Der Nachhall der Freundschaft

Hoher Freundschaft Sympathieen singen,
Tönet edel; in den Saiten klingen
Hehr und stolz die laute Sympathie
Hoher Freundschaft; doch wo athmen sie?
[33]
Ach, sie schieden längst aus unsern Hütten,
Aus dem Taumel unsrer Affensitten,
Grämten sich zu Luft und wurden Schall,
Und sind jetzt – was noch als Widerhall?
[34]
Widerhall, den jede Lipp' entweihet,
Widerhall, auf Sophas hingestreuet,
Sind der Sprache Spielberloquen, sind
Unsrer schönen Kreise Fächerwind.
Sympathie, als einst mit süßen Schmerzen
Du den Säugling noch an Mutterherzen
Bandest, als er an der Tugend Brust
Leben trank, nicht sieche Lasterlust;
Als Du mit den Schwestern noch im Thale
Spieltest und beim Heldenvätermahle
Jünglinge beseeltest, sich mit Muth
Dir zu weihen, Dich in schönem Blut,
Sympathie, im Tode Dich zu singen,
Sich auf Ruhmesflügeln aufzuschwingen,
Wo der Freund zu harren ihm verhieß,
Hinterm Grab im Väterparadies.
Und, o Liebe, konntest Herzen binden,
In einander Ewigkeit zu finden,
Für einander sich mit edler Müh
Neu zu bilden – Herzenssympathie,
Reingeläutert in Dir zu zerfließen,
Alles, Alles in Dir zu genießen,
Seelenthüllet sich zu zeigen, sich,
Wo der Blick verstummt, herzinniglich
Dein zu nennen. Auch die Thränen gießen
Balsam, wenn sie herzvereinet fließen;
Gram und Noth und Tod und Schicksal band
Seelen fester als der Diamant,
Unsre Buhlerfessel. – Wilde Saiten,
Wohin irrt Ihr? – Wohin Euch begleiten
Nimmer kann der Zeiten Wahn; für Tand
Hat er, was Ihr singet, längst erkannt;
Mag auch seine Tempel nicht so höhnen,
Daß sie reiner Menschheit Würde tönen,
Der ja, reich gesättigt und geehrt,
Schwätzer sucht und Freunde nicht begehrt,
Nicht begehrt, noch haben kann. In Oede
Rings umher verstummt des Herzens Rede,
[35]
Schweigt sein lauter Pulsschlag. Lüsteleer
Ist es um mich; da ertönt nicht mehr
Herzens Silberklang. In armen Hütten,
In der Urzeit letzten heil'gen Sitten,
Da nur lebt die Echo Sympathie
Hoher Freundschaft, da nur lebet sie,
Sie, der Klang, o Freund, auch Deiner Saiten;
Aber laß sie immer ihn begleiten,
Diesen süßen Wahnlaut, wenn sein Klang
Deiner Freundin gutes Herz durchdrang.
Der ich hier in Chiron's Felsenhöhle
Meine Saiten unmuthvoll beseele,
Wüßtest Du, wenn jene Echo rief,
Wie umsonst ich oft schon nach ihr lief.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Der Nachhall der Freundschaft. Der Nachhall der Freundschaft. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5648-D