Ein Brief

Du hast dich leider fortgemacht
Wie eine Diebin bei der Nacht,
Doch scheidend ließest du zum Glück
Mein Herz, das ich dir lieh, zurück.
Zwar blieb's bei dir nicht unversehrt,
Doch hat's noch immer seinen Wert,
Und bessert man's ein wenig aus,
Hält's wohl ein Weilchen noch – fürs Haus.
Dir war's zu alt und unscheinbar,
Zu wunderlich, zu echt wohl gar.
Nach Neuem immer steht dein Sinn,
Ein Herz wie meines wirfst du hin.
Auch geht's nicht immer nach der Schnur,
Ganz wie die alte Taschenuhr,
Ein Erbstück noch vom Vater her,
Nicht ihres Schlags recht sicher mehr.
Bald geht sie vor, bald steht sie still,
Tut eigensinnig, wie sie will,
Und dennoch, raubte sie ein Wicht,
Mich tröstet' eine neue nicht.
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Altmodisch ist's, du lachst dazu!
Nun, alt bin ich und jung bist du,
Ich still und warm, du kühl und toll –
So fahr denn wohl – und ohne Groll.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Sommer und Herbst. Ein Brief. Ein Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-644F-0