Nach der Natur

Pinsel, Griffel und Meißel und was irgend
Macht hat, schwankende Formen festzubannen,
Euch beneidet der Kiel des armen Dichters.
Denn er müht sich vergebens, nachzukritzeln,
Was soeben geschaut die sel'gen Augen.
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Weiß denn einer, wie reizend keck das Dirnchen
Auf dem Eselchen thronte, wenn ich melde,
Daß sie zwischen den Körben saß, das eine
Veinchen über des Tiers geduld'gen Rücken,
Frei das andere baumelnd, daß ihr rotes
Röcklein über die Wade sich hinaufzog?
Und so saß sie mit vorgeneigten Schultern,
In die Rechte geschmiegt das Kinn, am kleinen
Finger saugend, verträumt und aus der Wimpern
Schwarzer Seidengardine Blitze sprühend;
Und so ritt sie dahin die wind'ge Gasse,
Daß am Busen das Tuch sich löst' und flatternd
Halb den kräftig gewölbten Nacken freigab,
Jenen Nacken der Mädchen von Albano,
Drüber üppig geringelt hängt die Flechte,
Wie ein Drache, den stolzen Schatz zu hüten –
Kommt und seht und verzweifelt, arme Dichter!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Sorrent. Nach der Natur. Nach der Natur. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-68AF-7