Morgenruf
Die Lerche war's, nicht die Nachtigall,
Die eben am Himmel geschlagen:
Schon schwingt er sich auf, der Sonnenball,
Vom Winde des Morgens getragen.
Der Tag, der Tag ist erwacht!
Die Nacht,
Die Nacht soll blutig verenden. –
Heraus, wer ans ewige Licht noch glaubt!
Ihr Schläfer, die Rosen der Liebe vom Haupt,
Und ein flammendes Schwert um die Lenden!
Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
Erhebt euch vom Schlummer der Sünden!
Schon wollen die Feuer sich überall,
Die heiligen Feuer entzünden.
Frisch auf und die Waffen gefeit!
Der Streit,
Der Gottesstreit soll beginnen.
Hinweg aus des Liebchens rosigem Arm
Und hinein in der Feinde gepanzerten Schwarm
Und auf fliegenden Rossen von hinnen!
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Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
Kein Küssen gilt es und Kosen,
Sie singt von nahendem Donnerhall,
Sie singt von des Schlachtfelds Rosen,
Den Rosen, damit in Todeslust
Die Brust,
Die Brust der Helden sich schmücket.
Drum auf und wohlan: bis frei die Welt,
Sei der Himmel ein einig Kriegergezelt
Und der Dolch der Rache gezücket!
Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
So laß, o Jugend, dein Träumen!
Und wie von den Bergen mit Jubelschall
Die mutigen Wasser entschäumen,
Und wie sie jagen ins tiefste Tal
Den Strahl,
Den silbernen Strahl durchs Gelände:
So gib ihr dein Blut, so gib ihr dein Wort,
Daß die Erde nicht ganz und gar verdorrt,
So gib ihr dein Herz und die Hände!
Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
Die kecke Gespielin der Wolke
Fliegt jauchzend hinter dem Sonnenball,
Hoch über dem staunenden Volke;
Und unter dem Scheffel bleibt auch nicht
Das Licht,
Das Licht der Freiheit verborgen;
Viel tausend Herzen sind angefacht,
Und preiset die Liebe die Sterne der Nacht:
Die Völker, sie preisen den Morgen.