[568] Frauen

Die feinen Sprüche – sie lassen dich

In mancher plumpen Not im Stich,

Und über die ungereimtesten Sachen

Hast du dir selbst einen Vers zu machen.

Hüte dich, wahllos einzustimmen,
Wenn Lästerzungen die Frauen kränken!
Man kann nicht schlimm genug von den schlimmen,
Nicht gut genug von den guten denken.
Durch Trinken loben wir den Wein
Und schönen Mund durch Küssen.
Was könnt' auch wohl beredter sein
Als so verstummen müssen?
Wich, was du liebst, in weite Fernen,
Mußt du vorlieb zu nehmen lernen;
Doch tu nur keinem Surrogat die Ehre,
Zu glauben, daß es das Echte wäre.
Leidenschaft ist ein süßer Wein,
Geschlürft aus glühendem Becher.
Er labt bis ins innerste Mark hinein
Und versenkt die Lippe dem Zecher.
Nie wird ein Weib sich ganz dir weihn,
Hat es dir nie was zu verzeihn.
Wie trefflich Weib und Mann
Sich miteinander ständen,
Fingen wir schwerer an,
Und könnten sie leichter enden!
[569]
Klug ist, wer seinen Witz verhehlt
Und bei den Frauen spielt den Toren.
Sie denken, wenn's an Verstand uns fehlt,
Wir hätten ihn um sie verloren.
Wie du gesinnt zu schönen Frauen,
Mußt ja nicht dem Papier vertrauen.
Viel Federlesens magst du sparen:
Halt' dich ans mündliche Verfahren.
Daß es dir nur nicht gleich Bedenken mache,
Horcht eine Frau zerstreut auf deiner Stimme Ton.
Vielleicht ist sie nicht völlig bei der Sache,
Doch desto mehr bei der Person.
Das sind die Traurigen, Flachen,
Die tief und stark sich scheinen:
Die Frauen, die nicht lachen,
Die Männer, die nicht weinen.
Nie wird das zartere Geschlecht
Zum Amt der Richter passen.
Sie glauben schon, sie seien höchst gerecht,
Wenn sie verdammen, ohne zu hassen.
Wie weit ein Weib auch dann und wann
Den Kultus der Person mag treiben,
Das Männliche im Mann
Wird stets des Tempels Gottheit bleiben.
Kommt in ein Frauenlos ein Bruch,
Fühlt sich das Herz getrieben
Und schüttet in ein kleines Buch
Sein Leiden und sein Lieben.
[570]
Doch was zuerst ein Herzenstrieb,
Wird bald bequeme Sitte,
Und nur, weil sie das erste schrieb,
Schreibt sie das zweit' und dritte.
Fraun sind oft Rätsel von jener Art,
Die, wenn wir die Lösung wissen,
Bereuen lassen, daß wir so hart
Die Zähne daran zerbissen.
Aus Lieb' oder aus Vernunft zu frei'n?
Wie sollte das nicht dasselbe sein,
Da es doch nichts Vernünft'gers gibt,
Als eine nehmen, die man liebt.
Wenn die Weiber nicht eitel wären,
Die Männer könnten sie's lehren.
Wie Mann und Weib verschieden von Natur,
Wird dir ihr Opfermut enthüllen:
Es opfert sich der Mann erkannten Zwecken nur,
Das Weib des bloßen Opfers willen.
Das ist unselige Minne,
Wenn Weiber das Herz dir rühren,
Bei denen Gemüt und Sinne
Getrennte Wirtschaft führen.
Nicht, welches Weib dem Mann gefällt,
Ist seines Wertes Messer.
Von Weibern denkt auch mancher Held:
Je schlimmer, desto besser.
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Wer sich mit Seelenkunde befaßt,
Wird manch verborgnen Schatz entsiegeln;
Doch welcher Mann zu welchem Weibe paßt,
Kein Psychologe wird's erklügeln.
Liebe bringt uns um allerhand:
Um Zeit, Geld, Reputation und Verstand.
Wer nur mit dem Bankrott nicht endet,
Hat nie einträglicher verschwendet.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Sprüche. Frauen. Frauen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6583-1