Sophie, Großherzogin von Sachsen
Ein Schatten fällt in dieser Tage Glanz,
Ihr Wohllaut stirbt in herber Dissonanz.
Der junge Frühling, lachend, wangenrot,
Erschrickt erblassend vor dem dunklen Tod.
Zwei Augen schlossen sich, die ihre Welt
Erwärmt mit sanftem Leuchten und erhellt.
Ein Herz steht still, das treu blieb immerdar
Sich selbst und dem, was wert der Liebe war.
Ein Geist ging in die ew'ge Klarheit ein,
Der Wahrheit sucht' und feind war allem Schein,
Beglückt, das Wort der Dichter zu verstehn,
Mit ihnen wandelnd auf der Menschheit Höhn.
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Denn ob am Thron auch ihre Wiege stand,
Daß Geist nur adelt, hat sie früh erkannt.
Geist und ein Herz, das ernst und fromm sich weiht
Dem Priesteramte reiner Menschlichkeit.
Wer stillt um sie die Trauer, schmerzverzagt,
Um die ihr Land als um die Mutter klagt
Und weithin über seiner Grenzen Ring,
Wer ihres Geists je einen Hauch empfing!
Doch schwand sie auch für immer unserm Blick,
Bewegten Herzens preis' ich das Geschick,
Das in der Fürstentochter offenbart
Hoheit mit reinstem Frauenwert gepaart,
Ein segensreich erhabnes Menschenbild,
So klug wie gütig, so gerecht wie mild.
Mir aber, schreitend hier am Seegestad,
Begegnet sie auf einsam stillem Pfad
Und sieht mit ihrem hellen Blick mich an,
Der jedem wohltat, der ihr durfte nahn.
Als spräche sie: wie magst du klagen nur,
Verdunkelt sei dir nun die Lenzesflur?
Mich nahm ein ew'ger Geistesfrühling auf,
Erhaben ob der Jahreszeiten Lauf,
Und wie du siehst am Hang dort immergrün
Scheinlos, doch früchtereich, den Lorbeer blühn,
Ein Sinnbild edlen Ruhms, der fortbesteht,
Ob er auch bunten Farbenprunk verschmäht,
So laß mich in dir leben fort und fort
Und klage nicht um mich mit bangem Wort.
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Nur im Beglücken fühlt' ich wahres Glück,
So ruf in Freuden dir mein Bild zurück,
Und in den Stunden, wo die Seele rein,
Zum Ew'gen sich erhebt, gedenke mein!
Sald. Am 8. April 1897