Pfingstkantate
1773.
Chor.
Herr, wie lange
Willst Du unser
So gar vergessen,
Daß unsre Feinde sagen sollen:
»Wo ist nun Euer Gott?«
Recitativ.
Hat Jesus sie verlassen?
Ihr Freund!
[527]Der's immer ihnen treu gemeint,
Ihr Bruder, Retter in Gefahr
Und Lehrer, Vater war,
Hat er sie jetzo, Waisen, gar
Verlassen?
Der sich von ihnen schwang, nur ihnen Trost zu senden,
Zu dem sie lange flehn!
Um den sie beben! – Kann er sehn
Sie um sich beben? untergehn
Sein Evangelium? zum Spott sie Räuberhänden
Girrend dahingegeben sehn?
Gilt ihm kein Flehn? gilt ihm kein Flehn?
Schlummert in der Gottheit Armen
Dein Erbarmen?
Brüder flehen unerhört?
Oder in die Luft geschwunden,
Trug, daß seine Heldenwunden
Sonnenglanz verklärt?
Ach! erwach' in Gottes Armen
Dein Erbarmen!
Brüder flehn und sind erhört!
Choral.
Komm, heiliger Geist, Himmelsgluth!
Erfüll mit Deinem Freudenmuth
Dieser Zagenden Herz, Muth und Sinn,
Daß Gottheit, Gottheit flamme drin!
Der Du durch Deines Lichtes Glanz
Zum Glauben sollst Dir sammeln ganz
Den Erdenball in allen Zungen,
Wann wird, o Geist, Dein Lob gesungen? Hallelujah!
Recitativ.
Wie wird, wie wird es? Aller Himmel Brausen
Umringet, füllt
Den Tempel, wo sie zittern.
Der Herr in Ungewittern?
Heil uns! gestillt!
Welch sanftes Sausen
Umfleußt uns! – Duft!
Himmelsluft!
(Accente himmlischer Musik lassen sich hören.)
[528]Seliger Klang!
Engelssang!
(Die vorigen verstärkt.)
Sie singen! Alle singen
Und flammen himmelan!
(Zum dritten Mal.)
Völker dringen
Staunend hinan,
Beten an,
Staunen an:
»In all, all unsern Zungen
Wird Gott, wird Gott besungen!«
Gesang, Gesang, fleug himmelan!
1.Ihr Stummen, singet! Stumme singen.
2.Frohlockt, Ihr Blöden! Blöde schwingen –
1. 2.
Zu Gott welch hohen Jubel empor!
Stimmt an ein Chor, stimmt an ein Chor!
Chor.
Gott giebt seinen Geist
Ueber Alle!
Jünglinge sehn die Zukunft!
Greise den Himmel schaun!
1.Ihr Stummen, singet! Stumme singen.
2.Ihr Blöden, schwinget! Blöde schwingen –
1. 2.
Zu Gott wie hohen Jubel empor!
Die Welt wird Chor, die Welt wird Chor!
Choral.
Du heiliges Licht! Gottes Wort
Laß leuchten hie und da und dort!
Daß Gott, den Guten, All' erkennen,
Daß Alle Vater ihn nennen!
O Gott, der wahren Weisheit Lehr'
Ist ewig Leben! – Läutre, mehr',
O mehre Du der Weisheit Lehren,
Daß Jesum Christum Alle ehren! Hallelujah!
Recitativ.
Ich seh', ich seh'! die Boten Jesu fliegen
Wie Flammen Gottes in die Welt,
Ins Dunkel aller Nationen! – Fällt
Das Dunkel graus-uralter Nebel! Es fällt!
[529]Seht hin ins Dunkel! Aufgehellt
Geht Himmel aus der Nacht.
Jauchze, Welt!
Morgen erwacht! – –
Nicht mehr Höhl' ein, zu engen Kreisen,
Umringt mit Abersagentand,
Wird man um Weisheit reisen –
Und finden Tand!
Auf Weg und Stegen alles Land
Wird Gott, den Einen, Gott, den Guten, preisen
Und werden heilig Land! –
Ich seh', ich sehe! Engel Jesu kriegen
Mit Götzen, Priestern, Furienheer,
Scheusalen kriegen. Siegen sie?
Arioso.
Die Engel Jesu siegen;
Die Götzen sind nicht mehr!
Was seh' ich? Dort auch Märtyrer,
Ein jauchzend, blutend Heer!
Sie tragen Heldenwunden
Wie Jesus! – Zittert nicht! –
Sie haben Tod gefunden;
Die Welt hat Licht!
Terzett der verschiedenen Nationen.
1.Lang' ächzten wir in dunkeln Hainen:
»Wann wird, wann wird uns Licht erscheinen?«
Chor.
Triumph! Triumph! mit Sonnenpracht
Ist Wahrheit Euch gebracht!
2.Lang' ächzten wir in Sklavenketten:
»Kommt auch ein Retter, uns zu retten?«
Chor.
Getrost, getrost! einst bruderfrei
Die weite Erde sei!
1. 2.
Noch leben wir ein dunkles Leben;
Ist's Tod oder Himmel, dem wir beben?
Chor.
Getrost, getrost! Auf Grabes Nacht
Des Himmels Morgenpracht!
[530] 1.So wandeln wir und fallen nicht;
Der Herr ist unser Licht!
2.Und kämpfen mit uns edeln Krieg;
Der Herr ist unser Sieg!
1. 2.
Und eilen froh dem Tode zu;
Im Tode wohnet Ruh!
Lang' ächzten wir in dunkeln Hainen etc. – Morgenpracht.
Choral.
Du heilige Kraft, süßer Trost,
Nun hilf uns, fröhlich und getrost
In Deiner Hoffnung ewig bleiben,
Daß Trübsal' nie uns abtreiben!
Herr, Deine Kraft mach uns bereit
Und stärk der Seele Mattigkeit,
Daß wir als Ueberwinder ringen
Und todt und lebend zu Dir dringen! Hallelujah!
Chor.
Sie waren All' ein Herz und eine Seele,
Und große Freude bei ihnen Allen,
Und beteten und lobeten Gott!
Recitativ.
Voll Gottes bin ich! Mich
Regt Geistesodem! Mich
Trägt seine Stimme! Wo nur ich
Hingehe, strahlt sein Licht!
Und folg' ich nicht,
Wie klaget
Es in mir! zaget
Mein Wesen inniglich!
(Klagende Töne.)
Bis mein Sinn
Vor Gott in Thränen
Schmilzet hin,
Wallt mit Sehnen,
Zürnt zur Unschuld hin
(Töne in sanfterem Gange.)
[531]Und fühlt wie neue hohe Triebe
Zu Gottessinne, Christusliebe,
Wie Sonnenhelle, Sonnengluth!
Dann bin ich gut!
(Freudentöne.)
Und ob ermattet oft und müde,
Ich stärke – nein, sie stärket mich,
Die Flamm' in mir, mit Muth!
Bezwinge mich,
Klimm' auf, und Gottesfriede
Geht auf in mir mit sanfter, süßer Ruh.
(Sanfte Ruhetöne.)
O Tröster Du! o Tröster Du!
Choral 1.
(Melodie: »Straf mich nicht etc.«)
Geist der Gnade, laß mein Herz
Stets nur richtig winken,
Nicht in Freude, nicht in Schmerz
Steigen noch versinken!
Himmelsruh
Pflanze Du
In die blöde Seele,
Daß sie Wahrheit wähle!
Chor.
Welche der Geist Gottes treibt,
Die sind Gottes Kinder!
Choral 2.
Geist der Liebe, laß, o laß
Selbst mich überwinden!
Mich dem Spotte, mich dem Haß
Eigne Rach' nicht finden!
Gutes thun!
Edel ruhn!
Ueber alle Kronen
Ist's, mit Güte lohnen!
Chor.
So wir anders mit ihm leiden!
Daß wir uns mit ihm freun!
[532] Choral 3.
Geist des Trostes, Himmelspfand!
Zeig uns, wenn wir scheiden,
Droben unser Vaterland
Für der Erde Leiden!
Sinkt mein Blick
Matt zurück,
Hilf empor dem Blicke,
Wenn er sinkt zurücke!
Chor.
Der Geist vertritt uns aufs Beste
Mit unaussprechlichem Seufzen
Und ruft in unsern Herzen:
»Abba, Vater!«