13.

Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du
Erlebst es noch: ein jedes Leid am Ende,
So furchtbar es gewütet, kommt zur Ruh'.
Dem Schmerz, so lang er jung ist, sind die Wände
Des Leibes viel zu eng, ihn einzuschließen.
Er tobt umher, daß er den Ausweg fände.
In Strömen muß er aus den Augen fließen,
Dir von den Lippen ächzen, auf die Stirn
In kalten Tropfen perlend sich ergießen.
Am liebsten möcht' er seiner Haft entschwirrn,
Zusamt der Seele, und dem Geier gleich
Mit freiem Flügelschlag das All durchirrn.
Ermattet herrscht er dann in seinem Reich
Gelaßner, bricht nur selten aus den Augen
Und hüllt sich in Erinnern dumpf und weich.
Nun mag ihm nur die tiefste Stille taugen;
Er haust im dunkelsten Verließ der Brust,
Begnügt, dein Herzblut tropfenweis zu saugen.
Die Mond' und Jahre fliehn ihm unbewußt;
Er ist gealtert, fühllos wie ein Greis,
Den kein Gewinn mehr kümmert, noch Verlust.
Doch wenn die Seele kaum noch von ihm weiß,
Kaum des verschollnen Gastes Näh' empfindet,
Tritt plötzlich er aus dem verborgnen Kreis,
Erschrickt, daß er die Welt verwandelt findet,
Und schilt die Seele, daß sie ihn verachtet,
Und schilt sich selbst, daß er verwelkt und schwindet.
Dann in die Kammer, drin er lang geschmachtet,
Schleicht er zurück und sargt sich selber ein
Und stirbt, von tiefster Einsamkeit umnachtet.
[201]
Du aber, kannst du auch noch fröhlich sein
Und wieder ausgefüllt von neuem Glücke:
In jene Kammer dringt kein Sonnenschein,
Und Moderduft bleibt stets darin zurücke.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Meinen Toten. Marianne. 13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]. 13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-64D3-6