[312] Idyllen von Sorrent

1.

Schön ist immer der Mai in Sorrent, am Strand, in den Gärten.
Über den Vignen am Fels, schön in den Gassen der Stadt.
Aber am schönsten um Mondaufgang, wenn um den gekrönten
Berg Sant Angelo falb dämmert der trauliche Schein
Und auf Ischia drüben die letzte verglimmende Wolke
Ruht und dem alten Vesuv feierlich rötet die Stirn.
Dann trägt schweigend Luisa – so gern sie plaudert, die Gute –
Mir ein Bänkchen hinauf auf das geebnete Dach.
Dort von des Tags nachdenklichem Nichtstun ruht sich die Seele
Wie zufrieden mit sich aus in der Stille der Luft,
Träumt von diesem und dem, zu den Freunden hinüber, den Fernen,
Schweift mit gesättigter Glut über die Gärten im Grund,
Wo die Feige gemach anschwillt und Duft der Orangen-
Blüte die dunkelnde Frucht nachbarlich wieder umspielt.
Sacht entgleitet den Händen das Buch. Heut war es ein seltsam
Büchlein in Duodez; aber das treffliche fiel
Unsanft; nämlich es flog von zornigen Händen geschleudert
Wider den Rand des Altans, schimpflich am Boden zu ruhn.
Tommaseo, es war dein Werklein: Glauben und Schönheit;
Noch wie wenigen erst über den Alpen bekannt.
Und doch schrieb es ein ganzer Poet, und nicht in der Crusca
Stelzgang spreizt sich der Stil, sondern im Takt des Gemüts.
Wärst du ein weniges nur sparsamer mit Liebesgeschichten!
Auf dein Konto allein kommen an dreißig und mehr;
Ganz zu geschweigen, wie oft, eh' dich sie gefunden, Maria,
Dein hochherziges Weib, sich in den Männern geirrt.
Freilich berichtest du auch sorgfältig das leiseste Zwinkern
Reizender Augen, den Druck jeder gefälligen Hand,
Härmst dich über Gebühr, weil die und jene vergebens
Nach dir seufze; du selbst schmachtetest nimmer umsonst.
Doch dies sei wie es sei. Man weiß, ihr Südlichen habt ein
Flunkriges Blut, und sogleich – klopft es, so ruft ihr »herein!«
Nur das eine verdroß mich schwer: kaum nennst du das holde
Weib dein eigen, doch ach, wieder gebietet die Not,
[313]
Daß du Paris aufsuchst, einsam die Geliebte zurückbleibt,
Gleich droht wieder Gefahr, und du entblödest dich nicht,
Briefe zu schreiben: O komm! o schütze mich! Wenn ich allein bin,
Steh' ich für nichts. Schon stellt eine Grisette mir nach. –
Schande! so rief ich aus – bei dieser Gelegenheit flog denn
Eben das Buch an die Wand – Schande dem flüchtigen Mann,
Der aus Banden der Liebe sogar sich selbst zu verlieren
Bangt, dem Neigung nicht Treue gebiert und erzieht!
Oder es war nicht Liebe, der Trug nur gaukelnder Sinne,
Oder sie war nicht echt, nicht von der himmlischen Art,
Nicht so echt, wie mir sie die Brust ausfüllet und ausdehnt,
Mich in der Einsamkeit Winter in Flammen erhält.
Nicht als wär' ich ein Blinder und sähe die glücklichste Bildung
Deiner Geschöpfe, Natur, immer verschlossenen Sinns.
Doch wann schrieb' ich Briefe der Liebsten: O komm, mich zu schützen,
Weil Giacinta mir sehr, oder Teresa gefällt?
Lebt doch hier im Busen ein heilig Vertraun in die ew'ge
Liebe; die nordische Treu' gibt mir im Süden Geleit.
Käm' ein Engel, sie wankte mir nicht! – So sittlich entrüstet
Sah ich den Sünder im Staub streng und bedauerlich an;
Und an der Brüstung lehnend hinab zum Saume des Gartens,
Wo der Olive Gewächs vor dem gekräuselten Meer
Luftige Wipfel bewegt, hin starrt' ich. Da hört' ich Geräusch vom
Nachbarsdach; nur schmal trennt es von unserm der Hof.
Drüben am Tag schon sah ich die glänzenden Linnen im Winde
Flattern, in sonnigen Reihn fest an die Schnüre geknüpft.
(Doch es gehörte die Loggie dem Apotheker, dem einz'gen
Honoratioren Sorrents, neben den geistlichen Herrn.)
Jetzo gewahr' ich ein Mädchen das Dach hinwandeln, geschäftig,
Und in den binsenen Korb wirft sie die Tücher zuhauf.
Angiolina! ruf' ich. Umsonst; nicht dreht sie das Hälschen.
Angiolina! – Sie schweigt. Wahrlich, es irrte der Blick.
Größer und völliger ist sie, als Angiolina, des Hausherrn
Tochter, und trägt sich zudem nicht so geschniegelt wie die.
Kaum auch würde sich jene dem niederen Dienste bequemen,
Weil sie die Mutter erzog, wie es Gebildeten ziemt;
Und sie lernte Gesang, auch Lesen und Schreiben; es lernen's
Wenige Töchter Sorrents, und den Gesang von Natur. –
[314]
Doch – cospetto! wer ist nun die? Ich kenne doch ziemlich
Hier in der Nachbarschaft jegliches hübsche Gesicht.
Zwar – wie soll ich sie kennen? Ich sah sie noch kaum. Zum Tort mir
Wendet die häßliche Dirn' immer die Augen mir ab.
Ruhig die Reihen der Tücher hinauf und hinunter hantiert sie,
Nur ein bescheidener Streif wird vom Gesichte gezeigt.
Doch wohl seh' ich den zierlichen Hals, und hebt sie die Arme –
Welch entzückendes Rund wölbt sich und woget gelind.
Und so lärmt' ich ein wenig auf meinem Altane mit Pfeifen,
Husten und Singen; sogar sang ich ein zärtliches Lied,
Jenes holde bekannte: Te voglio bene assaie!
Ach, zu sehr nur behielt recht der verwünschte Refrain.
Endlich – sie hatte die letzten der reinlichen Linnen mit kleinen
Händen gelöst, und kaum faßte die Fülle der Korb –
Geb' ich der Neugier nach, der verderblichen, fasse die reife
Goldorange – von Tisch nahm ich sie mit zum Altan –
Ziel' und werfe sie sanft ihr zu, und siehe! dem Mädchen
Grade zu Füßen – doch ach! nicht in den Korb. Wie ein Blitz
Schießt ein Blick mir herüber. Sie steht, und die bräunliche Wange
Brennt; nun seh' ich sie ganz, finster, das Mündchen gepreßt –
Welch ein Mündchen! – die Nas' ein wenig gerümpft – welch Näschen! –
Doch nicht haschte die Hand – was für ein Händchen! – die Frucht.
Nur so schneller entwich sie mir jetzt, leicht über dem Haupte
Mit dem erhobenen Arm stützend den schwankenden Korb.
Und so stand ich denn wieder allein, unmutig. Auf einmal
Tagt mir's innen: die Frucht, die ich hinübergesandt,
War schon leise verletzt von spielenden Bissen. Ich nagte
Ganz in Gedanken vertieft unter dem Lesen daran.
Darum hat sie die Gabe verschmäht; denn Zeichen der Neigung
Ist's, anbeißen die Frucht und der Erwählten sie weihn.
Darum! dacht' ich in mir, und scharf wie prickelnde Nesseln
Schlug mir ein Ärger ins Herz, daß ich es brennend empfand.
Doch – was seh' ich im Zorne zuerst? Dich, übelgeschmähtes
Büchlein! Kichert es gar zwischen den Zeilen? Es rührt
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Nur ein raschelndes Lüftchen die offenen Blätter. Der Schall von
Meinem Gewissen allein hat sich ins Fäustchen gelacht.
Narr! Was hätt' ich getan? Kein Stäubchen des schillernden Flügels
Hat an der Fackel des Gottes Psyche so rasch sich versengt.
Doch die Lehre gewann ich, indem ich gelassen den guten
Tommaseo sofort wieder vom Boden erhob:
Immer ein Wagnis bleibt's, an die Wand sich den Teufel zu malen;
Doch Gott stehe dir bei, malst du dir Engel daran!

2.

Was nur denk' ich davon? Mich lockte die Fülle des Mondes
Wieder hinaus. Nun stand kühl an den Bergen die Nacht.
Noch summt tief in den Gassen gedämpfteren Klanges die Freude,
Aber die Dächer, wie still ruhn sie, verödet und weiß.
Und so blick' ich hinüber zum Nachbarsdach; in der besten
Unschuld wahrlich, und was hätt' ich zu suchen gehabt?
Aber – da raunt mir ein Lüftchen ins Ohr: Wo blieb die Orange,
Die du geworfen? Zuvor lag sie doch sichtbar genug,
Dort, noch weiß ich den Fleck, an der Brüstung, wo sich in Töpfen
Angiolina die buntblühenden Nelken erzieht.
Hat wohl die sie gefunden? – Gewiß nicht. Nimmer besucht sie
Abends die Blumen; so hört gleich sie ein jeder im Haus,
Weil aus Robert dem Teufel sie jüngst die Romanze gelernt hat.
Nun, heut war sie vielleicht heiser; sie fand sie gewiß.
Oder die Magd – nichts ist wahrscheinlicher! Oder das Hündchen
Fiffi spielte mit ihr, rollte sie weiter. – Und sind
Nicht auch Katzen genug in Sorrent? Wahrhaftig, die Katzen
Holten sie. Fiffi ist schon viel zu erwachsen zum Spiel.
Oder – wie wär's? Auch diese Vermutung eitel – so bliebe
Freilich die andere noch, daß sie die Rechte geholt.
Zwar nichts Eitleres kann sich ein Mensch aussinnen, als dieses.
Possen! das trotzige Ding, das die Gekränkte gespielt?
[316]
Hast du den zornigen Mund – und welch ein Mündchen –! vergessen,
Und dies Näschen – und welch Näschen! – und wie sie es rümpft',
Und nun gar den verächtlichen Blick? – Das weiß ich nun freilich
Noch auswendig. – Du siehst also, sie kann es nicht sein. –
All das seh' ich; und doch, obwohl so schlagend bewiesen,
Daß sie es nicht sein kann, quält es mich, ob sie es war.

3.

Liebste, wie lang schon saß ich im lachenden Morgen und starrte
Auf dies Blättchen, und doch ließ ich die Feder in Ruh'.
Denn aus Träumen erwacht sehnsüchtiger Liebe, von Herzen
Brannt' ich, ein inniges Wort hin zu beflügeln zu dir.
Doch wie red' ich hinaus in die tödliche Ferne? Wie sag' ich,
Was hier klopfet und tobt, was die Gedanken verwirrt?
Mein! mein! Immer das eine beschlich eintönig das Ohr mir,
Lauscht' ich nach innen; es klang jauchzend und traurig zugleich.
Soll ich's schreiben? Es ist nicht viel; doch ist es mein Alles,
Was ich gewußt und weiß, was mich zu wissen verlangt.
Ach, dich auch? – So fragt' ich, und selbst antwortend ein helles
Ja! – wie versank ins Meer dieses Gedankens das Herz.
Leibhaft tratst du heran. Da rauschten die Wipfel des Gartens,
Wo wir selig zuletzt eines dem andern gehört.
Wieder das Gras, das hoch in dem Baumgang wucherte, sah ich
Unter dem zierlichen Fuß leise gestreift und gebeugt;
Sahe den Hain von Fichten, den Pfad am Flusse, das Plätzchen
Dicht am wallenden Feld neben der plätschernden Bucht.
Damals schlug's wie ein Sturm in den Herd frohlockender Liebe,
Deren verstohlene Glut lang in der Asche gezückt
Und nun prächtig und frei aufloderte, allen zur Freude,
Bis das Leben aufs neu' eines dem andern entriß.
Ach, und den Abschied dacht' ich, am Bach, der schluchzend dahinlief
Unter dem Weidengesträuch, drin ich zuletzt dich verlor.
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Doch mein! rief ich, und mein! Mir war's, ich hätte dich nimmer
Eigner besessen als heut, näher als heut dich gefühlt.
Und so hätt' ich die Wonne genährt bis hoch an die volle
Sonne, das Blatt vor mir immer so weiß wie zuerst,
Aber es rief von außen Luisa: Kommet ein wenig
Auf den Altan, Signor, kommt den Kometen zu sehn! –
Was? den Kometen? Es ist ja Tag! – Nun sehet ihn selber;
Gestern aus weißem Papier hat ihn der Bruder gemacht. –
Ferdinando? – Ich kam und das Treppchen hinauf zu dem Dachraum
Klomm ich, und droben, verschämt, nickte der Bursche mir zu.
Siebzehn Sommer erlebte der Treffliche; aber er ist schon
Für sein Alter in viel nützlichen Künsten geübt.
Sitz' ich und tafle, so trägt er die Schüsseln herauf von der Küche,
Bringt mir den rötlichen Wein und die Orangen dazu.
Auch auf Besen und Bürste versteht er sich, tanzt wie ein Dämon
Tarantella, und schon hat er ein städtisches Amt:
Festtags immer die Reihen der winzigen Böller zu laden,
Und mit der Lunte, bedenk! brennt er sie säuberlich ab.
Jetzt – was hat sich der Stolz der Familie Neues ersonnen?
Einen Drachen, die Lust nordischer Knaben im Herbst.
Kunstreich wehte der Schweif, und es rauschten papierene Büschel,
Als sich das Untier nun kühn in die Lüfte verstieg.
Aber er hielt am Faden und lenkt' ihn, lächelte selig
Über den staatlichen Flug, und ich belobt' ihn vollauf.
Auch noch andere sahen die Pracht. Vom Dache des Nachbars
Blickt' ein schönes Gesicht, das mir am meisten gefällt
Hier im mädchenberühmten Sorrent. Mit anderen Sternen,
Die kein Weiser begehrt, ging sie am Abend mir auf
Gestern. Ich fragte Luisen und hörte, sie heißtMariuccia.
Oftmals staun' ich sie an; Liebste, versteh: wie ein Bild,
Von Giorgione, von Palma vielleicht. Doch unsre Luisa
Bildet sich ein, ich sei über die Ohren verliebt.
Darum rief sie mich her, ich merkte die Tücke. Sie blinzte
Lustig, und nun aus der Hand nahm sie dem Bruder die Schnur.
Seht, Don Pavolo, rief sie, so seid ihr Männer, wie dieser
Schöne Komet; auch euch regt und beweget ein Wind.
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Eben, da weht's ein wenig vom Meer, gleich dreht sich der Vogel,
Und doch schien er zuvor fest wie der Himmel zu stehn. –
Aber ich lacht' und erwiderte flugs: Nein, gute Luisa,
Sondern die Männer getreu sind sie wie dieser Komet.
Wie du jetzt am Schnürchen den Flatternden lenkst, so lenkt mich
Fern im Norden und hält immer die Liebste mich fest.
Jetzt wohl schweif' ich ein Weilchen in diesen gesegneten Lüften,
Wiege mich über dem Meer, steig' in die Berge hinan.
Aber ich fühle den Faden, und zieht sie ein weniges fester,
Siehe, so kehr' ich im Nu heim von der schwankenden Fahrt.
Zieh nur einmal, so wirst du gehorsam finden den Irrling,
Zieh ihn heran; er stürzt dir vor die Füße gewiß. –
Aber der Mutwill zog, nur über die Maßen. Auf einmal
Riß in der Mitte die Schnur, und in die Tiefe sofort
Schoß köpflings der Komet und verfing sich im Wipfel des Ölbaums,
Aber ein Lachen erscholl hüben und drüben mit Macht;
Auch Mariuccia lachte. Da habt Ihr's, spottet Luisa,
Ihr auch macht es vielleicht noch wie der Schelm, der Komet,
Bleibt hier hängen im warmen Sorrent und lasset die Liebste
Droben im frierenden Nord ziehen so viel ihr beliebt. –
War's denn Schuld des Kometen? erwidert' ich lachend Das Fädlein
War nur tückisch; es webt Amor ein festeres Band. –
Aber das Mägdlein drüben errötete, lächelt' und ging dann
Hurtig hinab, und hinab auch die Geschwister, vom Baum
Ihren Kometen zu lösen. Und ich – ich sitze nun einsam.
Mein! mein! ruf' ich, und dein! hallt es im Innersten nach.

4.

Ratet, von wem ich komme, Don Pavolo! – Von der Gevattrin?
Falsch! – Von der Schneiderin? – Falsch! – Dann von der Messe gewiß!
Nein, Ihr wollt's nicht raten! – Bei San Francesco, Luisa,
Gern; wer aber errät Mädchengedanken und -tun? –
Bei Mariuccia war ich. – Bei der! – Nun tut mir der Herr doch,
Gar, als wäre das nichts. – Wenig, Luisa, für mich. –
[319]
Habt nur Geduld; gleich kommt es an Euch. Ich macht' ein Geschäft mir
Heut am Morgen und tat Seidengespinst in den Korb,
Daß sie ein Band mir webe; sie hat im Haus die Geräte.
Und ich fand sie, allein Mutter und Schwester mit ihr,
Richtet' es aus und hoffte von Euch ein Wörtchen zu plaudern,
Aber die anderen zwei horchten; ich hütete mich.
Und so war ein Stündchen vertan. Da ging ich, und mit mir
Ging Mariuccia. Wie gern hätte sie nun mich befragt!
Also stehen wir unter der Tür. Ich sage: Commare,
Sag' ich, besuchst du mich nie? – Aber sie schüttelt den Kopf.
Nein, denn ich darf nicht, sagt sie; du weißt, nicht liebt es die Mutter,
Weil ihr ein Wirtshaus habt. – Närrchen, es stehet ja leer;
Noch ist keiner gekommen zum Seebad. – Aber es wohnt doch
Einer bei euch. – Nun der, sag' ich, – wie findest du den? –
Ei, nicht übel. – Verstelle dich nur, Spitzbübin! du hast ihn
Gern, und du weißt, er dich! sag' ich. Da lacht sie und schweigt.
Aber auf einmal faßt sie mich um und küßt mich, ich denke
Gleich, sie erstickt mich, und dann läuft sie wie Wetter davon.
Und ich ruf' es ihr nach: Den Kuß, Mariuccia, bestell' ich,
Aber du weißt wohl, wem. Richtig; sie dreht sich und nickt:
Tu's Luisa! und weg, ins Zimmer hinein. Die Arme!
Denk' ich, sie hätt' es allein freilich am liebsten bestellt.
Chi va piano va sano; es kommt ihr, eh' sie es denket.
Aber so stehet es jetzt, Herr, und da hab' ich den Kuß.
Wollt Ihr ihn auch? – O edle Luisa – Also da ist er!
Seht, Don Pavolo, dies tut die Luisa für Euch:
Anderen tät' sie's nimmer; doch Ihr, Ihr wisset, was Scherz ist,
Und dies alles, es sind Possen. Nun aber im Ernst:
Geb' ich den Kuß nicht wieder für Euch? Und hättet Ihr keinen
Mir zu bestellen? Es wär' jetzo in einem getan. –
Liebe Luisa, ich tat ein Gelübd, nie Küsse zu geben;
Küsse zu nehmen – ja, das scheint ein besonderer Fall.

5.

Große Gesellschaft hab' ich zu Mittag, offene Tafel,
Und sie würzt mir das oft überbescheidene Mahl.
Eins und das andere kommt von den Kindern des Hauses und setzt sich
Mit an den Tisch und sieht freundlich dem Essenden zu;
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Hübsch – Gott sei es geklagt! – nicht eins, doch ehrliche Seelen;
So zutraulich und zudringlich sogar wie daheim.
Fast auch mein' ich, es sei aus nördlichen Landen ein Kaufherr
Dieses Geschlechts Urahn, welchen die Welle verschlug
Einst an Napolis Strand; da ließ er ein lebend Gedächtnis
Südlicher Freuden zurück, und es vererbte der Mund,
Diese geknetete Nase, der knorrige Wuchs und der Plattfuß,
Aber das biedre Gemüt erbt' in den Sprößlingen auch.
Und – sie verstehen zu plaudern, zumal die Erwachsenen. Scheu noch,
Stumm an die Lehne des Stuhls drücken die Jüngsten sich an.
Du vor allen gebietest dem Wort, Stammhalter Francesco,
Weil dir häufig vergönnt, gute Gesellschaft zu sehn.
Denn in den Kirchen umher in Sorrent und der Ebene bist du
Tätig, den Festtagsschmuck bunter Tapeten mit Kunst
Hoch von den Pfeilern herab, um Kanzel und Chor zu befest'gen,
Ja und den Hochaltar hüllst du in flitterndes Gold.
Und da geziemt dir's wohl, dich weisen Gesprächs zu befleißen,
Und mit der Theologie lässest du gerne dich ein,
Nur wie's eben ein Laie vermag. Doch hast du am Schnürchen,
Wieviel Scudi die schönfarbige Steinmosaik
In Carrotta gekostet, wieviel in Sorrento der Umhang
Um den Altar, und wann neu sie die Kirche getüncht.
Auch vor allem erscheinst du in Wundergeschichten bewandert,
Denn du liebst, wie du sagst, wenn du ein »Faktum« erfährst.
Auch in der Predigt, so sehr dich übrigens rührt die Betrachtung,
Zieht das Historische doch immer am meisten dich an.
Und so gibst du mir gern die erstaunlichen Wunder zum besten,
Welche der Kirche Patron, Sant Antonino, getan,
Jegliches ganz urkundlich auf hölzerner Tafel verzeichnet
Und ein Gemälde dazu, welches das Faktum bezeugt.
All das hängt in der Krypte. Man sollt's nicht glauben, bekennst du,
Ständ' es geschrieben allein; aber es ist ja gemalt.
Hier ein Schiffer in Nöten, in Wolken der Heilige, der das
Wetter beschwört; dort liegt krank an den Masern ein Kind
Und die bekümmerte Mutter am Bett, zu dem Heiligen betend;
Dort mit dem leichten Gefährt gehet zum Teufel ein Gaul;
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Aber der Heilige faßt es am Zaum. Dies alles erzählst du
Deutlich, mit Namen und Ort und mit dem Datum der Tat.
Wenn du aber verschnaufst, andächtig versenkt in Betrachtung,
Fällt mit der Tafelmusik hurtig das Schwesterchen ein,
Trillert das schmachtende Lied: Vieni Teresa! der Schiffer
Lieblingsgesang: Fiedelin! oder ihr Michelemmà.
Ich indessen, ich schmause vergnügt und schenke den Gästen
Fleißig den Wein von Sorrent. Aber ins Fenster herein
Sieht der Vesuv und weht der betörende Duft der Orangen,
Gleitet die Sonne, gedämpft, zärtlich die Blumen entlang.
Und so saßen wir heut in herrlichen Freuden. Auf einmal
Klang von unten ein hell silbernes Stimmchen herauf.
Aber es galt der Luisa. Sie winkt' uns lachend. Da ist sie!
Flüsterte sie. Seid still! Wartet, ich locke sie her.
Damit trat in die Türe der Schalk. Bist du's, Mariuccia?
Rief sie hinunter. So komm! Komm! denn du findst mich allein. –
Und wir hörten ein Huschen die Stiegen herauf, und die Stimme
Klang schon näher: Ich bin's; bist du auch wirklich allein? –
Freilich. – So ist mir's lieb. Wir schwatzen ein wenig. Es hat mir's
Heute die Mutter erlaubt. – Aber so komm nur herein! –
Darauf kam es heran, zwei trippelnde Füßchen, und plötzlich
Stand an der Schwelle, bestürzt, glühend, das schöne Gesicht.
Lachend hielt sie Luisa zurück, die leise sich sträubte,
Rief: Was fürchtest du dich unter Bekannten zu sein? –
Ach, ich selber, ich war nicht wenig erschrocken. Es schien mir
Aug an Augen im Ernst drohend die holde Gefahr.
Aber ich betete still: Sant Antonino, o hilf mir!
Und das Mirakel geschah; eilig besann sich das Herz.
Sei mir freundlich gegrüßt, Mariuccia, rief ich; du kommst nun
Zwar zum Mahle zu spät; aber versuche den Wein,
Iß von den süßen Orangen, und hier sind Kuchen zum Nachtisch;
Sieh, und ein Sessel ist leer. – Aber die Schüchterne stand,
Über die herrlichen Augen gesenkt zartschattende Wimpern,
Und ihr klopfendes Herz lüftet' am Busen das Tuch.
Jetzo nahm ich vom Teller ein Törtchen, brach es zu gleichen
Hälften und trat zur Tür: Nimm es, ich teile mit dir. –
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Und sie empfing's zutraulich und hielt's in der Hand, und den andern
Nickte sie jetzt und trat ohne Bedenken herein.
Aber den Sessel – er stand dicht neben dem meinen – verschmähend,
Nippte sie nur vom Wein, den ich im eigenen Glas
Ihr anbot. So standen wir auch und beschlossen die Mahlzeit,
Und Luisa, vergnügt, führte das muntre Gespräch.
Nur du, werter Francesco, schwiegst; denn die geistliche Würde
Hemmte den freien Erguß weltlicher Scherze mit Recht.
Jetzt zu dem offenen Flur, von wo zum Dache die Stufen
Führen, hinaus in den Tag lenkten wir alle den Schritt.
Dort auch ist das Geländer mit Blumen besetzt, und die Nelken
Blüheten reich am Stock. Dort der Luisa im Arm
Stand der Besuch, und sie pflückten ein Sträußlein. Aber ein Kind saß
Einsam unten im Hof neben dem Kätzchen. Da warf
Ihm Mariuccia ein Blümchen hinab, und die Kleine verwundert
Spähet empor. Doch flink bog sich die Lose zurück.
Und nun traf sie ein zweites, und wieder umsonst in die Höhe
Dreht die Kleine den Kopf. – Über das Närrchen! Es denkt,
Daß vom Himmel herab in den Schoß ihm fielen die Blumen,
Flüsterte lachend das holdselige Mädchen. O weh!
Endlich entdeckt sie mich doch! Maria Grazia, willst du
Mehr von den Nelken? – Das Kind lächelte strahlend herauf.
Nun, weit übergelehnt, vom Stock abpflückend den ganzen
Flor, in den Hofraum warf Blumen das Mädchen hinab.
Und ich weidete mich an dem Anblick, wie auf den Zehen
Stehend die schlanke Gestalt über die Brüstung sich hob.
Aus den Pantöffelchen waren die Füße geschlüpft, und die weißen
Strümpflein rührten noch kaum nur mit den Spitzen daran.
Jetzt – ich ersah mir flink die Gelegenheit, raubte den einen
Schuh und verbarg ihn gleich unter dem Rock. Es gewahrt's,
Keiner vertieft in das ernste Geschäft, die Stöcke zu plündern;
Nur Francesco allein sah es und drohte mir sanft.
Und wir trieben es weiter mit Scherz und Plaudern ein Weilchen,
Als auf einmal ein Bursch stürmte die Stiegen herauf.
[323]
Komm nach Haus, Mariuccia, geschwind! Mich sendet die Mamma.
Ist die böse! Sie schwört, daß sie es lang dir gedenkt.
Nämlich, es sagt' ihr's einer, du seist hier bei dem Signore.
Lüge nur immer; du weißt, Checco ist stumm wie ein Tier. –
Auch wir andern standen bestürzt. Sie biß sich die Lippe,
Strich sich die Haare zurück, aber sie redete nichts.
Nur ein Blick zu Luisen beklagte sich: Siehe, mir ahnt' es!
Dann in den hölzernen Schuh schlüpfte das Füßchen zurück,
Eins nur; aber sie suchte den anderen, während der Bursch noch
Stand. Da sah sie auf mich, und sie erriet es sogleich,
Und nicht mochte sie bitten, noch ich einräumen den Diebstahl.
Leihe mir deinen so lang, bis sich der meinige fand!
Bat sie Luisen, und suche den Zoccolo. Ach – und addio! –
Dann – noch ein Winken, ein Blick, und die Erscheinung verschwand.

6.

Und da liegt er, der arme, verwaisete kleine Pantoffel,
Blickt vom Tische wie ernst zwischen den Büchern mich an!
Zoccolo, bist du mir gram, daß ich dich trennte von deinem
Holden Bewohner? Es wär' freilich ein triftiger Zorn.
Denn ihr Zoccoli führt das geplagteste Leben von allen,
Habet die Mühen allein, andere ernten den Dank.
Stets in den Gassen den Staub und das Felsengeröll im Gebirge
Schmeckt ihr, und regnet es gar, geht's in die Pfützen hinein.
Aber um Mittagszeit auf glühendem Sand in der Vigne
Oder den Fahrweg hin knirschet das Leder und ächzt.
Freilich, der hölzernen Sohle verschlägt's nicht, erst in der Hitze,
Dann gleich wieder im Haus über den Fliesen zu stehn.
Aber es gibt doch ein Ding, das Ehrgeiz heißt; der geringste
Knecht – Festtags in dem Krug prahlt er und spielt er den Herrn.
Ihr bleibt immer zu Haus, wenn's hoch hergehet, und leider
Schiebt der Gerechteste euch selber die Schuld in die Schuh.
Laß mich's offen bekennen: man ehrt ja deine Gesinnung,
Aber warum, mein Freund, trittst du so bäuerlich auf?
Wie soll dir ein Mädchen vertraun ein verliebtes Geheimnis,
Wenn zum Handwerk dir immer das Klappern gehört?
[324]
Schleicht sie zum Liebsten, der Mutter davon, erst mußt du ins Eckchen,
Weil du die Stiegen hinab immer so laut räsonnierst.
Auch im übrigen bist du und bleibst zu zärtlichen Dingen
Unanstellig. So oft unter dem Tische den Fuß
Ihres Geliebten das Mägdlein sucht, dir muß sie entschlüpfen;
Geht's zum Tanze, gewiß läßt sie den Zoccolo stehn.
Und ist endlich die Hochzeit da und das Mädchen vermählt sich,
Dem zu dienen du nie Regen und Hitze gescheut,
Anderen räumst du den Platz, Fremdlingen, verzärtelten, die nicht
Nahe gestanden der Braut manch ein beschwerliches Jahr.
Und du bleibst von der Kirche zurück, und die gleißenden Stutzer
Gehn zum Fest und sogar nachts in die Kammer mit ihr.
Und dann führst du im Winkel ein ernstes Gespräch mit dem Bruder:
Oft im schlechteren Rock schlage das bessere Herz,
Und wenn seidene Schufte zu herrlichen Ehren gelangten,
Hülle der Redliche sich still in den eigenen Wert. –
Aber es schmerzt doch immer. Und nun, nun gar im Gefängnis?
Schändlich geraubt? Und warum? – Wüßt' es der Räuber doch selbst!
Sträflicher Mutwill war's, und er rächt sich. Seit du das Zimmer
Mit mir teilest, wohin rett' ich Gedanken und Blick?
Wirst du eitel und denkst, dir gelte die sehnliche Wallung
Hier im Blute? Du irrst. Doch du beschworst mir herauf
Jenes bezaubernde kleine Gespenst des winzigsten Mädchen-
Schuhs, der damals noch trug in die Schule das Kind,
Als ich in all der Kleine zuerst ihn erblickte; das Röckchen
Gab ihn dem Blick noch frei, dem er gewaltig gefiel.
Noch schlief aber das Herz. Nur spukt' ihm häufig ein Pärchen
Zierlicher Füße behend durch den bedenklichen Traum.
Aber das Schulkind wuchs, und es wuchs zum Erschrecken das Röckchen;
Über des Fräuleins Fuß wallte der schleppende Saum.
Als nun das Herz aufwacht' und mit staunenden Augen sich umsah –
Ach, wie holder Besitz kam da dem Frommen im Schlaf!
[325]
Eins nur fehlte. Doch einst, auf meinem Schoße sie haltend,
Sah ich von Kopf bis zu Fuß fast wie in Zweifel sie an,
Ob nicht gar Melusinens dämonisches Teil sich verriete
Unter dem Saume des Kleids, der sich ein wenig verschob;
Aber ein Schuh sah tröstlich hervor, nun freilich gewachsen,
Dennoch, Zoccolo, viel kleiner und feiner als du.
Zwar unedel erschien's und ungroßmütig, den Kerker
Dir mit verächtlichem Wort noch zu verbittern; auch du
Bist ein schmucker Geselle. Der Wahrheit aber die Ehre:
Daumensbreite gewiß hast du vor jenem voraus.
Und ihn hab' ich gekannt von klein auf. Ach, und es bürgt uns
Dauernden Glückes Besitz besser und sicherer nichts,
Als aufwachsen zu sehn mit eigenen Augen das Füßchen,
Dessen Pantoffel dereinst unseren Wandel regiert.

7.

Richtig, es lockt ein Stimmchen, ein Hauch nur, wie ihn ein Vogel
Singt im grauenden Tag, wenn er die Eule noch scheut,
Und da flattert ein Zipfel vom Kleid. Nun, Zoccolo, laß uns
Zu ihr gehen; sie harrt deiner – und meiner? vielleicht.
Sieh, da steht sie und tut ganz fremd und breitet gelassen
Über die Fläche des Dachs sauber zum Bleichen das Garn.
Komm nun oben hinauf. Hier trennt uns immer des Hofes
Breite; doch oben berührt nahe sich Dach mit dem Dach.
Leider, die Mauer verwehrt, mannshoch, hinüberzuwandern;
Ach, es erbaute sie einst fluchend mit eigener Hand
Unser verehrtes Familienhaupt, Francesco. Die kluge
Schwester Luisa, sie war fast noch ein Kind und bereits
Händeln der Liebe geneigt. Oft schlich zu der Kleinen der hübsche
Britische Knabe, der Sohn jenes begüterten Paars,
Welchem der Apotheker die oberen Zimmer vermietet;
Nimmer den englischen Spleen spülten im Golfe sie ab.
Aber das Söhnchen erkor sich ein Mittelchen wider die Langweil,
Bis ihm die Kurzweil, ach! Tücke des Bruders verdarb.
Fand er nun doch hinüber den Weg? Deß schweigt die Geschichte;
Doch wo fände den Weg Liebe, die wagende, nicht?
[326]
Mir war immer die Mauer zu hoch, zum klaren Beweise,
Daß nicht Liebe den Fuß leitet' hinauf zum Altan.
Ehrbar rückte den Schemel ich nah an die leidige Festung,
Über die Zinne nach ihr schaut' ich bequemlich hinaus.
Erst vollbrachte sie ganz ihr Werk, und den Finger am Munde
Sah sie mich an; derweil dunkelte leise der Tag,
Läuteten ferne die Glocken. Sie späht rings über die Brustwehr,
Aber die Luft schien rein. Jetzt zu dem oberen Dach
Kommt sie; ich seh's, sie zwingt sich ein ernstes Gesicht zu behaupten,
Doch ein Lächeln umspielt heimlich den schwellenden Mund.
Gebt mir den Zoccolo wieder, Signor! Ihr habt ihn, ich weiß es,
Und was habt Ihr daran? – Dich, Mariuccia; du mußt
Mir stillhalten, so lang mir beliebt. Nun sage vor allem:
Hast du die Mutter versöhnt? – Reden wir leiser, Signor!
Angiolina belauscht uns sonst. Die Schändliche! sie war's,
Die mir den schimpflichen Streich heut bei der Mamma gespielt.
Neidisch ist sie und jedem verhaßt, wie sehr sie gelehrt ist;
Davon wird ihr Gesicht wie die Limone so gelb.
Sagt, was konnt' ich dafür? Ich kam zu Luisa, zu Euch nicht;
Und ein Wörtchen mit Euch – wäre die Sünde so groß?
Doch gleich lief sie herum zu der Mutter und rief: Mariuccia
Ist beim Fremden; sie stehn öffentlich auf dem Altan.
Nun, Ihr wißt, wie Mütter sich gleich das Gefährlichste denken;
Meine – sie ist nicht schlimm, doch wie die anderen auch.
Mühsam hab' ich es ihr auseinandergesetzt. – Die verruchte
Schwätzerin! Höre sie das, wenn sie auch jetzt spioniert! –
Zitto! Seid vorsichtig, ums Himmelswillen. Ich darf nicht
Tun, als wüßt' ich darum. Sehet, ich stelle mich auch
Freundlich zu ihr. Denn es ginge vom Argen ins Ärgste, versäumt' ich's;
Ja, und sie redet sich vor, daß sie mit Grund mich bewacht.
Denn ihr Onkel – Ihr saht ihn wohl, er geht mit dem braunen
Römischen Hute, wie Ihr – machte mir früher den Hof.
Doch dann reist' er davon, und sie sagen, er sei in Milano
Lange gewesen und gar weiter hinauf in Paris,
Mit Mazzini und anderen Herrn, die alle zerstoben,
Als sich die Könige dann wieder zu Meistern gemacht.
[327]
Vor vier Monden erschien er auf einmal hier in Sorrento,
Trat zum Bruder ins Haus, nur mit dem leichten Gewehr;
Aber er trug in den Taschen ein wichtiges Häufchen Dukaten,
Und sie schwatzten: er nimmt jetzt Mariuccia zur Frau.
Seht, wir sind ein wenig verwandt. Doch meine Familie
Kam seit Jahren zurück. Früher – da galt es ihm gleich.
Jetzt – was ist Mariuccia dem Herrn? Mich kümmert es wenig,
Angiolinen sogar freut es; sie gönnte mir's nicht.
Und nun quält sie mich doch und paßt auf Schritt mir und Tritt auf,
Daß sie an Gallen und Gift noch zur Orange vergilbt.
Und doch tu' ich, wonach mein Sinn steht. Aber ich muß mich
Hüten, ein anderes Mal offen wie heut es zu tun.
Gebt nun, bitte, den Zoccolo, Herr! – Da ist er! – Ich reicht' ihn
Über die Mauer, und warm fühlt' ich die Nähe der Hand.
Wie sie den Fuß nun hob und gebückt anpaßte das Schühlein,
Über das holde Gesicht fielen die Flechten herab.
Und ich sagte: Wie ist's nur möglich, daß er dich täglich
Sieht, Mariuccia, und nicht dich zu besitzen entbrennt?
Und sie rümpfte das Mündchen und sprach: Habsüchtige Männer!
Schönheit reizet sie wohl, doch es gewinnt sie das Gold.
Oder vielleicht auch haben ihm andere besser gefallen.
Saget, die Mädchen bei Euch sind sie denn schöner als hier?
Eure Geliebte zum Beispiel gleich? – Mir ist sie die Schönste,
Die ich irgend gesehn, aber die Liebste gewiß. –
Diese Ringe – Ihr habt sie von ihr? da muß sie auch reich sein.
Wie alt ist sie? und sagt, bitte, wie heißet sie auch? –
Margherita; sie ist in deinen Jahren; im Wuchs auch
Gleichet sie dir und im Mund, aber die Augen sind braun. –
Seht, mich freut es; ich hab' Euch gern, Euch gönn' ich die Beste;
Doch Ihr reiset gewiß bald zu der Liebsten zurück? –
Wär' dir's leid, Mariuccia? – Sie schwieg. Ich höre die Tür gehn,
Sagte sie rasch. Lebt wohl! – Bleib noch ein weniges! – Nein,
Aber ich komm' schon wieder. Felice notte! – Sie lief zum
Treppchen zurück und stand dorten und horchte hinab.
[328]
Dann noch einmal blickte sie um und winkte mit beiden
Bräunlichen Armen und ach! lachte mit Augen und Mund.
Langsam stieg ich herab vom Schemel. Des Onkels gedacht' ich,
Ballt' unwillig die Faust gegen den flüchtigen Mann.
Einer von uns ist wahrlich ein Tor, so rief ich; mein Auge
Narrt mich, oder der Mensch, der sie verschmäht, ist ein Narr.

8.

Wisset, ich war in Meta; ich trug zur Tante die Bänder,
Die ich gewebt; sie hält dort sie im Laden zu Kauf.
Doch nicht war sie daheim; ich hatt' ein Stündchen zu warten,
Und dies Sträußchen indes pflückt' ich im Garten für Euch.
Denn sie erzieht an Rosen die herrlichsten Sorten das Jahr durch,
Und Ihr, wie ich gesehn, pflegt und betrachtet sie gern.
Und mir sagte Luisa des Vormittags, da ich fortging,
Daß Ihr traurig und blaß säßet, vergraben in Angst,
Weil Euch Briefe gebrächen von Haus. Nun sehet, ich kann nicht
Schreiben; ich schrieb' Euch gern allerlei Briefe zum Scherz.
Freilich, es wär' doch keiner von Margherita; was hülf' es?
Doch Ihr lachtet vielleicht über das alberne Zeug.
Nehmt nun aber die Rosen; sie sind doch immer Gesellschaft.
Fangt sie! Die Mädchen in Rom, denk' ich, sie lehrten es Euch.
Da! – Und die Freundliche warf. Ich fing mit der Rechten den schönen
Üppigen Strauß, und entzückt taucht' ich hinein das Gesicht.
Wie nur dank' ich es dir, Holdselige, daß du so herzlich
Meiner gedenkst, wenn ach! ganz mich die Liebste vergißt! –
Stille davon, und addio für heut! – Du gehst? – In die Kirche
Muß ich. – So spät am Tag, lange nach Ave Marie? –
Ja, noch haben wir Mai, da hält ein Padre des Abends
Immer die Maiandacht, wegen der Mutter des Herrn,
Die im Maien geboren; man weiß nicht sicher, an welchem
Tag. – So feiert Ihr nun jeden, um sicher zu gehn?
Darf ich mit in die Kirche? – Mit mir nicht; aber Ihr könntet
Auch hinkommen, allein, und man begegnete sich.
Horch, da ruft mich die Schwester, Pepina. Wenn ich bei Euch bin,
Immer vergess' ich die Zeit, oh, und sie schelten mich aus.
[329]
Also – Ihr kommt! – So flog sie hinweg. Ich eilig hinunter,
Und mir wiesen sogleich andere Fromme den Weg.
Mädchen zumeist, sittsam in der Hand ein Büchlein, die Köpfchen
Unter den Tüchern versteckt, wie's in der Kirche sich ziemt.
Nicht in die stattliche ging's, Sant Antonino geheiligt,
Sondern ein Kirchlein war's mit in die Häuser gereiht.
Und nun kam Mariuccia daher und die Schwester. Sie sah mich
Gleich und blickte beiseit, aber sie lächelte doch,
Als ich den Strauß an die Lippen erhob. So folgt' ich den Mädchen
Unter das Vordach erst, dann in der Kirche Bereich.
Traulich beschränkt war's drinnen und kühl und duftete Weihrauch,
Und zwei Lichter allein brannten im wolkigen Duft.
Und so setzten wir uns, und zwar Weiblein von den Männlein
Züchtig gesondert; vereint aber begann der Gesang
Samt Litanei. Vorsang mit der zitternden Stimme die alte
Lehrerin, welcher Sorrent Nähen und Stricken verdankt,
Und wir anderen fielen mit ein. Mir wies der betagte
Küster das Buch und schrie heiser und falsch mir ins Ohr.
Dich auch hört' ich heraus mit der hellen und kindischen Stimme,
L'Arrabbiata; ich sah's, wie du am spätesten kamst,
Finster die Stirne verhängt hinschrittest die Reihen der Bänke
Und zu den Kindern gesellt vorne den Platz dir ersahst.
Endlich verstummt der Gesang; zur offenen Sakristeitür
Schreitet ein Priester heraus, welchem der Knabe voran-
Trägt ein wankendes Lämpchen und leuchtet hinauf in die Kanzel,
Daß nur ein Streiflicht fällt über den stattlichen Kopf.
Und er beginnt eindringlich in schwellendem Flusse. Man horcht' ihm
Gern; auch flocht er gewandt schöne Legenden mit ein.
Seht, so sprach er, es heißt Maria Santissima »Mutter
Gottes.« Warum? das weiß, hoff' ich, ein jedes von euch.
Weil sie den Heiland gebar. Allein, ihr Name »Maria« –
Wisset ihr auch, was der heißet? Ihr wisset es nicht.
Merkt, ich will es erklären. Ihr wißt, was mare bedeutet,
Meer. Nun aber, da ist manches verschiedene Meer.
[330]
Erstlich das große da unten, das mittelländische. Eins dann
Bei Ancona, es wird Adrias Busen genannt,
Und noch andere, anders genannt, groß ist ja die Erde.
Doch ein Urmeer gibt's, welches die anderen tränkt,
Flüss' und Seen und Quellen entläßt aus ewigen Füllen,
Welches den Regen ernährt und den erquicklichen Tau.
So wie dieses die Erde belebt und befruchtet und alle
Kreaturen erquickt, also die Mutter des Herrn,
Also Maria, des Heils Urmeer. Welch heilige Namen:
»Mutter des Herrn, Urmeer!« Bitte, Maria, für uns!
Dich anrufen erquickt das Gemüt und löschet der Seele
Durst. Du aber belohnst köstlich ein gläubig Gebet.
Davon wissen genug hochpreisliche Wunder die heil'gen
Bücher, und eines davon will ich erzählen. So hört!
Einst vor Jahren da lebt' ein Mönch, jung, aber begnadet,
Und sein lauteres Herz lag vor der Mutter des Herrn
Tag und Nacht auf Knieen; er sang die fünf benedeiten
Psalmen, und jeden beginnt eine der Lettern, versteht:
M-A-R-I-A; die sang er mit brünstiger Seele.
Solches gefiel gar wohl Unserer himmlischen Frau.
Darum bat sie einmal ihr Söhnlein, ihn zu belohnen;
Und wie ward er belohnt? Ratet! – Ihr ratet es nicht.
Laßt euch sagen: der Herr ließ wachsen am Munde des Frate
Eine Rose! Nun denkt! Eine gewöhnliche nicht;
Eine vom Paradiese! Sie duftete himmlischen Wohlduft.
Und was weiter? Es stand golden auf jeglichem Blatt
Eine der Lettern gemalt, der fünf, die den Psalmen voranstehn,
M-A-R-I-A. Solches geschahe mit Fleiß,
Um zu bekunden, wie hold und teuer ein eifriges Beten
Immer der Jungfrau sei. Also versäumet es nicht!
Also verunreint nimmer den Mund mit häßlichen Worten,
Deren ein Türke sogar, ja und ein Jude sich schämt,
Sondern schmücket den Mund mit dem heiligen Namen »Maria«.
Bitte, Maria, für uns! – Und in der Kirche wie still
War's, kein Atem erging. So stieg er die Kanzel herunter;
Knab' und Lämpchen voran ging's in die Pforte zurück.
Doch wir anderen wallten hinaus, ich wieder die Rosen
Fest an die Lippen gedrückt. Unter der Tür im Gewühl
[331]
Zu Mariuccia fand ich den Weg. Wir gingen in Schweigen
Nebeneinander. Die Hand rührte geheim an die Hand.
Aber die Hand war heiß, und der Strauß an den brennenden Lippen
War so eilig verwelkt, daß ich im Herzen erschrak.
Draußen die Nacht sternhell und die schauernden Lüfte lebendig,
Und es gelüstete mich nieder ans klingende Meer.
Unten verweilt' ich lange. Ich sang in die Wellen ein deutsches
Lied, am Rande des Schaums wandelnd das Ufer entlang,
Und ich sah, wie zu Füßen, im Mondschein blinkend, die Ebbe
Meinen erblassenden Strauß riß in die offene See.

9.

Wo sich das äußerste Horn von Sorrentos Bucht in das Meer streckt,
Die wie ein Kind im Schoß Napolis Busen umschließt,
Liegt hart neben dem Ufer ein Fels, am Gipfel geebnet,
Den mit dem Festland noch altes Gemäuer vereint.
Denn vormals schlug römische Hand zwei Brücken hinüber,
Eine bis tief zum Grund, eine im Bogen gewölbt.
Dort tritt tief in den Felsen die Flut ein, mächtigen Kessel
Füllend. Geräuschlos sieht bläulich der Spiegel herauf.
Dorthin wandr' ich am liebsten. Die Klippe dünkt mich die Grenze
Meines Gebiets; denn hier endet der Bann von Sorrent.
O wie jauchzt' ich zuerst laut auf, als mit dem geliebten
Freund hieher sich der Fuß längs dem Gebirge verstieg.
Wie durch Wunder erschien zum Bade der Kessel vertiefet,
Wie durch Wunder das Gras über die Klippe gesät.
Und wir lagen und sahn sprachlos in die Weite. Die Inseln
Tauchten herauf. Der Vesuv herrschte geruhig wie je.
Auch von Capri erschien ein Streif, als weiter nach Westen
Wir zum Saume des Meers klommen die Felsen hinab.
Damals saßen wir gern in die heftige Sprache versunken,
Drin sich die Woge bespricht mit dem zerklüfteten Strand,
Sahen der Flut unersättliches Spiel. Nun aber vereinsamt
Wandr' ich dahin. Du weilst unter den Pinien Roms.
Dein entbehr' ich – wie sehr! Schon hängt in Blättern die Rebe,
Die noch nackt in die Luft starrte des wilden April,
[332]
Als du gingst. Kaum sahst du die zögernden Knospen der Feige;
Weniger Nächte Verlauf lockte zutage das Blatt.
Denn hier reift ein jedes geschwind, hier reifet der Neigung
Blüte, die herbe, wie bald ach! zu der süßesten Frucht,
Reift auch rasch ein empfangenes Lied und die zarte Gestalt auch,
Die wie ein Schatten zuerst schwebte dem Dichter heran.
Und er sieht der beweglichen zu; nun wagt sie sich näher;
Schon umfließt sie ein Hauch dämmernd belebenden Lichts,
Und er rührt mit dem Finger die Stirn ihr. Siehe, sie regt sich,
Blickt mit geistigem Blick; endlich befreit sich das Wort
Von der melodischen Lippe – sie lebt, sie ist deine, sie fühlt sich
Dein – und dennoch, sie lebt völlig ein Leben für sich.
So, als heut zu der Klippe den Weg ich wandelte sinnend,
Zogen dem sehnlichen Blick reizende Schatten voran,
Deren Gestalt ich in Marmor sah im Palast zu Neapel,
Hoch auf adligem Roß reitend ein bräutliches Paar;
Vor dem Verlobten die Braut. Halb siehst du das süße Gesichtchen
Über die Schulter. Sie hebt zärtlich die Augen empor,
Streift mit der Fackel im Spiel an die niedrigen Zweige der Waldung,
Während das willige Roß folgt dem Sklaven am Zaum.
Aber der Mann blickt finster. Er wägt die Geschicke der Zukunft.
Ward er verbannt von Rom? Hat er das Mädchen entführt?
Wortlos geht die Reise den Strand hin. Da von der Klippe
Durch unwirtliche Nacht grüßet mit Lichtern das Haus.
Einst stand dorten ein Tempel des Herkules. Über den Trümmern
Ließ sich den Sommerpalast köstlich der Römer erbaun,
Und dort birgt er den lieblichen Raub. Nun über das Brückchen
Geht's. Vom Zelter ans Herz hebt er das Mädchen herab.
Und sie steht und betrachtet das Meer, und plötzlich verlockt sie
Unten im Becken die Flut kühl zu dem nächtlichen Bad.
Doch er küßt ihr die Wange, zerstreut. Dann führt er sie nieder
Felsige Stufen. Es sind unten die Zellen bereit.
Nun geht leise der Mond in die Höh und staunt, in der Wildnis,
Wo er zuvor nur dich, ehrliches Schaffnergesicht,
Fand, heut blühende Jugend zu sehn, schwarzlockige Schönheit,
Welcher den silbernen Fuß zitternd die Welle benetzt.
[333]
Aber das Glück ist falsch. Vom Wald genüber vernehm' ich
Schleichenden Fußtritt jetzt. Wachet! es nahet Verrat!
Ist es der griechische Mann von Sorrent, dem, als du hindurchrittst,
Lächelnde Braut, jählings drang in den Busen der Pfeil?
Wär's ein Bote der Eltern? – Es kommt. Schon schlägt es die Zweige
Auseinander – doch wer zeigt sich am schroffen Gestad?
Angiolinas Onkel, im Jagdrock und mit der Flinte!
Ihm zu Füßen vorauf hüstelt ein zottiger Hund.
Muß mir so der Verhaßte die traulichen Träume zerrütten?
Und er sieht mich, und stracks lenkt er die Schritte zu mir.
Zwar – hübsch ist er, ich räum' es ihm ein. Von reichlichem Bart ist
Dunkel umrahmt das Gesicht, feurig das Auge, der Mund
Fein und der Anstand sicher. Man ist auch höflich; man grüßt ja
Wahrlich zuerst: Wie geht's? Herrliches Wetter, Signor! –
Danke, vortrefflich! Und wie geht's Euch? – Wie's Jägern ergehn kann,
Die schon Stunden umsonst passen auf glücklichen Schuß.
Seid Ihr Jäger? – Bedaure. Ich schoß nicht übel vorzeiten
Nach der Scheibe. Doch nie hatt' ich ein lebendes Ziel. –
Nun, hier bietet vielleicht sich Gelegenheit. Bleibet Ihr länger,
Machen wir wohl noch einmal einen geselligen Gang,
So vor Tag, und schießen ein weniges, bis Ihr genug habt. –
Gern. Längst brannt' ich darauf, mehr zu verkehren mit Euch.
Und wir schüttelten uns mit höflichem Lächeln die Hände,
Während die Bestie mich winselnd und heulend umsprang.
Sagt, sprach wieder der Onkel, wie dünkt' Euch gestern die Predigt?
Ein Prussiano wie Ihr, den's in die Kirche verlockt,
Was absonderlich Hübsches erwartet er. Habt Ihr gefunden,
Was Ihr gesucht? – Und mehr, sagt' ich; es hat mich erbaut.
Wahrlich, der Dienst der Maria, ich kann nicht länger ihm gram sein,
Denn nichts Holderes wird unter dem Monde geübt. –
Hm! kein schlechter Geschmack. Mir ward er ein wenig verleidet;
Doch nicht ständ' ich dafür, daß er mich wieder bekehrt.
[334]
Dann – doch verzeiht! da streift sie heran – der will ich's gedenken! –
Und von der Schulter im Nu riß er die Flinte. Der Schuß
Rollte die zackigen Ufer entlang. Lauf, Fido! Hinunter!
Rief er dem Hund. Der sprang kläffend hinab in die Flut
Und dort sah ich in zappelnder Angst die verwundete Wachtel
Schwimmen. Es ruderte stark Fido der sinkenden nach,
Faßte sie sauber am Flügel und schwamm eilfertig zurücke;
Triefend, die Wachtel im Maul, kroch er die Felsen empor.
Oben empfing sein Herr die verblutende, während der Hund sich
Schüttelt' und stäubend umherspritzte die salzige Flut.
Geht, sprach lächelnd der Onkel zu mir, die wollte nach Deutschland.
Stets vom Süden zurück reist sie im Maien. Es sind
Rings an den Küsten die Garne gestellt, da fängt sich so manche;
Manche verlockt auch wohl leckeres Futter vollauf,
Hier in Sorrento das Feld einheimischem Volk zu benaschen,
Und die büßen mit Recht. Nehmet den Vogel, Signor!
Gerne verehr' ich ihn Euch. Laßt ihn Euch braten zum Abend
Und seid meiner gedenk, wenn er Euch leidlich behagt.
Hieher, Fido! – Er rückte den Hut und neigte sich lächelnd;
Dankbar lächelt' ich auch. Und in die Waldung zurück
Schritt er, der Hund mit ihm. Ich blieb am Meere, die tote
Wachtel in Händen, und sprach: Trefflicher Onkel, du bist
Höflich und klug und ein Meister der Jagd und feiner Symbolik,
Doch in einem, verzeih, bist du und bleibst du ein Narr.

10.

Heut da kommt mir ein fremdes Gesicht aufs Zimmer.»Ich bin ein
Deutscher, verzeihn's«. – Nun, dies scheint mir verzeihlich zu sein.
Nehmen Sie Platz, mein Teurer. In wieviel Tagen vernahm ich
Kein heimatliches Wort! – »Schauen's, so ging mir es halt
Auch; drum bin ich so frei, als Deutscher – wenn Sie erlauben.«
Nehmen Sie Platz! Wie süß tönst du, mein mütterlich Deutsch!
All das welsche Gemunkel, zumal das Napoletanisch,
Süß wie die Feige, doch auch weichlich entartet wie sie.
Endlich wieder ein kräftiges Wort!
[335]
Aber, Sie stehn noch immer? – »Verzeihn's, ich komme direkte
Vom Vesuvio her, wo ich verwichene Nacht
Beim Einsiedler geschlafen. Der Sakrische! der Malefizkerl
Ließ sich zahlen. Zuletzt nahm ich noch Wanzen in Kauf.
Und nun mein' ich, es sitzt mir im Rock ein Rest des Geziefers,
Und die Racker auch hier nisten sich ein in den Stuhl.
Salva venia, aber es ist halt säuisch im Süden;
Ich vor allen, ich bin sehr an das Propre gewöhnt,
Erst seit kurzem. Ich komme von Gräfenberg, und die Reise
Sollte die Nachkur sein.« – Hm! ich begreife! ja ja!
Dann ist's freilich ein anderes Ding. – »Ja, schauen's, ich hatt' ein
Magenleiden, und zehn Ärzte, die ersten in Wien,
Setzten mir zu. Was half's? Da ging ich zuletzt zu dem Prießnitz,
Mitten im Winter; es war letzten Dezember ein Jahr.« –
So! – »Ja wissen's, ich fror wie ein richtiger Schneider. Es ist dort
Regel, man deckt in der Nacht nur mit dem Kotzen sich zu.
Solcher ist dünn nur und schmal. Ich kroch im Sommer und Winter,
Eh' ich zu Prießnitz kam, unter die Federn zu Nacht.
Seine Gewohnheit hat doch ein jeglicher.« – Wahr! zum Exempel
Ich, um die jetzige Zeit schöpf' ich ein weniges Luft
Auf dem Balkon, sonst schlaf' ich die Nacht nicht. (Freilich, die Stunde
War's, wo ihren Balkon auch Mariuccia betrat,
Nur ein Haus von dem meinen getrennt. Streng hielt sie die Mutter
Tags am Webstuhl fest. Aber sie kam in der Nacht.
War's auch immer zum Reden zu weit, zum Blicken zu dunkel,
Grüßte sie doch mit Gesang, winkte sie doch mit der Hand.)
»Gehn's nur,« bat mich der Wiener. »Die Tür ist offen so können's
Mich von draußen verstehn. Also wo blieb ich? Ich fror,
Und so geb' ich dem Hausknecht Geld, er soll mir ein Deckbett
Schaffen. Er schafft es, und ich schlafe die Nacht wie ein Dachs.
[336]
Aber was wird mein Prießnitz tun? Was denken's? Die Runde
Macht er und schaut, ob keins wider die Regel verstößt.
Nun, wie gesagt, ich schlief und ich ahnt's nicht. Morgens – wie wird mir? –
Lieg' ich – und klappre vor Frost – unter dem Kotzen allein.
Aber mein Hausknecht klärte mich auf! Der Schlingel! Er wußt' es
Alles voraus, und doch steckt' er das Geld in den Sack.
Nicht acht Tage, so war ich's gewohnt. Jetzt sei mir ein Bette
Kalt wie es will, nur sei's sauber, so ist mir es recht.
Sehr ein erfahrener Doktor, der Prießnitz!« – Wie es der Werte,
Ob er es weiter bewies, frage mich keiner darum.
Denn jetzt trat sie heraus, ein Lämpchen in Händen, und hängt' es
Über den Sims des Balkons. Schöner erschien sie als je.
Säße der lästige Mensch nur jetzt in der Tiefe des Kraters
Oder der Hölle, ein Wort rief' ich hinüber zu ihr!
Doch da sitzt er und schwatzt. Das abscheuliche Deutsch! Wie wohl tut
Ein landüblicher Fluch, hinter den Zähnen gebrummt.
Still! jetzt öffnet sie wahrlich den Mund. Was aber bestürzt sie,
Daß sie auf einmal stumm blickt in die Türe zurück?
Gib ein Zeichen – was ist's? Was siehst du? – Sie scheint sich zu fassen,
Nimmt das Lämpchen, und jetzt – ach, sie verschwindet im Haus.
Was ist plötzlich geschehn? – Da hör' ich den ehrlichen Wiener
Zu mir treten. »Und Sie,« sagt er, »was halten's davon?« –
Ich? – »Nun, stimmen's mir bei?«' – Ja freilich! – »Sie halten die Stirn so;
Ein Kopfschmerzl?« –Fürwahr, 's ist mir beklommen im Hirn. –
»Wissen's, da tut nix besser, als frisch vom Brunnen ein Sturzbad:
Folgen Sie mir. Ich hab's oft bei dem Prießnitz erprobt.« –
Danke! Es bessert sich schon. Allein wahrhaftig, ein Sturzbad,
Das mir das Hirn abkühlt, täte schon lange mir not.

[337] 11.

Soll ich nun ganz mich entwöhnen des schönen Gesichts, das freundlich,
Schwesterlich kam und ging, immer zu trösten bereit?
Ach, wenn widriger Wind in Napoli hemmte die Barke,
Die von der Liebsten ein Blatt heut mir zu bringen versprach,
Und ich stand und im Weiten mit ungeduldigen Augen
Folgte vom offenen Dach jeglichem Segel im Meer,
Dann wohl über die Mauer die liebliche Stimme vernahm ich:
Seid Ihr traurig? Warum? Seht, es betrübt mich sogleich,
Wenn Ihr finster und stille den Kopf hängt. Lasset uns plaudern!
Ist das Leben doch süß; seid Ihr doch jung und geliebt. –
Und was hilft mir der Liebe Gewißheit? Haben ist alles;
Haben allein ist süß; Haben ist Jugend allein. –
Und sie tröstete mich mit dem kindischen Troste: So seid nur
Klug und geduldig. Ihr kehrt wieder und habt sie aufs neu'. –
Kann ich's glauben? Und zweifle sogar am Gewissesten, daß ich
Einst sie besaß; mir scheint's nun wie ein Trug, wie ein Traum. –
Unzufriedner! Und kommt nicht fleißig ein Briefchen und sagt Euch,
Daß dies alles sich erst kürzlich und wirklich begab? –
Sonst wohl kam's, und da glaubt' ich es leicht. Nun aber entbehr' ich's
Schon seit Tagen, und gleich drängt sich der Zweifel ans Herz. –
Ihr habt recht. Schwer ist es, vergangene Dinge zu glauben.
Grade die liebsten, sie sehn heut wie die fremdesten aus;
Jeder erfuhr's, ich auch, und es braucht nicht Meilen dazwischen,
Daß unmöglich erscheint, was wir mit Augen gesehn.
Vor zwei Jahren einmal, im Sommer, ich war kaum sechzehn,
Faßt' ein Fieber mich an, eisig und bang wie der Tod,
Und sie dachten, es sei mein Letztes; ich selber, ich dachte
Wenig. So lieg' ich am Tag, schon für verloren, im Bett,
Gar einsam, denn die Mutter besorgte den Herd, und Pepina
War in Meta. Da kommt einer zur Kammer herein,
[338]
Setzt sich neben das Bett und faßt mir die Hand und beschaut mich
Lang. So verworren ich war, dennoch erkannt' ich ihn gleich
Und schwieg still. Um die Welt nicht hätt' ich ein Wörtchen geredet.
Doch er sagte: Du bist krank, Mariuccia. Geduld!
Du wirst wieder genesen; ich fragte den Arzt; er versprach mir's.
Halte das Herz nur still! – Aber er küßte mich auch
Und sprach weiter: Du sollst bald lachen und singen wie früher,
Und viel besser sogar. – Sehet, das sagt' er und ging.
Von Stund an wie ein Wunder geschah mir's, daß mich das Fieber
Ließ. Schon Tages darauf saß ich auf offenem Dach.
Doch mein Lachen und Singen – wo blieb's? Jetzt, seh' ich denselben,
Ist mir's immer, es sei falsch und ich hätt' es geträumt.
Mag's denn sein, wie es will – was ist's auch? Aber da schaut nur
Über das Meer. Kommt dort nicht von Neapel das Boot?
Ja, ich erkenne das Wimpel Luigis. Seid Ihr auch jetzt noch
Nicht zufrieden? – Ich wär's, wäre der Brief mir gewiß,
Brächt' er Erwünschtes, und hätt' ich ihn schon. Noch trägt ihn die falsche
Welle. Verzeih! mich treibt's selbst an den Hafen hinab.
Und sie nickte, die Freundin. Und kam ich zurück und erklomm dann
Jubelnd das Dach, sie stand droben und wartete mein –
Aber nun lest mir ein wenig zum Dank! – Ich tat es, so gut ich
Konnte; das sinnige Deutsch setzt' ich in welsche Musik.
Und sie lauscht' und wandte sich dann, schwermütig – Das ist nun
Schon seit Tagen vorbei. Freuden und Schmerzenallein
Muß ich tragen, seitdem ihr liebes Auge zum letzten
Mal mich grüßte bei Nacht und mir so plötzlich entschwand.
Jetzt belagert das Dach hartnäckig die garstige Hexe
Angiolina. Sie tut freilich geschäftig genug.
Bald muß Fiffi heran, da badet und kämmt sie den Armen,
Oder sie nimmt ein Buch, das sie zum Scheine studiert.
[339]
Ach, und leider verdunkelt Gewölk am Tage den Himmel,
Kein willkommener Strahl scheucht mir die Neidische fort.
Mir ist doppelt die Sonne versteckt. Ich frage Luisa,
Aber sie weiß nicht Rat, denn sie entzieht sich auch ihr.
Drüben wimmelt das Haus von groß' und kleinen Spionen;
Hier guckt einer und dort plötzlich ein anderer vor,
Schielt nach mir und verschwindet. Was ist's nur? Bin ich so sehr denn
Staatsgefährlich? Und was, denken sie, führt' ich im Schild?
Ich, als merkt' ich es nicht, gleichgültig in Händen den alten
Vater Homer, vom Altan halt' ich die Späher in Schach.
Immer das nämliche les' ich, und nicht nur, weil ich zerstreut bin:
Weil mit neuer Gewalt immer das eine mich rührt.
Wenige Zeilen – sie fassen ein Schicksal. Bei den Phäaken
Weilet Odysseus noch. Aber er sehnt sich nach Haus.
Und so steigt er hinab in den Saal zu den harrenden Fürsten
Aus dem behaglichen Bad. Und an der Schwelle der Tür
Tritt Nausikaa leise zu ihm, in göttlicher Anmut,
Grüßt und bittet: Du gehst, aber versprich mir, daheim
Mein nicht ganz zu vergessen, die gern den Gestrandeten aufnahm.
Und mit herzlichem Wort redet der Dulder zu ihr:
O Nausikaa, Tochter des edlen Alkinoos, gönne
Mir so sicher die Fahrt Zeus an den heimischen Strand,
Als ich deiner auch dort, wie der Himmlischen einer, gedenk bin
Jeglichen Tag, denn du, Liebliche, hast mich erquickt!

12.

Kommt, schon wartet der Wagen am Haus! – Wie soll ich mich trennen?
Gestern – ein Leichtsinn war's, daß ich es ernstlich beschloß.
Heut – wie am Fenster die Spinne sich anwebt, häng' ich mit tausend
Fäden im eigenen Netz fest an die Stätte geknüpft.
Lieber Vesuv, wir sehn uns drüben in Napoli wieder,
Aber ein anderer dann bist du – ein anderer ich.
Ruhiges Meer, auch du – nicht mehr in der Glorie schwimmst du
Hinter Olivengesträuch, sondern in schmählicher Fron
[340]
Zahllos ankernder Schiffe getrübt die gediegene Klarheit;
Statt des Orangengedüfts dampft an der Reede der Teer.
Und du, innige Stille der Luft, von Stimmen der Liebe
Zärtlich gebrochen, im Lärm Napolis schmacht' ich nach dir.
Stürzt, mitleidige Tränen! Verfinstert den Blick und entreißt ihm
Näh' und Weite; er soll jetzt sich bescheiden, er muß.
Bist du hier, o Luisa? Geleite mich! Sinnen- und fühllos
Geh' ich. Weinest du auch, Mädchen, und bleibst in Sorrent?
Nein, ich fahre mit Euch, bis Castellamare; die Mutter
Auch, Francesco und wen sonst die Karosse noch faßt.
Sonntag ist es, so haben wir Zeit. Als wärt Ihr ein Bruder,
Will Euch jedes im Haus wohl, und das wisset Ihr auch. –
O ihr Guten! – Wir gingen, vorbei dem Altan; ich gewann's nicht
Über das trauernde Herz, droben noch einmal zu stehn.
Und wir fanden die Mutter im Sonntagsputze, die Schwestern
Und Francesco im Flur. Aber sie schmückten mich erst
Wie ein Opfer mit Blumen und steckten mir dunkler Orangen
Zwei in die Hand. Mit Not wehrt' ich ein Dutzend mir ab.
Ach, und am Haustor harrte die leidige Kutsche. Vergnügt saß
Ferdinando bereits neben dem Kutscher mit Stolz.
Jetzt wir anderen hurtig hinein, sechs Große, dazwischen
Zwei von den Kleinen; am Bock hing sich ein drittes mit an.
Freundliche Nachbarn kamen, die Hand mir reichend zum Abschied,
Hoben die Kinder hinein, daß ich sie herzte wie sonst,
Und fort stob das beladne Gefährt. Indessen an eins nur
Dacht' ich: Und du nur bleibst, du, Mariuccia, zurück?
Nicht am Fenster erschien sie. Es hing kaltsinnig der Vorhang,
Und kein Fältchen verschob, winkend und scheidend, die Hand.
Sei's! So will ich auch dies ausstreichen in mir, in die Zukunft
Blicken und hoffen. Ein Gott nehme des andern sich an!
Siehe, der Tag ist heiß. Kaum blieb im Rücken die Ebne,
Und den gewundenen Weg schnaufen die Gäule hinan,
Breit in den Felsen gebaut, der steil in die Wogen hinabsteigt,
Als uns alle befällt Plage der goldenen Glut.
Nun entfalten wir eilig den Schirm, nun ducken sich alle
Unter das Dach, das rot lachende Wangen bescheint.
[341]
Jedes in Sonntagslaune und tut sein Bestes mit Schwatzen;
Nur die Luisa blickt schweigend hinaus auf das Meer.
Ich, am Rande des Schlags, mir zwischen den Knieen das jüngste
Mädchen, von allen befragt, stand ein Erhebliches aus.
Niemals machte zuvor Bosheit so heiß mir die Hölle,
Wie ich im biederen Kreis dieser Verehrten geschwitzt.
Aber sobald um den Felsen die Fahrt bog oder ein Garten
Schatten verstreute, sogleich tauchten wir wieder hervor,
Zeigten einander den wechselnden Schmuck der gesegneten Ufer,
Oder das leuchtende Meer tief an dem gelben Gestein.
Und es erzählte die Mutter: Dereinst – sie säugte das erste
Kind – stieg plötzlich das Öl über die Maßen im Preis.
Und da sagt' ihr Bippo einmal: Frau, wenn wir ein eignes
Gärtchen besäßen, es wär' heuer ein braves Geschäft.
Aber, woher soll's kommen? – Darauf, sie bewahrte die Worte
Still im Herzen, beschlief's ein' und die andere Nacht;
Endlich da war es gefunden: sie tat ihr alles an Ringen,
Spangen und Ohrengehäng, so sie getragen als Braut,
Auch von der seligen Ahne das Schaustück fein in ein Kästchen,
Ferner die Kette: sie ging zehnmal bequem um den Hals.
All das trug sie dem Goldschmied hin, der tauscht' es für blankes
Silber; sie bracht' es dem Mann, welcher sie staunend befrug,
Schalt und belobte zuletzt, und sie kauften den Ölbaumgarten,
Und er gedieh. Niemals hat sie der Handel gereut.
Seht, was hatt' ich den Schmuck auch not? Ich hatte die Kinder,
Hatte den Mann, und blieb immer von Festen zurück. –
Doch du sagtest darauf, Francesco, Diener der Kirchen:
Mutter, ich war unlängst drüben im Garten und sah
Unsere heurige Ernte. Fürwahr, mich dünket es gottlos,
Wie zusehends das Kreuz dort an der Mauer verfällt.
Denket, am Heiland gar ist völlig die Farbe verwaschen,
Und doch wirket der Herr Segen in jeglichem Herbst.
Was dünkt Euch? Wir wenden die paar Karlin an den Tüncher,
Daß er das Bild auffrischt. Aber die treffliche Frau
Nickt' und sprach: So soll es geschehn, Francesco. Es ist dies
Deines Amtes. Du weißt, was für den Himmel sich schickt.
Also plauderten sie; nur als von ferne das weiße
Castellamare sich zeigt, wurden wir stiller und still.
Jetzt in den Bahnhof lenkt das Gefährt, jetzt spring' ich hinunter,
Hebe die Mutter heraus, reiche den Mädchen die Hand.
[342]
Und wir standen und schwiegen. Wie viel will scheidend gesagt sein,
Und wie weniges doch sagt man einander zuletzt.
Aber ich zog Luisen beiseit. Grüß mir Mariuccia;
Grüß und sage, wie sehr ich sie am Fenster vermißt. –
Wißt, sprach leise das Mädchen, zuvor nicht mocht' ich es sagen
Wegen der andern. Ich sprach heut in der Messe mit ihr,
Und ich gab ihr das seidene Band. Sie sagte: Der Herrgott
Weiß, wie gern ich ihm selbst dankte, so gut wie er ist.
Doch – was sagst du, Luisa? – der Carlo, sagt sie (der Onkel
Angiolinens, versteht!) kam zu der Mamma und warb.
Wenige Tag' ist's her, und es war schon finster. Ich stand noch
Auf dem Balkon. Da klopft's innen, da tritt er herein,
Sagt's mit wenigen Worten, um was er komme. Die Mutter
Weinte vor Freuden, und ich – siehe, Luisa, der Tod
Kann mir das Herz nicht stärker als diese Wonne beklemmen,
Als er die Hand mir dann gab wie in früherer Zeit.
Aber du mußt noch schweigen; er will nicht, daß es herumkommt,
Sagt sie. Ich hätt' auch dir nicht das Geringste vertraut.
Doch er nahm mir im Ernste das Wort ab, nimmer den Fremden
Wiederzusehn; ich gab's, sagt sie, und mußt' ich es nicht?
Nicht aus Laune geschieht's das sag ihm. Weißt du, er war mir
Freundlich und ich ihm hold, wie es für Nachbarn geziemt.
Vielmals grüß' ich ihn aber und Margherita, und beiden
Bringe die Hand von mir. Nehmt sie, und meine dazu! –
Und frohlockend ergriff ich die Hand. Glückselige Botschaft!
Rief ich. So ist nun hier alles geschlichtet und gut.
Laß dich küssen, Luisa! – Und Euer Gelübde? – Die Heil'gen
Wissen, mit reinerem Sinn wurde noch keines verletzt.
Grüße sie wieder zu tausendmal, und hör, auch den Onkel! –
Und wir schieden. Dahin fuhr ich im brausenden Zug.
Sei, holdseliges Mädchen, so rief ich, sei mir gesegnet,
Die mir den Abschied auch, die mir die Träne versüßt!
Segne das Glück dir Garten und Haus und am Hause die Reben,
Segne das Kind, das holdlachend im Schoße du wiegst;
Und im Glück – o gedenke des Freunds, der nicht dir es neidet,
Führt ihn dem eigenen auch zögernd ein Gott in den Arm!

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TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Idyllen von Sorrent. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6801-D