Liebe zwischen Rudolphen Königen in Burgundien und Einer fürnehmen Marckgräfin Ermegarden

Damals als es wegen Regierungs Sachen in Italien oder vielmehr in Lombardien ziemlich verworren hergieng, und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit List von dem Throne drang, geschahe es, daß nach Königs Berengars Tode, so vom Flamberten jämmerlich ermordet worden, Rudolph König in Burgundien, wie er albereit einen guten Anfang gemacht, sich des Reiches anmassete. Es lebete dazumahl eine junge Wittib, eines mächtigen Marckgrafens hinterlassene Gemahlin, eine von den anmuthigsten ihrer Zeit, und die ihr hochangelegen seyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Händen zu führen. Die Großen, gegen die itzt gedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war, hielten es vor eine Ehre aus derselben Munde Gesetze zuempfangen, den sie so offt mit Liebligkeit zuvor geküst hatten, und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fürnehmen, wie dann auch mehr gedachte Marckgräfin sich allbereit der Hauptstadt in Lombardi Paviens bemächtiget, und in wenig anderer Beschaffenheit als Königin darin Hof hielt. Rudolphen, der wegen hochwichtiger Geschäfte auf etliche Zeit in sein voriges Königreich Burgundien gereiset war, gefiel diese Gefährliche Neuerkeit über die massen übel, wie er dann auch schleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Italien rückte, und mit denen Völckern, [27] so ihm der Bischoff von Meilandt zugesendet, sich vor Pavie legte, in Meinung die Löwin nunmehr in ihren Lager zubesuchen. Ermegarde, so kein Mittel mehr übrig sahe, sich gegen diesen strengen Feind zuschützen, vertrauete endlich die Sache der Feder, und schrieb an Rudolphen durch eine gewisse Person einen Brief, der ihm auch, ich weiß nicht durch was verborgene Kraft, dahin trieb, das er die seinigen zuverlassen, und zu dieser süssen Feindin zu fliehen ihm fürnahm. So muß, wann das Verhängnüß will, der Harrnisch zu einem Hochzeitkleide, und der Wall zu einem Brautbette werden. Rudolph gieng selbige Nacht, als er ihm seine Flucht fürgenommen, zeitlich schlaffen, wenig Stunden hernach machte er sich auff, und flohe nebenst einen abgeordneten, der ihm den Weg zeigete, eilend auf Pavie. Wie ihn allda die hitzige Ermegarde wird empfangen haben, gebe ich diesen zuerwegen, so in dergleichen Sachen nachdencklicher als ich seyn. Dieses melden die Geschichtschreiber, daß seine Obersten bey angebrochenen Tage etliche Stunden nicht gewust, was sie wegen so langer Ruh ihres Königes ihnen gedencken solten, endlich aber aus Argwohn, daß er nicht etwa wie ein Holofernes ermordet seyn möchte, die Cammer eröffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald erschollen, daß Rudolph sich nach keiner Judith, sondern einer Helenen umgesehen, weßwegen denn und aus Furcht eines geschwinden Uberfalles sich das gantze Läger verlauffen, diese zwey Liebhabende aber von diesem Reiche endlich nichts mehr genossen, als die liebreiche Hoffnung, das Sie haben regieren wollen.

Ermegarde an Rudolphen

Hier ist ein kleiner Brief mit Schertz und Ernst gefüllet,
Der Gall' und Honigseim in seiner Schoß enthällt,
Auß welchen, gläub es mir, dir Todt und Leben qvillet,
Erwehle dir nunmehr dieß was dir wohlgefällt.
Ich lasse dich itzund mich ohne Maßque schauen,
Ich stelle deinen Fall in hellen Farben für,
Und willst du alzuviel auf deine Reuter trauen,
So hab ich mehr als du: die Hertzen seyn bey mir.
Ein Wort, ein Blick von mir kann tausend Lantzen stehlen,
Die besten Bogen seyn auf mein Gebot gespannt,
Es wird mir nimmermehr an grossen Helden fehlen,
[28]
Als Schlangen hab ich sie zu meiner Fahn gebannt.
Waß nur zwey Finger rührt hat dir den Todt geschworen,
Du bist mir allbereit im Geiste hingericht,
Begrüst du mich als Feind, so halt dich vor verlohren,
Verschertze doch dein Volck und dich auch selber nicht.
Was nur nach Eisen reucht begehrt dich zuerdrücken,
Drum, dencke wo du bist, und endlich was du thust,
Ich darf nur einen Blick nach deinem Lager schicken,
So kehrt dein eigen Schwerdt sich gegen deine Brust.
Ach König, wilt du dich mit Hoffnungs Speisen nehren,
Sie blehen trefflich auf und geben keine Krafft,
Wer ohne rechten Grund will alzuviel begehren,
Dem wird auch was er hat noch endlich hingeraft.
Kein Spiegel treuget mehr, als den der Wahn uns zeiget,
Gefahr muß hier ein Zwerg, Gelück ein Riese seyn,
Man schaut wie unsre Lust aus Zucker Rosen steiget,
Man spühret keine Nacht, nur lauter Sonnenschein.
Es zeiget sich allhier ein Jahrmarckt voller Cronen,
Die Scepter scheinen uns wie ein gemeiner Stab,
Die Lorber Kräntze seyn gemeiner als die Bohnen,
Hier ist kein Helden Fall und auch kein Todten Grab.
Doch endlich will uns nur diß Lust Schloß gantz verschwinden,
Der Fürhang fällt herab, das Spiel ist ausgemacht,
Die Lampen leschen aus, es ist nichts mehr dahinden,
Man mercket nichts als Rauch, und spühret nichts als Nacht.
Dann steht man gantz betrübt, mit wunder-schlaffen Händen,
Und schaut was man gethan, mit neuen Augen an;
Wohl diesem der sich nicht die Hofnung läst verblenden,
Und seinen Irrthum noch vernünfftig ändern kann.
Vermeinst du daß ich hier mit blossen Worten schrecke,
Und dieses alles nur pappierne Feindschafft sey,
So bitt' ich dich, zerreiß der Augen faule Decke,
Und mache dich nun selbst der falschen Blendung frey.
Ich warne noch itzund, es ist ein Liebes Zeichen,
Hier ist noch Sonnenschein, und nicht ein Donnerkeil,
Allhier versuch ich noch ob ich dich kan erweichen,
Dann find ich keinen Feind, so brauch ich keinen Pfeil.
Wird durch mein Schreiben nu dein Schwerdt zur Ruh geleget,
So fahr ich Himmel an und wünsche das der Tag,
[29]
In welchen Rudolph hat die Waffen hingeleget,
In der Geschichten Buch der Nachwelt kommen mag.
Ich weiß des Ruhmes Hand wird dich mit Blättern zieren,
Die immer grüne stehn, die keine Zeit befleckt,
Und deinen Nahmen wird sein Flügel weiter führen,
Als wo der Elephant sich an die Sonne streckt.
Gedencke was du hast zu deinen Feind erkohren,
Und gegen was dein Volck itzund ein Lager schlägt;
Du weist es ohne mich, ich bin ein Weib gebohren,
Doch die ein Mannes Hertz in zartem Leibe trägt;
Ich bin es nicht gewohnt also bedient zu werden,
Geburth und Eigenschafft treibt mich zu höhern an,
Ach König glaub es mir, die Anmuth der Geberden,
Hat gegen Frauen mehr, als Schwerd und Helm gethan.
Was nicht sein Segel streicht, was nicht die Lantze sencket,
Dem bleibet Thor und Post verschlossen iederzeit,
Und welcher Held bey mir zu siegen ihm gedencket,
Der waffne seine Brust zuvor mit Höffligkeit.
Es wird dein gantzes Heer eh' alle Köcher leeren,
Als du bezwingen wirst das edele Pavi',
Du wirst durch solchen Streit nichts als dich selbst verzehren,
Drum so du siegen wilst, so sieg auch ohne Müh.
Ich lasse, bist du Freund, dir Hertz und Gatter offen,
Doch ließ auch dieses Wort, dir eintzig und allein,
Dergleichen hat dein Volck zu keiner zeit zu hoffen,
Du solt von mir geküßt und Sie geschlagen seyn.
Der Bothe, den du schaust, der wird dich sicher führen,
Der Außzug aller Lust erwartet deiner hier,
Und läßt du dir dein Haupt mit einer Crone ziehren,
So schau auch ob sie mir so zierlich steht wie dir.
Laß deinen hohen Geist dich nicht zurücke lencken,
Man kan nicht allezeit mit vollem Segel gehn,
Wer alle Stunden will auf Berg und Wippel dencken,
Wird offtmahls in dem Thal und bey der Wurtzel stehn;
Du bist, ich schwere dir, dißmahl zu weit gegangen,
Und wer ich, Feindin, nicht allhier dein bester Rath,
So hätte dich das Garn, als wie ein Wild gefangen,
Verachtest du die Hand, so dich erlöset hat?
[30]
Ich bin kein schlechtes Weib, wer rühmt nicht mein Geblüthe?
Ist meiner Ahnen Lob dir nicht genug bekannt?
Es lobt sich ohne mich; mein hurtiges Gemüthe
Wird endlich fast zugroß vor dieses weite Landt.
Kom, kom und säume nicht, itzt hast du Zeit zu eilen,
Schmach und Verrätherey will deiner Crone bey;
Auf Schwerdtern stehest du, und unter tausend Pfeilen,
Ach lerne daß dein Schutz bey deiner Feindin sey.
Dir beuth der stoltze Po den Silberweissen Rücken,
Die Vorburg, ja mein Schloß nimt dich mit Freuden an,
Der Weg ist dir gebähnt: dem mangeln kein Brücken,
Wer die Gelegenheit vernünfftig brauchen kan.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Rudolphen Königen in Burgundien. Ermegarde an Rudolphen. Ermegarde an Rudolphen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6BDD-9