Palästina

1777.


Da liegst Du nun, verödet Land,
Wo Gottes Fußtritt stand,
Wo er erschien, der Ewige,
Ein Mensch und wandelte,
Geheimniß sprach und Wunder that;
Da liegt in Dir verödet nun sein Pfad.
Sie zeigen jeden Schritt und Tritt,
Nur nicht den Wandler mit.
Sein Dasein, Gegenwart und Kraft –
Ist Alles hingerafft.
Die öde Stelle trauert da
Und ächzt: »Hier bin ich, und er ist nicht da!«
Und was er sprach, ist leeres Wort,
Und was er hie und dort
So geist-, so liebevoll einst that,
Ist Wahn, Betrug und Staat.
Sie bauen da sein leeres Grab;
Und selbst, sie selbst sind ja sein ärgstes Grab.
O Trauer! Trauer! Weine, Herz,
Den tiefsten Menschenschmerz!
Wo Licht einst war und kam nun Nacht,
Wird ärgre Mitternacht;
Wo Altar Gottes einmal stand,
Wird zweifach Leichengruft und Mörderland.
Sie kau'n an Hülsen, letzen sich
Mit Schall elendiglich,
Verwehn den Athem vor sich her
Und dürsten, ach, im Meer!
So bist Du Land und Christenthum
Und Griechenland und Rom und – liebes Lutherthum.

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TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Palästina. Palästina. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5786-C