[Mein hertze schmeltzt in einer stummen glut]

C.H.v.H.


Mein hertze schmeltzt in einer stummen glut/
Kein funcke soll aus meinen adern steigen/
Dem rauche selbst verbeut man sich zu zeigen/
Und schweigen meistert mein erhitztes blut.
Es heist mich die natur ein schönes auge suchen/
Und das gesetze will auff meine regung fluchen.
Soll denn ein kuß/ ein unbefleckter schertz/
Ein süsser blick sünd und verbrechen heissen?
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Soll ich denn selber mich mir nun entreissen?
Der himmel kennt der menschen sinn und hertz.
Lieb ist des himmels kind/ es wird ja unsre flammen/
Als dieberey und mord/ der himmel nicht verdammen.
Wer ist doch/ der sich selbst entmenschen kan?
Wir wissen uns hier nirgends zu verklären/
Des fleisches kan das fleisch sich nicht erwehren/
Die menschlichkeit klebt menschen stündlich an.
Die engel liessen sich im himmel abwerts treiben/
Wie sollen menschen doch auff erden engel bleiben?
Soll Sylvia vor mir verschlossen seyn?
Verbotne frucht ist mehr als doppelt süsse;
Der neben-weg reitzt mehrmahls unsre füsse/
Die wollust wächst auch aus gefahr und pein.
Diß ist die süsse nuß/ so schwer ist auffzubrechen/
Die rose wird geliebt/ ob gleich die dörner stechen.
Ach/ Sylvia! Ich weiß nicht/ wo ich bin!
Es soll kein mensch mein heisses übel kennen/
Ich armer darff nicht meine kranckheit nennen/
Die richt-sucht nimmt uns blüt und früchte hin.
Getreue Sylvia/ hab ich genade funden/
So schau/ ach schaue doch! in meine tieffe wunden.
Du kennest ja die galle dieser welt/
Wie iederman des andern fehler zehlet/
Und fremden fall zum zeitvertreib erwehlet/
Und dessen fleck vor seine schmincke hält.
Du must nur dichtes garn zu meiner decke spinnen/
Dadurch die falsche welt nicht leicht wird sehen können.
Es soll alsdenn ein amber-reicher kuß/
Der sich genetzt in moschus und rubinen/
Vor julep uns in dieser hitze dienen.
Wo bleibst du doch/ O süsser überfluß!
Ich weiß/ die liebe wird zu lachen hier beginnen/
Indem zwey zungen nicht vor liebe reden können.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Bd. 1. Verliebte Arien. [Mein hertze schmeltzt in einer stummen glut]. [Mein hertze schmeltzt in einer stummen glut]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B6D-3