An Flavien

C.H.v.H.


Kennt Flavia den arm/ der ewig ketten träget/
Der niemahls frey will seyn/ der ewig dienstbar bleibt?
So nimm den treuen brieff mit wehmuth beygeleget/
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Und schau/ was Damon hier mit kranckem finger schreibt.
Es will die traurigkeit mir itzt die feder führen/
Es trägt die Ungedult papier und dinte zu/
Und wirst du keine lust in diesen reimen spüren/
So dencke/ Damon liebt so laulicht nicht wie du.
Ich liebe was mich haßt/ du hassest was dich liebet/
Verzeihe/ Flavia/ wo ich allhier zu frey/
Wo das verhängniß mir nicht geist und auge trübet/
So deucht mich/ daß der reim hier nicht zu tadeln sey.
Mein trost in dieser noth/ und was mich kan erquicken/
Ist dieses/ daß ich dir mit willen nichts gethan.
Der himmel reisse mich in hundert tausend stücken/
Dafern mich Flavia mit recht verklagen kan.
Ich weiß wohl/ daß ich dich nicht sattsam kan verehren:
Doch was geniesset nicht der sonnen klares licht?
Ein armes opffer kan die götter nicht versehren/
Der wille wird erkannt/ raucht gleich der weyrauch nicht.
Und diese dürfftigkeit fällt itzt zu deinen füssen/
Ich bitte/ rechne nicht die unbekandte schuld.
Es scheint/ ich werde zwar nicht grosse gunst geniessen/
Doch bleibt die tugend stets der tugend bester sold.
Genung/ die feder fällt aus meinen schwachen händen/
Mich düncket/ Flavia zerreist itzt meinen brieff/
Und wird wohl keinen blick auff dessen schreiber wenden/
Der auff ihr süsses wort in sein verderben lieff.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Bd. 1. Verliebte Gedichte. An Flavien [1]. An Flavien [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B46-A