Die Farbengebung

Ein Gemälde der Angelika Kaufmann.


1788.


Nicht vom Chamäleon, so oftermalen
Er auch sein Kleid verändert, wunderschnell,
Nein, um der Gottheit Abglanz uns zu malen,
Nahmst Du die Farben aus der Farben Quell,
Tauchst in Aurorens, tauchst in Iris' Strahlen
Den Pinsel, und Dein Blick wird himmlisch hell,
Zu sehn, wie aus dem Lichtstrom Bäche fließen
Und Strahlen sich in Farben leise gießen.
Wer hob die Hand Dir? Wer erhob zum Himmel
Den Blick Dir, himmlische Begeisterung,
Daß über Nebel, über Erdgetümmel,
Im sanften Fluge, mit der Taube Schwung
Du aufsteigst, fühlst in Dir und trägst den Himmel
In uns mit täuschender Beseligung,
Und lässest, was Du dort in lichten Höhen
Der Gottheit sahst, uns hier in Schatten sehen?
Ein Gott war's. Und die Blume Dir zu Füßen
Weiht ihren Brautschmuck Deiner Schwesterhand.
Ein Lüftchen weilt, die Körper zu umfließen,
Die Du erschaffst, und wird ein Brautgewand
Der Seele, die, sich sichtbar zu genießen,
In Deiner Seele Aetherhüllen fand.
Du malest, was Du bist; auf Edens Auen
Giebst Du in Menschen Engel uns zu schauen.

Notizen
Erstdruck in Schillers Musenalmanach für 1796.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Die Farbengebung. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-573B-3