Liebe zwischen Hertzog Tugenand, und Zuchtheiminen

Hertzog Tugenand, ein Herr wegen gutes Gemüthes und Schönheit des Leibes bey männiglich berühmt, hielt sich eine ziemliche Zeit zu Keysersburg auf. Mir ist unwissende, durch was vor Gelegenheit er, unter andern einer schönen jungen Geschlechterin, mit Namen Zuchtheimine, ansichtig war, und in selbte, als bey welcher der Grundt der Tugend der Jugend Annehmligkeit nicht wenig vergrösserte, sich dermassen verliebete, daß er ihm ohne sie Augspurg zuverlassen nicht wohl getrauete. Auf andere Arth als [60] durch zuvorhergehendes Eheverbündnüß dieser Schönheit theilhafftig zu werden, ließ die Eigenschafft dieses grossen Herrns, und der erbahre Wandel des berühmten ehrliebenden Geschlechtes nicht wol zu. Weßwegen er dann auch ordentlich umb sie anhielt. Wiewohl nun theils bey der jungen Tochter, theils bey deroselben lieben Eltern, dieses unversehene Ansuchen allerhand Verdacht nach sich zog, so erfolget doch endlich, in Betrachtung des Hertzogs untadelhafften Wandels, ein schuldiges Jawort, und oft erwehnte berühmte Geschlechterin, ward diesen grossen Helden, zwar mit Mißbehagen seines Herrn Vatern verehlichet. Ihre Ehe ward glückseelig, fruchtbar, und langwierig, wie sie dann in anmuthiger Einbahrung der Gemüther zwantzig Jahr zusammen gelebet, und unterschiedene Kinder gezeuget.

Tugenand an Zuchtheiminen

Laß Zuchtheimine dich mein Siegel nicht erschrecken,
Und nenne meine Hand nicht einen frembden Gast,
Der Adler, den du schaust, der kan dich nicht beflecken,
Er wird dir unterthan, weil du sein Hertze hast.
Er will dich wo er kan, der Sonne gleiche führen,
Mein Flügel soll ein Schild vor deinen Feinden seyn,
Er will dein schönes Haubt mit einer Crone ziehren,
Für der sich scheuen soll der goldnen Sternen Schein.
Ich kenne deine Zucht, und mache mir Gedancken,
Daß Zuchtheimine nicht wird ohne Schrecken stehn,
Sie ist so sehr vertieft in ihrer Keuschheit Schrancken,
Und will auf dieser Bahn mehr als behutsam gehn.
Sie nennet Buhlerey den Fall Strick zarter Jugendt,
Sie schaut ein geiles Aug' als einen Irrwisch an,
Sie hält ein freches Wort für Räuber wahrer Tugend,
Und meinet daß ein Traum sie auch beflecken kan.
Die Bluhme so von Lieb und brennen wird genennet,
Ist ihr den Dornen gleich und nicht von ihren Krantz,
Sie meint das Liebestück als eine Nessel brennet,
Und heisst den Venus Stern die Fackel ohne Glantz.
Doch, Zuchtheimine laß Verdacht und Kummer fahren,
Die Flamme die mich treibt, ist reine gleich wie du,
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Nicht prüfe so genau, hier seyn nicht falsche Wahren,
Es leget der Betrug hier kein Gewichte zu.
Es soll mir mehr an dir als Fleisch und Blut behagen,
Ich weiß die Schönheit ist ein Gauckelspiel der Zeit,
Wir schauen sie vor uns fast stets zu Grabe tragen,
Und machen uns zur Gruft derselben Eitelkeit.
Ein ungeschmückter Schmuck, die Gleichheit der Geberden,
Ein Firnisloses Werck, mit Amber unvermengt,
Ein Blick, der niemahls will durch Kunst verbessert werden,
An dem die Einfalt noch mit beyden Armen hängt.
Ein Purpur, welchen Scham, nicht Kunst hat angestrichen,
Ein Schnee der feurig ist und keine Hülffe kennt,
Ein Gang von welchem nicht die Sitsamkeit gewichen,
Ein Auge so von Scham und nicht vor Liebe brennt.
Ein himmelreiner Geist, wiewohl mit Zucht vermählet,
Ein keusches Freundlichsein, darauß die Tugend lacht,
Ein Sinn so vor den Witz nur seine Fehler zehlet,
Und sich durch dieses auch zu einem Engel macht.
Diß ist der feste Grund von meinem reinen Feuer,
Kein geiler Schwefel hat denselben mir erweckt,
Du hast (sag ich zuviel?) O schönes Ungeheuer,
Durch keusche Funcken mir die Geister angesteckt.
Die Gluth nun, so von dir, mir in das Bluth geflogen,
Lauft als ein neuer Gast verwörret hin und her,
Sie nötigt mich zu dir, ich werd itzund gezogen,
Mit mir bey dir zu seyn ist eintzig ihr Begehr.
Ein Trieb von Ungedult, ein unbekanter Schmertzen,
Den ich nicht nennen kan, entführt mich selber mir,
Mein Geist beweinet mich, und wünscht mit dir zu schertzen,
Wann ich entschlaffen bin, so sprachet er von dir.
Er baut alsdann vor dich ein Lusthauß von Jeßminen,
Wo keine Liebligkeit und hohe Macht gebricht,
Er wünscht bey deiner Lust zu Tische dir zu dienen,
Und alle seine Krafft ist nur auf dich gericht.
Er heist mich manchesmahl dich in den Schlafe küssen,
Was küß ich? schlechten Wind; was faß ich? dünne Luft;
Wann ich erwachet bin, so muß ich solches büssen,
Und werde wie ein Wild, so nach dem Wasser ruft.
Erwege meine Noth geliebte Zuchtheimine,
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Verbirg dein Auge nicht, entzieh nicht deine Handt,
Und glaube daß ich dir mit vollem Hertzen diene,
Willst du versichert seyn, erforderst du ein Pfandt.
Mein Hertze wolt' ich dir zwar itzt zum Geissel geben,
Doch wie zuvor gesagt, du hast es mir entführt,
Und dencke, wo ein Mensch kan ohne Hertze leben,
Das keinem mehr als dir, was übrig ist gebührt.
Drum schreib ein süsses Wort, und laß dir diß belieben,
Was meine treue Hand dir hier zuwissen macht,
Mich heist die Lieb', und dich die Ehre nicht verschieben,
Tritt Zuchtheimine doch aus der gewölckten Nacht.
Tritt an das Sonnen Licht, O Sonne meiner Sinnen,
Mein Bluth streicht dein Geschlecht mit neuen Farben an,
Soll denn alleine dich der Ruhm nicht beugen können,
Der sonst das Frauen Volck so leicht bezaubern kan?
Ich zeige keine Gunst die nur will heute wehren,
Und wie manch Fligen-Wurm sich nur zwölf Stunden speist,
Der Faden meiner Treu, der läst sich nicht verzehren,
Und wilst du mehr als diß, dir soll was ehlich heist;
Du sollst in meiner Schoß nicht mit Verachtung sitzen,
Mein Stammbaum wird dich sehn auf seinen Aesten stehn,
Dich will nicht Tugenand durch leichte Brunst erhitzen,
Du wirst mit ihm zu Bett' und auch zu Grabe gehn.
Ein gleiches Ja und Nein soll unsern Geist ergetzen,
Ein Joch von Einigkeit des Himmels zugericht,
Wird in das Paradiß der Freuden uns versetzen,
Da tausend Engel seyn, und keine Schlange sticht.
Erwege was ich will, und laß die reinen Flammen,
Durch einen heissen Zug nunmehr verflochten seyn,
Der Himmel führet uns durch seine Krafft zusammen,
Wer stellt, wenn dieser schaft, nicht alles Weigern ein?
Ein kräfftenreicher Stern der heist mich dich umfangen,
Der irret, wer zufrech dem Himmel wiederspricht,
Denn er muß seinen Schluß, ich seine Gunst erlangen,
Und denck' auf dieses Wort: Die Liebe feyret nicht.
Ließ wohl und liebe wohl, weil dein Gelücke blühet,
Was dich erheben soll, das steht in deiner Handt,
Ich bin von wegen dein mehr als du denckst bemühet;
Schreib nur vier Wörter hin: Ich will wie Tugenand.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Hertzog Tugenand, und Zuchtheiminen. Tugenand an Zuchtheiminen. Tugenand an Zuchtheiminen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6BAD-6