Lettice von Hort an Tibalden

Diß was der Himmel noch gedenckt aus mir zumachen,
Und was mein Hertzog ietzt in seinem Schilde führt,
Ist allzuhoch für mich, es seyn mir frembde Sachen,
Ich habe noch allhier den Zweck nicht recht gespührt.
Ich muß gestorben seyn, doch darf ich nicht verwesen,
Ich lerne wie mich hat der gantze Hoff beklagt,
Ich kan ietzt den Bericht von meinem Tode lesen,
Und hören was mir hat die Grabschrifft nachgesagt.
Dort laütet man mir aus, hier soll ich Briefe schreiben,
Die Todten Messe geht mich noch zur Zeit nicht an,
Ich kan noch unverblast bey andern Menschen bleiben,
Die Fäulnis hat mir noch kein grosses Leid gethan.
Wird aber dieses Spiel zuletzt uns auch gelingen?
Ein Mensch der gläubet oft was er nicht tadeln darf,
Wir können wohl den Mund, doch nicht die Hertzen zwingen,
Und die verschmitzte Welt schaut itzund allzuscharf:
Der Hof, so mich vielleicht zum Scheine will beklagen,
Und der so meinen Tod dem Volcke kund gethan,
Spricht etwan bey sich selbst, was hat man hingetragen,
Diß, was der Hertzog liebt und nicht verlassen kan.
Und die Gemahlin selbst, so meinen Todt beweinet,
Die weint wohl, daß sie mich nicht recht für Leiche hält,
Wer alles was er sieht, gantz wahr zuseyn vermeinet,
Erkennet noch nicht recht die Farben dieser Welt.
Wir dencken manchesmal den Nechsten zuberücken,
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Und er, ja wir durch ihn berücken uns zugleich,
Granaten seyn voll Kern', und Menschen voller Tücken,
An Wercken bettelarm, und an Gedancken reich.
Du meinst, der Fürhang sey vernünfftig fürgezogen,
Und dieses, was du spielst, verstünde keiner nicht.
Ach dieser Spiel Platz hat den Spieler oft betrogen,
Und unser Heimligkeit gestellet an das Licht.
Gesetzt mich hielte nun der Schatten gantz umgeben,
Es glaubte Nord und West ich leg' in einer Gruft,
Es hiesse wich die Zeit ohn alle Sorgen schweben,
Wir hätten alles diß was unser Seele ruft.
Wie lange wird uns wohl die dicke Wolcke wehren?
Wie lange wird uns wohl umhüllen diese Nacht?
Die Brunst wird endlich selbst bekand zu seyn begehren,
Die nach Gewohnheit sich zu einer Glocke macht.
Du weist es, Lieb und Gluth läst selten sich verdecken,
Es ist ihr heisser Grund von gleicher Eigenschafft,
Sie findet Raum und Luft an allen End und Ecken,
Und suchet durch den Zwang offt ihre beste Krafft.
Beym Fürhang unsrer Brunst irrt vielmahl Hand und Hertze,
Inwillens fürzuziehn, so ziehn wir alles auf,
Wir fassen für den Stab oft eine helle Kertze,
Und unsre Tämmung macht oft einen Wasser Lauf.
Anstatt verhüllt zuseyn läst man den Mantel fahren,
Vor Riegel kommen uns die Schlüssel in die Handt,
Vor dem Beschauer zeigt man oft verbothne Wahren,
Und ein zufreyes Nein, macht unser Ja bekannt.
Es scheint uns manchesmahl, es ist der Liebe Weise,
Besonders, wo sie recht die Wurtzel hat gestreckt,
Als giengen wir auf Filtz, und thäten wunderleise,
Und würden durch den Schild von unsrer Kunst bedeckt.
Da doch ein iedes Kind auf uns mit Fingern zeiget,
Und saget: Dieser ists, der dis und jenes sucht.
Wir armen Menschen seyn uns allzusehr geneiget,
Und hören oft ein Lob wenn uns die Welt verflucht.
Es spielt der Selbstbetrug uns stetig um das Hertze
Er setzt uns Prillen auf, dadurch man nichts erkiest,
Und daß ich nicht zusehr auf Eiß und Stacheln schertze,
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Der Himmel hasset dis, was unsre Wollust ist.
Wird dieser, der mit Blitz und scharffen Donner schrecket,
Auch dieses geile Spiel zustöhren mit der Zeit?
Vor dem, der alles sieht, bleibt keine that verdecket,
Und hätt' auch Atlas sie mit seinen Schnee bestreut.
Der kan den Zucker uns zu herben Wermuth machen,
Und dessen Liebligkeit verkehren in ein Gift,
Er kan in Ach und Weh verwandlen unser Lachen,
Und schaffen, daß uns Spott und aller Jammer trift.
Doch weiß, mein Hertzog, ich dir nicht zuwiederstreben,
Ich weis, wie hoch ich dir als Magd verbunden bin,
Es hieß mich deine Gunst in Gold und Purpur leben,
So nim was dir behagt auch wieder von mir hin.
Denn deiner Hände Werck will ich mich ewig nennen,
Du hast mich aus dem Thal auf Zinnen hingestellt,
Auf Wincken deiner Lust soll dir mein Hertze brennen,
So dir, so gut es kan, auch itzt zu Fusse fällt.
Auf deinem Brunst Altar in Asche zuverstieben
Soll meiner treuen Pflicht an statt des Himmels seyn,
Beschleust der Hertzog mich als seine Magd zulieben,
So stell' als Opffer ich mich seinen Flammen ein.
Ich will immittelst, hier in meinem Grabe bleiben,
Wo diß dem Grabe gleicht, wo Gold und Perle gläntzt,
Wo mir die schöne Zeit die Langmuth kan vertreiben,
Und grüner Bäume Pracht das hohe Schloß umgräntzt.
Ich will mir auch ein Schloß in diesem Schlosse bauen,
Dahin ich mit der Zeit den Hertzog führen will,
Du solst alsdenn mit Lust den süssen Willen schauen,
Trifft meine Dürfftigkeit gleich nicht das rechte Ziehl.
Könt' ich in Honigseim mir meinen Mund verkehren,
Könt' ich in Schwanen doch verkleiden meine Brust,
Könt' ich mit linder Hand dir eine Lust gewehren,
Die auch die Liebligkeit zuvor nicht hat gekost.
Könt' ich als Balsam doch auf deiner Schoß zerflüssen,
So meint' ich, daß das Weib, durch die die Sonne muß,
Mir an der Würdigkeit wohl würde weichen müssen,
Denn Ich bin mehr als Sie, Sie krieget keinen Kuß.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Hertzog Tibald und Lettire von Hort. Lettice von Hort an Tibalden. Lettice von Hort an Tibalden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B53-C