[Ach daß ich euch nicht meiden müste]
[423]Ach daß ich euch nicht meiden müste/
Ihr schätze dieser dritten welt/
Ihr schnee-gebürgten engel-brüste/
Von lufft und seuffzern auffgeschwellt;
Mit eurer rundten liebligkeit
Mag nichts durchaus verglichen werden/
Weil ihr des himmels und der erden/
Des grossen rundtes bilder seyd.
Ihr die ihr beyde hände füllet/
Ihr seyd hier nicht wie anderwärts
In tausend tüchern eingehüllet/
Und qvält das aug/ und klemmt das hertz:
Ihr zeiget bloß und decket frey/
Durch lindes auff- und nieder-wallen/
Daß in euch weissen marmor-ballen
Blut/ feuer/ geist und leben sey.
Auff euren hügeln/ schöne brüste/
Hat eine werthe mildigkeit
Den süssen saamen aller lüste
Zu vollem wachsthum ausgestreut:
Hier ist die süsse frucht der welt/
Die nach dem paradiese schmecket/
Darein der starcke leim verstecket/
Der alle welt zusammen hält.
Ach möchten mir die würffel fallen/
Daß ich nicht dürffte weiter gehn/
Und könte stets euch zucker-ballen
In eurem milch-meer schwimmen sehn/
Ich wolte gern durch manchen kuß/
Euch allerschönsten liebs-altären
Die höchste billigkeit gewähren/
Die man an euch verwundern muß.
[424]
Doch nein der himmel wills nicht leiden/
Mein schicksal reist mich von euch hin;
Lebt wohl/ ich muß euch ewig meiden/
Wiewohl ich euer sclave bin.
Was denn der mund nicht leisten kan/
Das nehmt ihr schönsten engel-brüste/
Ihr gegenwürffe meiner lüste
Von lebenden gedancken an.