Wiegenlied

So schaukelt die alte
Weltenamme, die Zeit,
Den Menschen, ihr großes Kind,
Auf und ab
In der Wiege von Tag und Nacht
Und summt und singt ihm
Bald muntre Liedchen,
Daß es lachend die Hände
Ausstreckt und bittet:
Mehr! noch mehr! –
Bald wehvolle Laute
Trauriger Märchen,
Bis es geängstet
Zum Weinen den Mund verzieht
Und fleht: Halt ein,
Garstige Alte!
Zu weh tut dein Gesang
Vom ewigen Werden und Welken
Uns armen Kindern,
Die immer wir fortblühn möchten
Und der Gespielen uns freun. –
Und siehe, die Alte
Erbarmt sich wieder,
Schaukelt melodisch
Die Wiege von Tag und Nacht,
Singt leis' und leiser,
[394]
Dem wimmernden Kleinen
Einzulullen das bange Gehirnchen,
Bis er ruhiger atmet
Und noch mit Tränen
An Wimpern und Wangen
Schmerzvergessen entschlummert
Und friedlich lächelt im Schlaf.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Italien. Frühling am Gardasee. Wiegenlied. Wiegenlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-64E5-D