Liebe zwischen Graf Ludwigen von Gleichen und einer Mahometanin

Folgende Geschicht ist nicht eine von den jüngsten, und ich muß nur bekennen, daß ich gar vor einen andern diese Stelle meiner Helden Briefe gewidmet habe. Aber ein Bedencken, und besonders die richtgierige Zeit, darinnen wir leben, hat mich von meinen ersten Gedancken abgezogen, und dieses, was im Anfange nicht meine Meinung gewesen, hier aufzusetzen angeleitet. Doch will ich von diesem nichts ferners melden, sondern die Sache so gut sie ist zu Pappier bringen. Graf Ludwig von Gleichen brachte etliche Zeit mit seiner Gemahlin im Ehestande zu. Die damahls angesponnene Türcken Kriege nötigten auch diesen Helden sein [40] Heil unter den Christlichen Fahnen zuversuchen, aber dieser Anschlag gerieth nicht der Seinigen Wunsch und seinem eigenen Fürsatze nach. Er ward in einen Treffen von dem Alcairischen Sultan gefangen. Des Vortheils seiner Geburth ward damahls gäntzlich vergessen, an statt der goldenen Sporn legte man ihm mehrentheils Fessel an, und ward gezwungen an stat der muthigen Pferde, so er zuvor beschritten, die Ochsen zutreiben, und dem Pflug zuführen. Waß ingemein gesagt wird, daß ein annehmlich Auge, und ein gerader Leib die beste Empfehlungs Briefe seyn, das ward hier wiederumb aufs neue wahr gemacht. Eine junge Tochter gemeldeten Sultans, so ihrer Ergetzung halber auf dem Felde gieng, erblickte auch diesen Fremdling mit Staub gefärbet, und alten Lumpen überzogen. Sie begunte aus etzlichen Blicken seiner Augen, und auch etzlichen Wendungen seines Leibes leicht zu urtheilen, daß etwas würdigers an ihm were, als daß er zu einem Ochsentreiber gebrauchet werden solte. Es zog eine ungewisse Kraft ihr Auge auf daß seinige, und sie fühlte eine Regung von Wehmuth, und Belustigung zusammen vermenget. Kürtzlich, sie verspührte leichtlich, daß hier unversehens eine Perle auf den Mist kommen, und der Purpur zufälliger weise unter Kutzentuch geworffen worden. Diß was sie des Tages erblickt, erfrischten ihr die Gedancken, als sie nach Hause gelanget, und die Träume, als sie sich zur Ruh begeben hatte. Es nöthigte sie endlich ein ungedultiger Fürwitz sich alleine auf das Feld zu machen, und diesem Frembdling ohne Nebenaugen zubeschauen. Der nechste Tag darauf ward zu dieser Sache gewidmet; Sie machte sich durch eine verborgene Tühre aus der Stadt, und erkühnete sich unsern Grafen um seine Geburth, Stand und Gelegenheit zufragen. Die anmuthige Antwort, so er ihr ertheilte, war in den Hertzen der Mahometanin wie ein Funcke, der auf einen dünnen Zunder fället. Sie ließ erstlich ein paar heisse Thränen über die Wangen rollen, entdeckte mit kurtzen und halbverbissenen Worten ihr hohes Mitleiden, und versprach mögliche Hülfleistung und Rettungs Mittel. Sie unterließ folgende Zeit nicht so oft es sich nur fügte ihren Frembdling heimlich zubesuchen, und die Vertrauligkeit kam endlich so weit, daß sie ihn oft mit ihrer Hand speisete, ihm die Ochsen treiben halff, und den Schweiß mit ihren Fürtuche von seiner Stirnen wischete. Dieses alles war nur ein Erleichterungs-doch kein Heylungs [41] Mittel. Die inbrünstige Liebe zwang sie endlich, Ihm, dafern er ihr die Ehe zusagen, und sie mit sich in sein Land führen wolte, Erlösung aus den Banden zuversprechen, auch ihn, als den die Christlichen Gesetze schreckten, über vorige Gemahlin noch eine beyzufügen, auf allerhand Art zu solchem Fürnehmen zu ermuntern. Mit einem Worte, der Handel ist leicht geschlossen, wann die Waare schön ist, und Kauffer und Verkauffer einig seyn. Ein Handschlag und ein Kuß verknüpften ihre Hertzen, sie eileten nach den Christlichen Landen. Der Graf verständigte seine Gemahlin seiner Erlösungs Freundin Ankunfft. Der Pabst ließ diesen ungemeinen Fehl ohne Buße geschehen. Sie kamen glücklich nach Hause, die Gemahlin empfing die Mahometanin freundlich, und räumete ihr Bett und Hertz ein. Einigkeit und Seegen, wiewohl ohne Leibes Erben, schwebeten über dieser Liebe, und das Grab zu Erfurth, da sie alle drey die Asche unter einem Stein vermischet haben, zeiget gnugsam wie edel ihr Feuer hat müssen gewesen seyn.

Graf Ludwig an seine Gemahlin

Ein Brief aus frembder Luft doch von bekanten Händen,
Begrüßt und küßt dich itzt, so gut er küssen kan,
Es heißt die grüne Treu mich dieses übersenden,
Ich weiß du nimbst es auch mit solchen Hertzen an.
Ich darf dir nicht zuviel von meinem Namen sagen,
Die kleinste Silbe hier entdeckt dir wer ich bin,
Sie denckt mein Hertze dir, wo möglich, fürzutragen,
Und reicht, so gut sie kan, auch diß im Briefe hin.
Du kennst die alte Schrifft und auch die alten Sinnen,
Die noch kein Saracen hat in die Fessel bracht,
Ich schwere daß sie dich so eifrig lieben können,
Als in dem Hochzeit Tag und in der ersten Nacht.
Du weist die Liebe läst sich nicht durch Meilen messen
Sie wächst nicht ungemein in unbekanter Luft,
Was recht gegründet ist, das läst sich nicht vergessen,
Und ihre Wurtzel dringt biß in die kalte Gruft.
Durch Hitze kan sie nicht wie Blum und Gräser sterben,
Die Kälte hemmt sie nicht wie einen Wasserfluß,
Die Nässe weiß sie nicht wie Farben zuverderben,
Man schaut wie Staal und Stein ihr oftmalhs weichen muß,
[42]
Die wahre Freundschafft kan kein Saracen beschneiden,
Es stöhrt der Alcoran getreue Liebe nicht,
Es kan der Mahomet Sie in dem Tempel leiden,
Und keine Satzung ist, so ihr zuwieder spricht.
Mein Schatz, itzt heisset mich ein Zufall klährer schreiben,
Es mindert wie es scheint, sich nun das alte Joch,
Ich kan mit mehrer Lust itzt meine Rinder treiben,
Und mein Gelücke blüht auch untern Heyden noch.
Ein Edles Weib von mehr als Fürstlichen Geblüthe,
(Ich weiß nicht ob sie mir Weib oder Engel ist)
Die hat vor kurtzer Zeit mit traurigem Gemüthe
Mein schweres Joch betracht, und meine Noth erkießt.
Es schien, sie ward durch mich und meine Qvaal gebunden,
Kein Striemen lief mir auf, den sie nicht auch empfand,
Die Schäden so ich trug die wurden ihr zu Wunden,
Und meine Dinstbarkeit war ihr gemeines Bandt.
Der Schweiß auf meiner Brust hat Thränen ihr erreget
Mein Seuffzer hat bey ihr die Wehmuth angesteckt,
Und meine Knechtschafft hat sie in ein Joch geleget,
Das nach der Tugend reucht, und keinen Hals befleckt,
Sie hat gar manchesmahl in einem schlechten Kleide,
In Sicherheit zugehn, mich armen Knecht besucht,
Die Tugend war ihr Gold, die Wehmuth ihre Seyde,
Und ihr erhitzter Wunsch bestand in meiner Flucht.
Sie half mir manchesmahl die faulen Ochsen treiben,
Wann sie zugegen war, so hatt' ich halbe Müh,
Sie ließ mich leichtlich nicht zu matt und hungrig bleiben,
Doch wünscht ich ihre Kost noch nicht so sehr als Sie.
Ihr Fürtuch hat mir oft den sauren Schweiß vertrieben,
Und ihr gemeinstes Wort war diß: Dich laß ich nicht.
Wie sollt ich, liebstes Weib, nicht eine Seele lieben,
Die mich dir wiederbringt, und meine Fessel bricht?
Nicht meine, daß mich hier ein Geist der Wollust treibet
Zeit und auch Ungelück hat solches längst verjagt.
Denn wem der Tugend Stam recht an der Brust bekleibet,
Der höret leichtlich nicht, was ihm ein Laster sagt.
Itzt soll ich ihren Dienst durch meinen Leib belohnen,
Die Müntze, so sie sucht, ist meines Mundes Kuß,
Sie acht mein Hertze mehr als ihres Vatern Cronen,
[43]
Und liebst du deinen Mann so lieb auch ihren Schluß.
Ich werd in künfftig sie mit deinem Namen nennen,
Scheint dir die Zahlung groß, die Schuld ist ungemein,
Wer nur vernünftig ist muß diß mit mir bekennen,
Der Gott so Zucht befiehlt, heist uns auch danckbar seyn.
Dein Glimpf muß ihre Treu wie sichs gebührt bezahlen,
Daß du mich schauen wirst hat ihre Hand gethan,
Dir bleibet doch der Kern, sie sättigt sich mit Schalen,
Du hast das beste Brodt, sie nimmt die Brocken an.
Kan sie von wegen mein des Vatern Hof verlassen,
Und führt mich wiederumb zu Hause freudig ein,
So mustu warlich sie als Schwester auch umfassen,
Und eben so wie mir auch ihr gewogen seyn.
Doch Eyfer wird bey dir sich nicht ereignen können,
Denn dieses ist ein Trieb der unsre Geister kränckt,
Wenn etwas neben uns sich heimlich will entspinnen,
So dieses was man liebt uns zuentziehen denckt.
Ein frembdes Weib so dich und mich nicht weiß zunennen,
Verläst des Vatern Burg und ihrer Mutter Schoß,
Und macht, was selten ist, du wirst es ja erkennen,
Nach langer Dinstbarkeit mich meiner Bande loß.
Die Rauigkeit der Luft, Stein, Wasser, Berg und Hecken,
Wild, Regen, Nebel, Schnee, Wind, Hagel, Eiß und Frost,
Durst, Hunger, Finsternüß, Sand, Wüste, Furcht und Schrecken,
Trieb ihren Fürsatz nicht aus der getreuen Brust.
Sie läst die Crone stehn, mit Lust dich zu umkräntzen,
Sie will in Armuth seyn zufüllen deine Handt,
Sie trägt der Aeltern Zorn, sie weicht von ihren Gräntzen,
Und läst, dir guts zuthun, ihr rechtes Vaterlandt.
Du must, geliebtes Weib, das Hertze mit ihr theilen,
Empfähst du mich, so nim auch meinen Leitstern an,
Und dencke: daß ich kan zu Weib und Kindern eilen,
Hat diese Frembdlinge, fast mehr als ich, gethan.
Ein mehrers will ich dir bey meiner Ankunfft sagen,
Die Feder reimet sich zu vielen Reisen nicht;
Kanst du im Herzen Treu, und Witz im Geiste tragen,
So ist der kurtze Brief dir gar genug Bericht.
[44]
Laß unterdessen mir Hertz, Hauß und Lager offen,
Ich schreite schon im Geist bey dir mit Freuden ein;
Doch will ich auch, mein Schatz, diß ungezweiffelt hoffen,
Daß Lager, Hertz, und Hauß wird vor die Frembde seyn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Graf Ludwigen von Gleichen und einer Mahometanin. Graf Ludwig an seine Gemahlin. Graf Ludwig an seine Gemahlin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6C03-3