lassen.

VEIT.

Traun! ich bedaure den Ritter – den werden wir wohl nicht wieder zu Gesichte bekommen – hab ihn aber treulich gewarnt, daß er solch ein Wagestück nicht unternehmen sollte.

HANS.
Glaubt ihr denn im Ernst, daß ihm der Geist etwas zu Leide gethan hat?
VEIT.

Ich glaub' es nicht nur, ich bin dessen versichert – sonst müßte er ja schon längst zurückgekehrt seyn. Mit Geistern läßt sich nicht scherzen, das hat mir schon meine selige Großmutter erzählt. – Hör nur:


Romanze.


Lang spuckt's in einem Hause,
Da gieng es; trap! trap! trap!
Mit schrecklichem Gebrause
Die Treppe auf und ab.
Ein Zaubrer schritt zum Werke,
Und bannte kühn den Geist,
Durch unbekannte Stärke,
Und der sprach, wie es heißt:

»Mein Weib hab ich erstochen,
Sie brach den Eid der Treu.
Schwer ward die That gerochen,
Ich werd' vom Fluch nicht frey.
[192]
Ein Weib nur kann erlösen
Mich von der Geister-Macht,
Die immer treu gewesen,
Schickt sie um Mitternacht.«

Ein jeder Mann nun fragte,
Und bat sein Weib zu Haus.
Man denke! keine wagte
Sich zu dem Geist hinaus.
O Weiber! eure Treue
Zerstiebt der Wind wie Sand,
Ihr liebet gern auf's neue,
Dann reißt der Liebe Band.

Ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Wald. Käsperle sitzt auf einem Felsenstück. Günther. –

KÄSPERLE.

Jetzt bin ich wieder da – aber wo hinaus, rechts oder links – das weiß der liebe Gott! mein armer Ritter! es geschieht ihm aber recht, warum giebt er sich mit solchen Teufeleyen ab – den wird der Geist schon längst gebraten, gespießt und aufkifelt haben.

GÜNTHER
eilt schnell herein.
Ich höre die Stimme meines Knappen! Bist du hier, Käsperle! Wie kommst denn du hieher?
KÄSPERLE.
Durch die Extrapost auf einem Mülleresel – ihr seyd gewiß auf einem Elephanten daher geritten?
GÜNTHER.
Bist ein Narr! Komm jetzt, Käsperle! wir müssen weiter – weißt du den nächsten Weg aus diesem Walde.
KÄSPERLE.

Wie sollte ich? bin ja in meinem Leben nicht da g'wesen. Aber seht, da kommen Reisige, die wollen wir fragen.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Vorige. Mehrere Knechte.

GÜNTHER
geht auf sie zu.
Wollt ihr uns nicht den Weg aus diesem Wald zeigen?
1TER KNAPPE. Bey Gott! es ist der, den wir suchen.
2TER KNAPPE. Er trägt eine blaue Rüstung.
3TER KNAPPE. Er ist's! wir müssen ihn überfallen.
[193]
KÄSPERLE.

G'strenger Herr! die Kerln haben nichts Gutes im Sinn – machen wir uns auf den Weg.

1TER KNAPPE ziehen ihre Schwerter. Gebt euch gefangen – wir haben Befehl, euch zu unserem Burgherrn zu bringen.

KÄSPERLE
zieht sich zurück.
Da giebt's was zu rauffen, da lauf' ich davon! Verkriecht sich hinter das Gebüsch.
GÜNTHER
zieht seine Klinge.
Seyd ihr Räuber, daß ihr einen ehrlichen Rittersmann ohne sattsame Gegenwehre überfallet?
1TER KNAPPE. Ergebt euch!
GÜNTHER.

Nicht eher, bis ich euch meinen Nahmen auf die Stirne zeichnete. – Gefecht, Günther klitscht aus, sie überfallen ihn.

1TER KNAPPE. Haben wir dich endlich, Mörder unseres Burgfräuleins!

GÜNTHER.
Ich ein Mörder! ha! das ist schändlich! bringt mich zu eurem Burgherrn!
2TER KNAPPE. Fort mit ihm nach der Veste Boodsheim.
GÜNTHER.

O Mathilde! Er wird fortgeführt. Käsperle kommt hervorgeschlichen, schaut sich sorgfältig um, und trocknet sich sein Gesicht ab.

KÄSPERLE.

Das heißt sich herumgeschlagen! tapfer bin ich, das ist wahr – ich glaub, ich allein hab ihrer Zehne – davon laufen sehen. Er besieht sich. Ich muß doch sehen, ob ich nicht verwundet bin; dort hinter dem Gebüsch, wo ich dem Gefecht zusah, giebts erschrecklich viel Websen, wie leicht kann mich eine gestochen haben. Mein armer Herr Ritter! bey aller meiner Tapferkeit hab ich ihm doch nicht helfen können. Ich muß nur nachschleichen, vielleicht – Er will fort.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Käsperle. Jeriel als Köhlermädchen.

JERIEL.
Woher kommst du, guter Freund!
KÄSPERLE.

Ich – ich komm jetzt grad aus dem Gefecht. Blut ist g'flossen wie's Wasser in der Donau, und etliche tausend Menschen haben ihr Leben eingebüßt, die Übrigen haben Reißaus g'nommen.

JERIEL.
Ey! wo war denn also das erschreckliche Gefecht?
KÄSPERLE.
Da – auf dem Platz!
JERIEL.
Und wo sind denn die Todten?
KÄSPERLE.
Die sind schon alle begraben!
[194]
JERIEL
für sich.
Wart, Schelm! für dein Prahlen sollst du gestraft werden.
KÄSPERLE.
Kannst du mir nicht den Weg aus dem Forst hinaus zeigen, du wirst ihn doch wohl wissen?
JERIEL.
Wart – ich will dir meine Schwester rufen, die soll dich sicher aus diesem Forst bringen.
KÄSPERLE.
Deine Schwester? ist sie älter wie du?
JERIEL.
Sechzehn Jahre ist sie alt!
KÄSPERLE
für sich.
Das best Alter! Laut. ist sie schön?
JERIEL.
So schön, wie ein Frühlingstag.
KÄSPERLE.

Ist das möglich? weißt du was, schick sie her – von so einem Mädel laß ich mir lieber den Weg zeigen, als von dir.

JERIEL.
Aber hör' – du mußt sie nicht verführen – sie ist verliebt!
KÄSPERLE.

Ist sie verliebt – Beis. desto besser!Laut. aber sag du mir, weißt du denn auch schon etwas von der Liebe?

JERIEL.
Das versteht sich! die Liebe steckt ja schon in unserer Natur.

Lied.


Die Liebe ist ein närrisch Ding,
Macht jede Arbeit uns gering.
Es lacht uns froh die schöne Welt,
Man hüpft und tanzt durch Flur und Feld.

Die Liebe kommt – wenn oder wie?
Das weiß man nicht – bald spät bald früh.
Doch ist nur der ein braver Mann,
Der Liebe giebt, und lieben kann.

Ab.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Käsperle. Marie als Köhlermädchen.

KÄSPERLE.

Ich sag's ja – kaum können die Madeln reden, so steckt ihnen auch schon s' Lieben im Kopf. Wen seh' ich denn da auf mich zukommen? alle Wetter! das ist ein liebliches Mädel!

MÄDCHEN.
Bist du der Fremdling, dem ich den Weg auf die Heerstrasse zeigen soll?
KÄSPERLE.

Nun freylich bin ich's, mein Engel! aber – Beis. ha, ha, ha! – das ist ein Madel, wie ich noch keins gesehen hab. Laut. Du bist – [195] du bist –Drückt ihr die Hand. ja gar ein holdes Geschöpfel, wie heißt du denn?

MÄDCHEN
munter.
In meiner Köhlerhütte heißt man mich nur die schöne Rösel.
KÄSPERLE.
Rösel! die schöne Rösel! weißt du, daß du mir gefällst, du schönes Madel!
MÄDCHEN.

So! ich dank – Mit einem Knicks. ich hör's recht gern, wenn man mir sagt, daß ich schön bin – aber komm jetzt nur, wir wollen weiter. –

KÄSPERLE
beis.

Alle Wetter! das Mädel steckt mir tief im Magen – Laut. Komm einmal her – setzen wir uns miteinander unter diesen Baum.

MÄDCHEN.
Das kann gar nicht seyn, das ist mir zu gefährlich.
KÄSPERLE.

Ha ha ha! – was das für ein kleins Handerl ist – Kneipt sie in die Wange. Was das für liebe, rothe Backeln sind – ein Bussel darauf müßt köstlich schmecken. Komm in meine Arme! Das Mädchen verwandelt sich in ein häßliches, altes Weib, umarmt ihn, mit grinsender Stimme. Da bin ich ja schon, liebes Schätzchen!

KÄSPERLE
entwindet sich, und springt schnell auf.
Pfui Teufel! was ist das?
DIE ALTE.
Willst du nicht Platz nehmen neben mir?
KÄSPERLE.
Könnt ohnmöglich! Sieht sich um. Wo ist denn das schöne Mädel hin gekommen?
DIE ALTE.
Du meinst meine Tochter?
KÄSPERLE.

Was? – deine Tochter? das ist unmöglich, daß so eine alte Trud die Mutter eines so schönen Mädels seyn kann.

DIE ALTE
steht auf.

Was – Unverschämter! du wagst es? He! Ein schrecklicher Akkord ertönt, Geister kommen mit Pritschen. Zeigt diesem Fremdling den Weg aus meiner Region, so wie er es verdient. – Fliehe, und fühle meine Rache! Ab. Sie umgeben ihn, geben ihm die Pritsche nach dem Tackt, und jagen ihn davon.


Chor.


Wer schimpft, der krieget dieß um Lohn,
Du loser Wicht!
Drum packe dich sogleich davon,
Und schimpfe nicht!
Hurra! Hurra! Hussi! Hussa!

Ab.
10. Auftritt
[196] Zehnter Auftritt.
Rittersaal, durch welchen man in das zweyte Zimmer sieht, welches schwarz behängt ist; wenn man die Vorhänge öffnet, sieht man ein Paradebett, worauf Agnese von Boodsheim liegt. Ritter Boodsheim. Günther wird gefesselt von seinen Knappen hereingeführt. –

BOODSHEIM
öffnet den Vorhang.
Sieh, Bösewicht! dieß ist dein Werk!
GÜNTHER.

Ritter! bey Gott! ich verstehe euch nicht – aber ich ahnde die schreckliche That, die ihr mir aufbürden wollet, und ich bin unschuldig.

BOODSHEIM.

Blick hieher, Verruchter! auf diese unschuldig Gemordete, und fühle das Gräsliche deines Bubenstückes! du verführtest sie, als sie bey meiner Schwester in Wien war; schlichest dich um meine Burg, als sie zurückkam, ohne es wagen zu dürfen, meine Burgschwelle zu betreten – da Sie deinen sträflichen Wünschen nicht Gehör gab, tödtetest du sie durch schnelles Gift – und verbitterst so grausam die letzten Lebenstage des gebeugten Vaters.

GÜNTHER.

Ich erstaune über eure Vorwürfe! Ritter! Seit sieben Jahren bin ich entfernt von meinem Vaterlande – noch sind nicht 3 Monden verflossen, daß ich von Palästina zurückkam – ich kannte eure Tochter nicht. – Blicket mich an, und ihr werdet sehen, daß ich nicht der Bösewicht bin, der die Freuden eures Lebens euch raubte.

BOODSHEIM.

Ihr meine Getreuen! entscheidet zwischen mir und diesem Manne! Ihr sahet ihn oft, als ich ausgezogen war, mit meiner Tochter sprechen – redet – ist er nicht der Mörder?

ERSTER KNAPPE.
Er ist's! Wir kennen ihn!
GÜNTHER.

Beginnt mit mir, was ihr wollt' – aber noch einmal erneure ich meinen Schwur: daß ich unschuldig bin.

BOODSHEIM.

Meine Langmuth hat geendet – damit du aber siehest, daß ich nicht als tief gekränkter Vater, sondern als gerechter Richter hier stehe, so gönne ich dir eine Stunde Bedenkzeit. – Knechte! führt ihn in's Verließ. – Die Knechte umgeben ihn.

GÜNTHER.

Ritter! ihr behandelt mich wie einen Troßbuben – aber zittert, wenn die Stunde meiner Rache schlagen wird. Er wird von den Knechten abgeführt. Boodsheim ab.

11. Auftritt
[197] Eilfter Auftritt.
Gemach in der Herberge. Hanns, hernach Käsperle.

HANNS.

Die Ritter sind fort nach der Stauffenburg – nun ist es in unserer Herberge so leer, als wenn alles ausgestorben wär.

KÄSPERLE
eilt schnell herein, lauft umher, Hanns will immer dazwischen reden.

Der Teufel mags länger bey ihm aushalten, aber ich nicht – ich sag ihm den Dienst auf, ich such mir einen andern Herrn.

HANNS.
Wo hast du denn deinen Herrn gelassen, Käsperle!
KÄSPERLE.

Beym Meister Luzifer! nein, das weiß ich – bey einem Herrn, der mit dem Satanas im Bund steht, bleib ich nicht länger, und wenn ich Hobelspänne fressen müßte.

HANNS.
Was ist dir denn wiederfahren?
KÄSPERLE.
Da frag meinen Buckel, der wird dir am besten antworten können.
HANNS.
Bist du geprügelt worden?
KÄSPERLE.

Nach der Nummer! ich glaub, so lang die Welt steht, ist noch kein Mensch so schön karpatscht worden wie ich.

HANNS.

Da trink' guter Freund! Giebt ihm einen Krug. Der Wein da wird dich stärken, und dir dein erlittenes Ungemach vergessen machen.

KÄSPERLE
trinkt.

S'ist auch wahr, wenn – wenn ich nicht so ein kuragirter Kerl wär – Trinkt. kein Beinl wär mehr von mir übrig.

HANNS.
Hast du also den Geist gesehn?
KÄSPERLE.

Freylich hab' ich ihn gesehen! Anfangs ist er mir erschienen, als ein schönes Madel von 16 Jahren – das Madel hat mir g'fallen – ich will da mit ihr so mein Hocus pocus haben – wie ichs denn so recht nachdrücklich umarmt hab – und s' Maul zu einem Bussel spitzen will –

HANNS
äußerst neugierig.
Nun?
KÄSPERLE.

Steht n' alte Trud vor mir, und s' schöne Madel war fort – die Alte wollt geküßt seyn – ich fang an zu schimpfen wie ein Rohrsperling – aber – Wendet den Rücken. hernach, Brüderl! s' ist ewig Schad, daß du nicht dabey warest.

HANNS.
Warum denn?
KÄSPERLE.

Wir hätten alle beyde genug an der Porzion g'habt – denn die Kerln haben drauf g'schlagen, als wenn sie sich ordentlich in meinen Buckel verliebt hätten.

[198]
HANNS.

S' g'schieht dir recht, warum hast du g'schimpft – das beste wär gewesen, wenn du der Alten einen Schmatz gegeben hättest.

KÄSPERLE.

Pfui Teufel! die Alte war wenigstens hundert und ein Jahr alt – da mag der Teufel verliebt werden, aber ich nicht.


Lied.


Bey Madeln von 16 Jahren
Im Spienzeln noch nicht ganz erfahren,
Beym Wetter! da bin ich dabey.
Da lob' ich mir das Karessiren,
Da thu' ich von Herzen scharmiren,
Da bin ich ein tapferer Held,
Da gehet der Kasperl in's Feld.

Doch Weiber, die Hunderte zählen,
Sich lassen von Liebe noch quälen,
O weh mir! wie sticht da mein Herz.
Da krieg' ich vom Küssen und Drücken,
Das Stechen, das Jucken und Zwicken –
Das gehet, beym Teufel! nicht an,
Da kriegt man den Kasperl nicht dran!

Ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Hanns. Märtchen mit Jeriel, als Köhlermädchen.

HANS
allein.
Nun da sieht man, was einem alles begegnen kann, wenn man sich mit Geistern einläßt.
MÄRTCHEN MIT JERIEL.

Sieh, lieber Hanns! da bring ich dir ein schönes Kind – es saß vor unserer Thüre, und fragte nach deinem Nahmen.

HANNS.

Ein Kind? nach mir hat es gefragt? Beis. Nun das wär ein verdammter Streich, und ich weiß kein Sterbenswörtel davon.

JERIEL.

Erschrick nicht, guter Freund! warest du nicht heute früh im Wald? begegnete dir nicht ein alter Bettler, der dich um ein Almosen ansprach.

HANNS.

Ja – ich hab aber nichts gehabt als ein Stück Brod, und einen Silberpfenning, und beydes hab ich ihm auch gegeben.

JERIEL.

Sieh – Wohlthun trägt Zinsen! dieser alte Bettler schickt dir [199] für dein Stück Brod und deinen Silberpfenning diesen Beutel mit Gold zur Aussteuer. – Reicht ihm einen gefüllten Beutel.

13. Auftritt
Dreyzehnter Auftritt.
Vorige. Veit. Frowald.

HANNS.
Juhe! jetzt können Kinder kommen, so viel ihrer wollen, es kriegt ein jedes was zu kifeln.
VEIT.

Kinder! woher habt ihr denn das viele Geld? Da dürfet ihr ja die Herberge nicht in Pacht nehmen, ihr könnt euch eine neue davon kaufen.

MÄRTCHEN.

Seht, Vater! ein Bettler, dem Hans heute früh einen Silberpfenning und sein Brod gab, schickt ihm und mir dieses Geld.

FROWALD.
Ha! so segnet der Vorsicht Hand wunderbar.
VEIT.
Wer bist du denn?
JERIEL.

Fraget mich nicht um meinen Nahmen, guter Vater! er kann euch zu nichts nützen. Lebt zufrieden in dem Kreise eurer Kinder, und seyd glücklich.


Kanon zu 5 Stimmen.


Wo Freude in der Hütte wohnt,
Und die Zufriedenheit,
Im trauten Kreise Eintracht thront,
Da ist Glückseligkeit.

Man lebt so froh, hat guten Muth,
Uns lohnt der Liebe Band,
Wer seinen Brüdern Gutes thut,
Den segnet Gottes Hand.

Ab.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt.
Gemach auf der Stauffenburg. Hanns von Stauffen. Ritter Löbenstein.

HANNS.

O könnte ich meine Tochter wieder zum Leben zurückrufen – meine Habe, alle meine Burgen gäbe ich dahin, um sie an mein Herz drücken zu können.

LÖBENSTEIN.

Die Dirne war euer unwerth. – Vergesset sie in dem Gewühle der Welt – wir ziehen morgen auf etliche Monden nach Wien, um uns dort zu erlustigen.

[200]
HANNS.

Ihr seyd nicht Vater – könnet nicht fühlen, wie einem das Herz blutet, wenn man sein einziges Kind vermissen muß. Trompetenschall.

KNECHT.

Edler Herr! mehrere Ritter halten vor der Burg, sie begehren Einlaß, und kommen in friedlicher Absicht.

HANNS.

Öffne die Pforte – ich will sie sprechen.Knecht ab. Gott! welch ein froher Gedanke durchströmt meine Seele – wenn sie mir etwa Nachricht von Mathilden brächten, wenn sie noch lebte!

LÖBENSTEIN.
Unmöglich! ihr sahet doch, wie sie sich in die Fluthen stürzte.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Vorige. Fust von Kleeberg. Ritter Bodo. Wallberg. Eckard von Trausnitz reichen ihm die Hände, sehen verächtlich nach Löbenstein.

FUST.
Gottes Willkomm, edler Stauffen!
ALLE.
Willkommen! Willkommen!
HANNS.
Was führt euch auf meine Burg, edle Männer!
FUST.

Stauffen! ihr beherbergt einen Mörder auf eurer Veste. – Wir sind aufgefordert, ihn zum Gotteskampf zu laden auf Leben und Tod.

HANNS.
Und dieser Mörder?
ALLE.
Ist Otto von Löbenstein!
OTTO.

Wer zeiht mich dieser That? – Ich beweise meine Unschuld im Gotteskampf. – Wirft seinen Handschuh in die Mitte.

FUST.
Es sey! Hebt den Handschuh auf. Stauffen! bereitet das Gericht – Gott soll entscheiden!
ALLE.
Er soll entscheiden! Alle ab.
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
Burgverließ. In der Mitte hängt eine brennende Lampe. Günther in Fesseln. Marie als ein grauer Mann.

GÜNTHER.

Trauriges Menschenloos! Heute dünken wir uns so überglücklich, morgen schweben wir zwischen Leben und Tod. Windschauer – ein grauer Mann mit langem Bart, mit einer Blendlaterne in der Hand, steht vor ihm.

MANN.
Fürchte nichts – ich bin hier, um dich zu retten.
GÜNTHER.
Kommst du von dem Burgherrn? gesteht er endlich sein Unrecht, und will er mich frey ziehen lassen?
[201]
MANN.
Du schwärmst! Ich bin weder von dem Burgherrn geschickt, noch kenne ich ihn.
GÜNTHER.
Du kennst ihn nicht? Wie konntest du wissen, daß ich hier im Gefängniß schmachte.
MANN.
Darum frage mich nicht. Folge mir, oder es ist zu spät.
GÜNTHER.

Und wenn ich gleich wüßte, daß ich unter den heftigsten Martern mein Leben enden sollte, so würde ich dir doch nicht eher folgen, als bis du mir zur Rede stehest.

MANN.
Starrkopf! So bist du selbst an deinem Tode Schuld.
GÜNTHER.
Wie? sterben soll ich? und warum?
MANN.

Weil man dich für einen Ritter hält, der die Tochter des Burgherrn mordete. Dein Unglück ist, daß dich der Vater nicht kennt, und daß du eben jene Farbe und Rüstung trägst, wie jener Bösewicht. – Horch! deine Feinde kommen. Er zieht sich zurück.

17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt.
Vorige. Ritter Boodsheim mit seinen Knechten, welche Fackeln tragen.

BOODSHEIM.
Nun, Bösewicht! hast du dich entschlossen, zu bekennen, damit ich gerecht richte.
GÜNTHER.
Seit der Zeit, als ich hier im Kerker schmachte, haben sich meine Gesinnungen nicht geändert.
BOODSHEIM.
So schleppt ihn zum Tode! Knechte!Die Knechte wollen über Günther herfallen. – Der Mann tritt vor.
MANN.
Haltet ein – der Ritter ist unschuldig!
ALLE
entsetzen sich.
Der Burggeist! Die Fesseln entfallen Günther.
GÜNTHER.
Ich bin frey! Wunderbar bin ich gerettet!
MANN.

Boodsheim! wie strafbar seyd ihr! Wäre ich nicht herbey geeilt, dieses Unschuldigen Mord läge schwer auf eurer Seele. Wisset, eurer Tochter Mörder ist Otto von Löbenstein. – So eben beginnt das Gottesgericht. Günther! kämpfe mit ihm auf Leben und Tod – Gott ist ein gerechter Richter! Verschwindet. Donnerschlag. – Die ganze Bühne verwandelt sich in einen freyen Platz mit schwarzen Schranken. Mitten im Hintergrund eine Bühne schwarz behängt, worauf die Kampfrichter sitzen. – An den Bäumen und Logen hängen schwarze Tücher mit Wappen. Die zwey Lanzen, die beym Eingang stehen, sind mit einem schwarzen Flor behängt. Die Beysitzer des [202] Todengerichts sind schwarz gekleidet. – Eine dumpfe, majestätische Harmonie ertönt mit gedämpften Paucken und Trommeln.


Die Bosheit werd' enthüllet,
Beginnet das Gericht;
Der Ausspruch werd' erfüllet,
Vollführet eure Pflicht!
HANNS VON STAUFFEN
als Kampfrichter.

Im Nahmen Gottes und des Kaisers beginne ich, Hanns von Stauffen, Pannerherr des Reichs ein freyes, ehrliches Gottesgericht. – Nähert euch, ihr ehrbaren Kampfhelden! damit eure Schilde beschauet werden, ob ihr euch nicht bewahret habt mit Zeichen und Zauberkräutern. Die Schilde werden von den Lüßnern untersucht.

GÜNTHER
tritt vor die Schranken.

Auch ich bin hier, um für die gerechte Sache zu kämpfen. Ich Günther von Schwarzenau erscheine vor diesem ehrsamen Gottesgericht, und klage an auf Leben und Tod Otto von Löbenstein. – Er hat gemordet die Tochter dieses edlen Greisen.

HANNS.
Getrauet ihr euch, diese Anklage durch dieses Blut und Todengericht zu beweisen?
GÜNTHER.
Im Angesichte Gottes will ich den Mörder strafen.
HANNS.
Und ihr – Löbenstein!
OTTO.

Ich behaupte, daß die Anklage des Ritter Günthers falsch und ungerecht seye, dieß will ich mit Schwert und Kolbe beweisen – und Gott möge entscheiden.

HANNS.

Wohlan denn – der Kirchner läute zum Gedinge, und ihr, Lüßner! bringt das geweihte Schwert. Dieß geschieht. Tretet näher, Kämpfer! und schwöret, daß ihr nach Sitte und Gesetz streiten wollet auf dieses geheiligte Schwert.

BEYDE.
Wir schwören!
HANNS.

So rüstet euch zum Kampf! – Kreißwärtel! nimm den Weidenstab, und schlage damit dreymal an die Lanze. Ritter Günther thue beym dritten Schlag den ersten Streich. Sieg! der gerechten Sache zum Frommen!

ALLE.

Sieg der gerechten Sache! Feyerliche Pause. Der Kreißwärtel schlägt an die Lanze. Beym zweyten Schlag schreitet eine weisse Gestalt herein, bleibt vor Otto stehen.

GEIST.
Otto! Gott wird entscheiden!
[203]
ALLE
in Entsetzen.
Was ist das?
HANNS.
Vielleicht der Geist der Ermordeten!
OTTO.

Zum Kampf, und wenn die Macht der Hölle dazwischen trätte! Der dritte Schlag an die Lanze geschieht – dumpfe Trommeln und Paucken. Vorige Harmonie, worunter der Kampf beginnt.


Den Frevler zu vernichten,
Der böse That verübt –
Wird Gott erschrecklich richten,
Weil er die Tugend liebt.

Pause in der Musik. – Zu Ende des Chors fällt Günther – Otto will ihm das Schwert durch das Herz stossen, es geschieht ein Donnerschlag, der unbekannte Greiß steht vor ihm, ergreift seine Hand.
GREISS.
Otto! bekenne – du bist Agnesens Mörder.
OTTO
sein Schwert entfällt ihm.

Welche Angst durchbebt das Innerste meiner Gebeine – welch ein Zittern überfällt mich – wie diese grauenvolle Stimme mein tobendes Gewissen überschreyt. – Ja – Gott hat entschieden – ich bin Agnesens Mörder!

GREISS.

So sey Gottes Gnade dein Richter. – Er verwandelt sich in den weiblichen Geist. Stirb den Tod von deiner Mutter Hand!

OTTO
fällt.
Meine Mutter! Alle im Entsetzen.
GEIST
indem sie sich erhebt, und den blutigen Dolch schwingt.

Es ist geschehen – ha – dieß war ein grosser Schritt zu meiner Vollendung! Alle bleiben im Erstaunen.

Der Vorhang fällt.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Herberge am Wienerberg. Käsperle sitzt am Tisch, ißt und trinkt, dazu Frowald. –

KÄSPERLE
ißt mit vielem Appetit.

Jetzt mag geschehen was will – mag sich mein Herr Ritter im Wald draussen mit dem Meister Luzifer herumbalgen, so lang er Lust hat, ich sitz hier im Trocknen, und laß mir's gut schmecken.

[204]
FROWALD.
Wohl bekomms! guter Freund!
KÄSPERLE
mit gefülltem Mund.
Gratias!
FROWALD.
So wie ich merke, seyd ihr auf euer bestandenes Abentheuer sehr hungrig?
KÄSPERLE.

Geht's mir auf die Seiten – denn wenn ich euch erwisch, ich schluck euch mit sammt eurer Zitter hinunter.

FROWALD.
Ihr wißt es doch, guter Freund! wer euch diese Mahlzeit bezahlt hat?
KÄSPERLE.
Das ist mir all eins, wenn ich's nur hab.
FROWALD.
Ein Wallfahrer kam vorhin in die Herberge, und gab dem Wirth 6 Goldgulden, um euch zu bewirthen.
KÄSPERLE.

S' ist schon recht; ich wollt, daß ich mehr so gute Freunde in der Welt hätt – Nimmt den Humpen. Mein Gutthäter soll leben! Trinkt.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Vorige. Ritter Günther.

GÜNTHER.
Dank, dank, mein lieber Käsperle!
KÄSPERLE
erschrickt und setzt ab – bey Seite.
Hat ihn der Teufel schon wieder da?
GÜNTHER.
Wie ich sehe, geht es dir hier recht gut.
KÄSPERLE
mit vollem Mund.
Passabel! Passabel! Wollt ihr mitspeisen, Herr Ritter! es ist euch von Herzen gegönnt.
GÜNTHER.

Ich habe keine Zeit – mein Bleibens ist hier nicht lange – wichtige Unternehmungen fördern meine Eile.

KÄSPERLE.
Ich wünsch euch n' glückliche Reise.
GÜNTHER.
Wenn du abgespeißt hast, folgst du mir in den Forst.
KÄSPERLE.
Wer?
GÜNTHER.
Du!
KÄSPERLE.
Kann ohnmöglich seyn – ich steh heut vor Nacht gar nicht da auf.
GÜNTHER.
Schurke! bist du nicht in meinem Dienst – mußt du mir nicht folgen, wohin ich will?
KÄSPERLE.

So lang ihr mit Menschen zu thun habt, ja, – aber gegen den Luzifer zieh ich nicht zu Feld, das sag' ich gleich.

GÜNTHER.
Dummkopf! du begleitest mich zu einem Einsiedler in den nahen Forst.
[205]
KÄSPERLE.
Zu einem Einsiedler? ach – das ist etwas anders – auf alle Weiß, da geh ich mit euch – Steht auf.
GÜNTHER.
Ich erwarte dich vor der Herberge. Ab.
FROWALD
zu Käsperle.

Wie aber, guter Freund! wenn der Einsiedler ein böser Geist wäre? wenn er Macht hätte, sich in diese fromme Maske zu hüllen, um euch zu verführen?

KÄSPERLE
setzt sich wieder an den Tisch.
Er geht nicht mit, er bleibt da!
GÜNTHER
ruft.
Käsperle!
KÄSPERLE.
Ja – ich komm ja schon! Ißt.
FROWALD.

Ihr werdet euren Ritter mürrisch machen, guter Freund! geht lieber mit ihm, es wird ja den Hals nicht kosten.

KÄSPERLE.

Aber meinen Buckel kanns kosten – ich spür' die Akzidenzeln ohnehin noch, die mir die verdammten Geister aufg'messen haben.

GÜNTHER
kommt.
Wo bleibt denn der Schurke so lange? Willst du dich auf den Weg machen.
KÄSPERLE
fällt vor ihm auf die Knie, weinend.

Ach lieber Herr Ritter! laßt mich lieber da bey der Mahlzeit – ihr habt keine Ehr davon, wenn ihr mich mitnehmt.

GÜNTHER
zieht sein Schwert.
Schurke du! willst du mich äffen?
KÄSPERLE
schreyt – springt auf.

Haltet ein – ich geh ja schon. – Da ist ja ein verdammter Streich, wenn man einen ehrlichen Kerl mit Gewalt zum Belzebub prügelt. – Weint laut. Er jagt ihn. Ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Frowald allein.

Glücklich bin ich, daß meine Bestimmung nicht fordert, dergleichen Abentheuer zu bestehen.


Lied.


Wie froh bin ich, daß ich ein Ritter nicht bin,

Mein Leben fließt ruhig und lieblich dahin.

Zwar kann sich ein Ritter viel Lorber erringen,

Im hohen Turniere, der Liebe geweiht,

Doch will ich mir lieber die Herzen ersingen

Stets bin ich zum Zweykampf mit Küssen bereit.


[206]

Beym labenden Humpen, beym kosenden Spiel,

Erkämpf ich des Jahres der Siege gar viel.

Und kann ich einst nicht mehr in diesem Dienst streiten,

So nehm ich die Harfe und klimpre darauf,

Und denke der Jugend, der himmlischen Freuden,

Hab ich nur geendet mit Ruhm meinen Lauf.


Ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Gemach auf der Stauffenburg. Hanns Stauffen sitzt im Lehnsessel, dazu der Schloßvogt.

HANNS.

Da sitz' ich nun, alter Mann! ohne Kinder und Erben! Was nützt mir all das zusammengeraffte Gut – lachende Erben theilen sich darein, und der Vater hat kein Kind, das ihm die Augen zudrückt, und am Grabe ihm eine Thräne weiht; O Löbenstein! schrecklich hat sich die Vorsicht an deiner Blutschuld gerächt –

BERTHOLD.
Herr Ritter! Eine alte blinde Bettlerin, geleitet durch einen Knaben wünschte, euch zu sprechen.
HANNS.

Ich will Niemand sehen, mit Niemand reden. – Im einsamen Gemach will ich mein Leben vertrauern, schrecklich büssen für die Strenge, die ich an meinem einzigen Kind ausübte –

BERTHOLD.
Soll ich die Hülflose so ganz leer – ohne Imbiß, ohne Zehrpfenning aus der Burg entlassen? –
HANNS.

Nein! das sollst du nicht – reich ihr einen Labetrunk – gieb ihr Geld, so viel du willst – laß mir von jetzt an keinen Armen, keinen Nothleidenden ungetröstet von meiner Schwelle tretten.

BERTHOLD.
Belohn' euch Gott diese Gesinnung, edler Herr! Seht! da kommen sie.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Vorige. Mathilde als eine blinde Bettlerin, geleitet durch Jeriel, als Knaben.

HANNS.
Woher kommst du, Unglückliche!
MATHILDE.

Tief aus dem Ungarlande. Mein Mann war Krieger unter Maximilians Heere, er starb den Tod für's Vaterland gegen die Sarazenen. Ich gerieth in die Gefangenschaft jener Barbaren – sie beraubten mich des Augenlichtes, um nicht mehr zu sehen Gottes schöne Erde, um mich nicht mehr zu weiden an ihrer Herrlichkeit.

[207]
HANNS
bewegt.
Armes Weib!
MATHILDE.

Nun führt mich mein Sohn umher, um gute Menschen zu suchen, die mir das Brod reichen, um mich kümmerlich zu ernähren.

HANNS
nimmt den Kleinen, bewegt.

Das sollst du nicht länger, gutes Kind! du sollst bey mir bleiben – ich habe keinen Erben meiner Habe – um meine einzige Tochter haben sie mich schändlich betrogen, die Buben! Du willst doch bey mir bleiben, lieber Kleiner! Schmeichelt ihm.

JERIEL.
Wer wird aber die Mutter führen – wer wird sie nähren und pflegen, wenn sie mich nicht mehr hat?
HANNS.

Berthold! leite die Mutter dieses Kindes in mein kostbarstes Gemach – reich ihr alles, was sie verlangt – diese arme Menschen sollen mir den Verlust meiner Tochter ersetzen – diesen Knaben will ich an Kindesstatt aufnehmen, ihn erziehen zum wackern Ritter – er soll der Erbe meiner Güter werden, und mir dann, wenn ich sterbe, mit dankbaren Thränen die Augen zudrücken.

MATHILDE.

Was wird aber eure Tochter Mathilde dazu sagen, wenn sie zurückkehrt, und diese ungebetenen Erben auf eurer Burg findet?

HANS
staunend.
Mathilde – meine Tochter? sagst du?
JERIEL.
Wie? wenn sie noch lebte?
HANS
läßt ihn langsam zur Erde nieder, in tiefem Hinstarren.
Wenn sie noch lebte? Jeriel winkt, das Bettlerkleid entfällt Mathilden, er verschwindet.
MATHILDE.
Sie lebt, und liegt zu euren Füssen! Mein Vater!
HANS.
Mathilde! Heisse Umarmung.
BERTHOLD.
Gott! was ist das?
HANS.

Komm an mein Herz – Mathilde! fühle, wie es der wiedergefundenen Tochter entgegen schlägt. – Gott! heute fühlte ich zum erstenmal, daß ein reicher Vater ohne Kinder ein armseliges Geschöpf ist – Berthold! schicke mehrere Knechte nach der Herberge am Wienerberg – dort werden sie Günther finden – lade alle Ritter und Nachbarn ein, und mache Anstalt zur Verlobung, Berthold ab. ich will mich freuen, will jubeln – denn ich habe meine Tochter wieder gefunden, und was nützten mir alle Schätze der Welt, wenn ich sie ohne Kinder, ohne Enkel verlassen müßte.

MATHILDE.
O guter Vater! Küßt ihm die Hände.
HANS.

Ich war ein armer Mann, denn ich hatte kein Kind – jetzt bin [208] ich reich, ich habe meine Tochter wieder. O Gott! der Mann fühlt des Lebensfreuden nur zur Hälfte, der keine Kinder hat. Ab.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Herberge. Ritter Eckard. Veit.

VEIT.
Ihr hier, Herr Ritter! nun wäre die Sache einmal in Richtigkeit.
ECKARD.
Was für eine Sache?
VEIT.
Mit meiner Tochter. Sie soll in's Himmelsnahmen heurathen.
ECKARD.
Ich wünsche ihr Glück.
VEIT.

Was will ich auch machen? Wenn der Vogel flick ist, will er fliegen – und wenn das Mädchen erwachsen ist, will sie einen Mann. Das Beste ist also, der Vater willigt ein, sonst geräth sie auf Nebenwege, und dabey wird das Mädel geprellt.

ECKARD.
Ihr sprecht gewiß aus Erfahrung.
VEIT.

Traun! könntet fast Recht haben. 21 Jahre war ich verheurathet, nun bin ich schon 6 Jahre Wittwer – dürft mir glauben, Herr Ritter! hab' in meinem Wittwenstand oft manche Anfechtung zu bezwingen gehabt.

ECKHARD.
Ha, ha, ha! – wäre das möglich!
VEIT.

Ja – ja – und wer weiß, was jetzt geschieht, da mir der Bube die Dirne wegnimmt. – Werd's nicht allein so aushalten können.

ECKARD.
Ihr seyd ja schon bey Jahren.
VEIT.

Ha, ha, ha! aber immer noch in dem Alter, wo man ein Weiblein mit Ehren heimführen kann, ohne ausgelacht zu werden.


Lied.


Kein Alter ist von Liebe frey,
Die Wahrheit ist zwar nimmer neu.
Mit Kindern spielet schon die Liebe,
Sie fühlen tändelnd dunkle Triebe,
Und fliegt dem Jüngling Woll an's Kinn,
So schielt er schon nach Mädchen hin.

Kaum, daß der Frühling zwölfmal blüht,
Ist schon des Mädchens Herz entglüht.
Die Liebe röthet ihre Wangen,
Sie fühlt ein Hangen und Verlangen –
[209]
So bald sie spinnen, kochen kann,
So wünscht sie sich schon einen Mann.

Der Liebe Macht ist wunderlich,
Sie zeigt sogar im Alter sich;
Ein Greiß liebt noch den Kuß von Schönen,
Läßt sich von Mädchen gern bedienen.
Vom Steckenpferd zum Knotenstab,
Folgt uns die Liebe bis ins Grab.

Ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Märtchen. Hans.

HANS.
Ach – liebes Märtchen! jetzt sind wir doch einmal so nah daran, daß wir uns heurathen dürfen.
MÄRTCHEN.

Ja – das hat auch Müh genug gekostet, bis der Vater eingewilliget hat. Du weißt, er ist etwas karg – und hättest du das Geld nicht erhalten – ich glaube, ich hätte dich nie zum Mann bekommen.

HANS.
So hätte ich dich zuletzt entführt.
MÄRTCHEN.

Nun ja – da hättest du es gut gemacht. – Wovon hätten wir denn leben wollen? siehst du, so ist es immer besser, wenn der Vater das Jawort dazu giebt.

HANS.

Hast recht, liebes Märtchen! wir wollen auch einander lieb haben – daß es den Vater nie gereuen soll, uns das Jawort gegeben zu haben.


Duett.

HANS.
Heissa! wenn morgen Hochzeit ist,
Wird Märtchen mein.
Wie froh, wenn sie mich herzlich küßt,
Werd' ich nicht seyn.
Ja so vergnügt, wie ich alsdann –
Ist auf der Welt
Kein König und kein Rittersmann,
Mit seinem Geld.
[210]
ÖRTCHEN.
Wenn's morgen in die Kirche geht,
Von Haus zu Haus,
Sich stolz an meinem Busen dreht
Ein Blumenstrauß.
So trag ich dann bis in die Nacht
Den Hochzeitkranz,
Dann geht es, daß der Boden kracht,
Zum frohen Tanz.
BEYDE.
Und wenn dann der Haushahn die Hennen früh weckt –
(Bist du) schon Weib
(Bin ich) schon Weib
Dann wird auch gescherzet, gekoset, geneckt –
Zum Zeitvertreib.
Ich lieb dich als Weibchen, du liebst mich als Mann,
Und ich schau kein anderes Weibchen mehr an.

Tanzen ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Wald. – Auf der Seite eine Einsiedler-Hütte. Ritter Günther, mit ihm Käsperle.

GÜNTHER.

Siehst du – hier sind wir ja an Ort und Stelle – dort ist die Einsiedler-Hütte, die wir zu suchen haben.

KÄSPERLE
brummt für sich.

Ja – war wohl gut, wenn unser Herumvagiren einmal ein End hätt' – s'gescheideste wär, wir zögen nach Haus.

GÜNTHER.
Daß du doch dein verdammtes Raisoniren nicht unterlassen kannst, Bursche!
KÄSPERLE.
Hat wer jetzt raisonirt?
GÜNTHER.
Geh dahin, und klopf an!
KÄSPERLE.

Wer? ich – die Ehr überlaß ich euch –Beys. S'beste ist ich bleib in der Entfernung – da kann ich mich gleich auf die Füß machen, wenn was konträrs vorgeht.

GÜNTHER.
Memme! Geht dahin, klopft an.
9. Auftritt
[211] Neunter Auftritt.
Vorige. Marie als Einsiedler.

GEIST.
Willkommen, meine Söhne! in der Wohnung der Dürftigkeit.
GÜNTHER.
Habt Dank, ehrwürdiger Vater!
GEIST.

Wollt ihr ein Lager von Baumblättern – klares Quellwasser und einige Erdfrüchte geniessen, so seyd mir willkommen.

KÄSPERLE
für sich.
Das ist 'n saubere Kucheleinrichtung, dabey kann man fett werden.
GÜNTHER.

Leckerbissen, ehrwürdiger Vater! sind meinem Gaumen fremd, und eure Früchte, gewürzt von freundlichen Händen werden mir besser behagen, als manchem Reichen seine hundert Gedecke.

KÄSPERLE
für sich.
Das glaub ich – ihn futtert die Lieb –
GEIST.
Wie nennt ihr euch, guter Freund!
GÜNTHER.
Günther von Schwarzenau!
KÄSPERLE
sehr geläufig.

Ich heiß Käsperle – bin des Ritters Waffenknecht – bin ohne Ruhm zu melden weit und breit wegen meiner Unschuld und Tapferkeit berühmt.

GÜNTHER
winkt ihm.
Wirst du schweigen, oderZum Geist. Frommer Greiß! man hat mich zu euch hieher gewiesen.
GEIST.
Günther! habt ihr Muth, euer künftiges Schicksal zu erfahren?
GÜNTHER.
Ich bin Mann, und ihr fragt noch? Entdecket mir, ehrwürdiger Vater! mein Schicksal mit Mathilden.
GEIST.

So eben giebt der versöhnte Vater seiner Tochter das Jawort zu deiner Verlobung – Er winkt. – Eine sanfte Harmonie ertönt. – Man sieht durch einen Schleyer in einen beleuchteten Saal; mitten steht eine Pyramide, mit Rosen umwunden, die transparenten Worte erscheinen: Günther und Mathilde. Sie und ein Jüngling, wie Günther knieen vor des Vaters Füssen.

GÜNTHER.
Gott! was seh ich – Mathilde! und mein Ebenbild! – Die Kortine rauscht wieder herab.
KÄSPERLE
entsetzt sich.
Nein – Sapperment! wo die Bäume in die Luft spatzieren, bleib ich nicht länger. Will fort.
GÜNTHER.
Käsperle, du bleibst hier –
KÄSPERLE
weinerlich.

Aber was habt's denn davon, wenn ich z' Grund geh – ihr seht's ja ohnehin, daß mir s' Zittern in alle meine zwey Füsse kommt. –

[212]
GEIST.

Nun sahest du die Zukunft – Jüngling! jetzt blick auch in die Vergangenheit – Er winkt – Die Kortine rauscht hinauf – Blitz und Donner – – Man sieht durch eben jenen Schleyer die offene See – fürchterlich toben die Wellen, der Sturm heult. – Ein Schiff, worauf sich ein Ritter, wie Günther befindet, scheutert, er wird in die See geschleudert, er kämpft mit der Fluth. – Ein alter Mann mit eisgrauem Bart erscheint in der Fluth, rettet ihn und trägt ihn an das Ufer. – Der Jüngling stürzt auf die Knie, erhebt die Hände gen Himmel, die Kortine rauscht herab. Käsperle stürzt vor Angst zur Erde und schreyt.

GÜNTHER.
Ehrwürdiger Alter! Was soll das wogende Meer?
GEIST.

Das Sinnbild deines Lebens! Oft schon scheitertest du, nur mit Gefahr warst du errettet. – Frage mich nicht mehr – Jüngling! eine wichtige Pflicht, die ich schon dreyssig Jahre zu erfüllen heilig gelobte, treibt mich von hinnen. –

GÜNTHER.
Und diese ist? –
GEIST
öfnet eine Bodenthüre.

Hier unten haußt ein Unglücklicher, – schon dreyssig Jahre büßt er für seine Schuld, an der Menschheit verübt – er wünscht sich den Tod, und dieser flieht ihn so lange, bis ein muthvoller Jüngling kommt, ihn freywillig zu erretten aus dem Hungerthurme. –

GÜNTHER.
Was hör' ich –
GEIST.
Harre hier meiner, Jüngling! Bald bin ich wieder bey dir! Er steigt hinab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Günther. Käsperle.

GÜNTHER.
Ha! welcher Gedanke durchbebt mich – wie – wenn ich etwa am Ziele – Ruft. Käsperle!
KÄSPERLE
noch auf der Erde.
Seyd still, gestrenger Herr! ich bin schon in der andern Welt. –
GÜNTHER.
Steh auf, und folge mir.
KÄSPERLE
richtet den Kopf auf.
Gehen wir in d' Herberg?
GÜNTHER
drohend.
Willst du mir gehorchen, Bube! Steh auf – oder –
KÄSPERLE
steht schnell auf.
Er steht schon auf!
GÜNTHER.

Nun folgst du mir Schritt für Schritt. – Ich ahnde, ich bin bald an dem Ziele meiner Vollendung. – Er erhebt die Thüre.

KÄSPERLE.

Nun – was habts denn wieder für Kindereyen – werdet doch nicht, wie ein Erdzeissel, unter die Erden schlupfen.

[213]
GÜNTHER
steigt hinab.
Käsperle!
KÄSPERLE.

Gehts nur voran, ich komm schon nach – Beys. Ja wer ein Narr wär! – da unten muß es so viele Eidexen und Kröten geben, daß man einen ordentlichen Thiergarten einrichten könnt. –Laut, ruft hinab. Seyd ihr schon weit unten, g'strenger Herr! Eine Flamme strömt ihm entge gen, ein schwarzer Geist streckt seinen Kopf hervor, mit fürchterlicher Stimme.

GEIST.
Zurück – Muthloser! Die Thüre fällt zu.
KÄSPERLE.

Das ist mir grad recht – ich hab mir immer sagen lassen, was einen nicht brennt, das soll man nicht blasen, und wer unten nichts zu thun hat, soll oben bleiben. – Wo ist denn der Einsiedler hinkommen? Er schaut in die Hütte, worinn Jeriel sitzt, eben so gekleidet wie der Einsiedler, er liest in einem Buch.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Käsperle. Jeriel.

KÄSPERLE
nähert sich der Hütte.
Mit Erlaubniß – wenn ich fragen darf –
JERIEL
sieht auf.
Was verlangst du, Fremdling!
KÄSPERLE
beis.
Donnerwetter! was ist denn das? der alte Herr ist ja eingangen!
JERIEL
kommt heraus.
Verlangst du meine Hülfe, guter Freund!
KÄSPERLE.

Auweh – da wird eine kleine Hülf heraus kommen – Beis. Das ist ja ein verdammter Streich – der Einsiedler ist ja um ein paar Ehlen kürzer worden.

JERIEL
im Baßton.
Du hast dich gewiß in diesem Forst verirrt? – Mit weiblicher Stimme. Käsperle!
KÄSPERLE
wendet sich um, wo die Stimme herkam.
Was ist denn das? ist mir ja g'wesen, als wenn ich hätt' eine weibliche Stimm g'hört.
JERIEL.
Darüber wundre dich nicht – es giebt eine Menge der holdesten Mädchen in dieser Gegend.
KÄSPERLE.
Da – so nah bey der Einsiedler-Hütte? Das Ding g'fallt mir nicht übel!
JERIEL
mit weiblicher Stimme.
Ach – mein lieber Käsperle! ach!
KÄSPERLE.
Frommer Herr! Frommer Herr! jetzt hat eine g'seufzt.
JERIEL.
Sie rief dich bey deinem Nahmen.
[214]
KÄSPERLE.
Das mögen mir auch saubre Musterl seyn, die sich so nah bey den Einsiedlern aufhalten.
JERIEL.

Du irrst, holder Fremdling! es sind lauter tugendhafte Geschöpfe – Seufzend. nur einen Fehler haben sie.

KÄSPERLE.
Einen Fehler? und der ist!
JERIEL.

Sie sind sehr klein – nicht grösser wie ich – aber ein einziger verliebter Blick von einem Mann kann sie vergrössern.

KÄSPERLE.

Ha ha ha! – das müssen närrische G'schöpfeln seyn! Sie verwandelt sich in ein steyrisches Bauernmädchen.

JERIEL
in bäurischer Mundart.
Nun so schau her – Käsperle! da bin ich ja!
KÄSPERLE.
Ha ha ha! – nein – das ist nichts – du bist mir z'klein.
JERIEL.

Bist ein wunderlicher Mensch! für meinen Hiesel bin ich grad recht – er sagt immer, daß ich ja nicht grösser werden soll, sonst könnt er mich nimmer lieb haben.

KÄSPERLE.
Wie? Du hast also auch schon einen Buben, den du lieb hast?
JERIEL.
Das versteht sich – komm nur mit mir in d' Herberg, du sollst ihn sehen.
KÄSPERLE.
Gehen wir – s' ist mir lieb, wenn ich aus der verdammten Hexengegend hinauskomm.
JERIEL.

Ja – du wirst dich auch verwundern, was mein Hiesel für ein stattlicher Bue ist, und wie er mich so gern hat.


Steyrer-Liedchen.


Mein Hiesel – der ist mir, und ich bin ihm gut,
Er hat so wie ich einen fröhlichen Muth.
Er schäckert und lacht gern – mit mir doch allein,
Mein Hiesel könnt gar um kein Haar besser seyn.

Des Morgens – noch eh' er aufs Feld geht hinaus,
Da kommt er zum Morgengruß vorher in's Haus.
Des Abends beym Essen – da trinkt er mir's zu,
Er läßt mir, auch wo er mich trifft, keine Ruh.

Und Sonntags – da tanzt man brav landlerisch d'rein,
Ißt Hühner und Gänse – und trinkt guten Wein.
Wenns Tanzl vorbey ist, so schleicht man nach Haus,
Da bring ich den Hiesel kaum wieder hinaus.

Tanzt ab.
12. Auftritt
[215] Zwölfter Auftritt.
Unterirdische Höhle. Kilian in Fesseln – er hat einen langen Bart. Ritter Günther bleibt im Hintergrunde stehen.

KILIAN.

Noch einmal will ich die Speisen geniessen, die ich aus der Hand meines Wohlthäters erhielt. Vielleicht nahet bald die Stunde, wo ich keiner mehr bedarf; ha! erwünscht sey mir der Augenblick meiner Erlösung Günther tritt vor. Gott! wen seh' ich – Geist oder Mensch?

GÜNTHER.
Ein Mensch, der kommt, um Menschen zu retten! Tröstet euch, Kilian! das Ende eurer Leiden ist nahe –
KILIAN.
Ihr kennet mich?
GÜNTHER.
Der Vorsicht Wege sind wunderbar! Ihr seyd der Teufelsmüller!
KILIAN.
Nennt diesen Nahmen nicht – seine Erinnerung ist für mich Höllenqual.
GÜNTHER.
Beruhiget euch – ich bin gekommen, eure Fesseln zu lösen. Wie geriethet ihr in diese Höhle?
KILIAN.

Ich nenne mich Ritter Kilian von Drachenfels; um Mord und Raub freyer üben zu können, bauete ich neben der Heerstrasse eine Mühle, und lockte Reisende dahin, um sie zu ermorden. Mein Weib verrieth mich – ich erschlug sie, floh aus der Mühle, um mich vor der Strafe zu sichern. Geister der Finsterniß brachten mich hieher – ich ward verdammt, 30 Jahre zu schmachten nach Leben und Tod, um für meine Greuelthaten zu büssen – Ein ehrlicher Einsiedler nährte mich bis hieher. –

GÜNTHER.
Unglücklicher! die Ruhe deines Weibes fordert deine Rettung! – Folge mir!
KILIAN.
Aber diese Fesseln?
GÜNTHER.

Ich vertraue auf die Mitwirkung eines höheren Wesens – ich bin seines Beystandes gewiß. Die Fesseln lösen sich, und fallen auf die Erde. Kilian tritt vor.

KILIAN.

Was ist das? – ist es ein Traum, was ich sehe – Ritter! gebt mir eure Hand – laßt sie mit meinen Thränen benetzen.

GÜNTHER.
Und nun folgt mir aus dieser Mörderhöhle – um den letzten Befehl des Geistes zu erfüllen.
KILIAN.

Ach – meinen Wohlthäter werde ich nicht mehr sehen, der Himmel lohne es ihm! Oft – wenn ich verzweiflungsvoll gegen mich selbst wüthete, da goß er lindernden Balsam in mein Herz. – Donnerschlag.

[216]
DIE STIMME DES GEISTES.

Fasse Muth, Unglücklicher! das Schicksal reichet dir die Hand zur Versöhnung! Stärkerer Donnerschlag.

13. Auftritt
Dreyzehnter Auftritt.
Die Bühne verwandelt sich in eine ländliche Gegend. – Auf einer Seite ein Haus, nebenbey ein Brunnen.

KILIAN.

Gott! wo bin ich – hier meine Wohnung – dieser Brunnen! ha! er erinnert mich an die letzte schreckliche That, die ich an meinem Weib verübte.

GÜNTHER.

Hier in diesem Brunnen liegen die Gebeine deines Weibes begraben. Auf, Unglücklicher! vollziehe die letzte deiner Pflichten, um das Schicksal zu versöhnen. Steige hinab – der Geist deiner Gattin kann nur versöhnt werden, wenn deine Gebeine neben den ihrigen ruhen.

KILIAN.

Ich bin zu allem bereit! Donnerschlag. – Ein fürchterliches Gewitter bricht aus. – Es wird finster. Kilian stürzt auf die Knie, mit erhobenen Händen.


Final-Musik.


Melodram.

KILIAN.

Gott! du bist schrecklich in deinem Donner – Fürchterlich weckst du den Verbrecher – er bebt und zittert – und hoft auf deine Gnade –


Geister-Chor.


Ruhe winkt im düstern Grab,
Auf vollziehe deine Pflicht!
Steig mit vollem Muth hinab,
Müder Wandrer! zage nicht!

Melodram.

KILIAN.

Ja – muthvoll will ich erfüllen des Schicksals Schluß – Steht auf. Ruhe suche ich – und Ruhe finde ich nur im Grabe. Er nähert sich dem Brunnen.

GEISTER-CHOR unter welchem er hinauf steigt.

Der Blitz durchkreuzt des Wetters Nacht,

Der Sturmwind heult – der Donner kracht –

Die Stunde naht –


[217] Der Blitz erschlägt den Müller, der Brunnen stürzt mit ihm ein, und versinkt. Nach diesem schrecklichen Donnerschlag und Akkord geht die brausende Musik in ein schmelzendes Adagio über. – Marie kommt als verklärter Geist, blendend weiß gekleidet, aus eben dieser Versenkung. – Sie hat einen Palmenkranz in den Händen.

Melodram.


Ich bin versöhnt – mir winket Friede und Ruhe – Jüngling! du hast ritterlich gekämpft, dir werde die verheissene Belohnung – In jener Mühle findest du einen Schatz begraben, er seye dein Erbtheil – Eile in Mathildens Arme, der Schutzgeist der Liebe sey dein Begleiter – Nur durch deinen Muth, durch deine Entschlossenheit wandle ich rein in die Gefilde der Seligen. – Sie erhebt sich – worunter folgender Sphären-Chor gesungen wird.


Chor.


Schön blüht in höhern Regionen
Die Friedens-Palme dir!
Dort wird die Vorsicht herrlich lohnen
Dich – Dulderinn! dafür!

Die Bühne verwandelt sich in ein Wolkentheater. – Im Hintergrunde ein transparenter Regenbogen – mitten in einer Schleyerwolke Jeriel in seiner Glorie. In der Mitte der Bühne ein Altar mit brennendem Feuer. Hans von Stauffen. Mathilde. Ritter Kleeberg. Alle Vorige. Mathilde eilt in Günthers Arme, der Vater hält seine segnenden Hände über Beyde.

SCHLUSS-CHOR worunter alles zur Erde stürzt.
Geist der Liebe! bleib bey uns,
Seye uns gewogen –
Laß als Friedenszeichen uns
Diesen Regenbogen.
Wo du thronst, da blühen schön
Deine reinre Triebe –
Laß uns froh durchs Leben gehn
An dem Arm der Liebe.
Der Vorhang fällt.
Ende.
[218]

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