Rudolph an Ermegarden

Ich weiß nicht was dein Brief vor Regung in mich jaget,
Ein Wort das warnet mich, das andre dreuet mir,
Es scheint wie ieder Reim mir in die Ohren saget,
Ach Rudolph siehe dich auch vor dir selber für.
Ich sage wie es ist, ich kam hieher zufragen,
Was vor ein stoltzes Haubt die welsche Crone sucht,
Man schauet dieses Heer Schwerdt, Pfeil und Feuer tragen,
Es ward Pavie und du von iederman verflucht.
Mein heisses Hertze lag voll heisser Zornes Flammen,
Mich deucht, ein Blick von mir der steckte Dörfer an,
Wie reimt sich aber heut und gestern doch zusammen?
Wohl dem der allezeit beständig bleiben kan.
Ihr Frauen traget nur das Kraut in euren Händen,
So Stahl zu weichem Wachs und Stein zu Wasser macht,
Ihr könt, O schöne Kunst, den Himmel selbst verblenden,
Und seyd bey eurer Lust auf unsre Noth bedacht.
Ihr brauchet unsern Witz, als wie das Schilff im Strande,
Bald richtet ihr ihn auf, bald drücket ihr ihn ein,
Ihr baut euch eine Burg aus Steinen unsrer Schande,
Und heist uns offtermahls nur viertel Menschen seyn.
Ihr streicht oft unser Schwerd, damit ihr wollt verwunden,
Mit süssen Balsam an, schlagt und beklagt zugleich,
Der Krancken lachet ihr und schont nicht der Gesunden,
Und unsre Dienstbarkeit ist euer Königreich.
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Das weigern wisset ihr mit Freundschafft zuverkleiden,
Ihr weint bey dessen Noth, der euch doch Thäter nennt,
Ihr überredet uns in Wehmuth selbst zu leiden,
Indem uns Hertz und Geist ohn alle Hülffe brennt.
Ihr seyd ja der Natur berühmte Wunderwercke;
Man nennt euch kalt von Arth, und steckt die Männer an,
Man heist euch schwachen Zeug, und spottet unsrer Stärcke,
Man braucht euch nicht in Krieg, und führt die Sieges Fahn;
Was wil ich aber euch noch Ehren Seulen bauen,
Es ist zuviel gebaut, man macht mich selbst dazu,
Ich meinte Pavie im Feuer anzuschauen,
Was itzo brennen soll, O Hertze, das bist du.
Ich bin nicht was ich war, ich bin mir frembde worden,
Mein Fessel lieb ich mehr als vormals Helm und Schwerdt,
Diß Leiden nennt mein Brief zwar einen strengen Orden,
Doch in den Hertzen schein ich nicht der Marter werth.
Die Wunden jucken mich, ich spiele mit den Banden,
Der Ketten scharffer Schall ist mir ein Lautenklang,
Ich lache, wenn mein Schiff der Freyheit komt zustranden,
Und Seuffzer seyn nunmehr der beste Lobgesang.
Nun, Ermegarde schau diß was du selbst erfunden,
Ließ diesen kleinen Brief, den deine List erdacht,
Die Dint' ist anders nichts als Blut aus meinen Wunden,
Durch heisse Liebes Brunst verbrennt und schwartz gemacht.
Für dir leg ich gebückt die steiffe Lantze nieder,
Mein Helm berührt itzund in Demuth deinen Fuß,
Und ist ein König dir nicht allzusehr zuwieder,
So geb ich als ein Knecht dir einen heissen Kuß.
Mein wohlgewapfnet Heer gedenck ich zuverlassen,
Und werde nu verblendt ein Possen Spiel der Welt,
Will mich dein schöner Arm mit seiner Gunst ümfassen,
So mein ich, daß ich sey dem Himmel zugesellt.
Der Purpur, den dein Mund auf seinen Lippen führet,
Das Gold, so die Natur in deine Haare flicht,
Und mehr, das süsse Gifft, so deine Briefe ziehret,
Hat mich, wie starck ich war, verborgen hingericht.
Mich deucht ein süsser Dampff stieg aus den kleinen Schreiben,
Es grief ein Nebel mich und meine Kräfften an,
Ich fühlte mich alsbald durch eine Regung treiben,
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Der auch die Herrschafft selbst muß werden unterthan.
Sie riß mich aus mir selbst, sie brach mir Geist und Willen,
Und machte daß ich itzt mir nicht mehr ähnlich bin,
Sie hieß auch diesen Trieb, den du erweckst, erfüllen,
Und giebt mich endlich dir als einen Sclaven hin.
Es mag mein Heer nunmehr nach seinem Willen leben,
Als Feld Herr schau ich itzt nicht ihren Thaten zu,
Es mag ein ieder sich wohin er will begeben,
Die Lieb ist itzt mein Krieg, die Walstadt aber du.
Ich acht es nicht zuviel was der und jener saget,
Was trift auf dieser Welt der Menschen Urtheil nicht?
Wer alles tadeln will was andern wohl behaget,
Wird endlich durch das Schwerdt des Unmuths hingericht
Und wer auch alles fleucht, was der und jener hasset,
Erkieset nimmermehr, was rechte Freude heißt,
Ich folge diesem Zaum, an den ich bin verfasset,
Und der mich itzt erhitzt zu deinen Brüsten reißt.
In sieben Stunden will ich dein Gesichte schauen,
Ich wart' auff nichts so sehr als auff die Mitternacht,
Ich hoff auch, eh' es tagt, ein Lusthauß mir zu bauen,
Da die Ergetzlichkeit mit klaren Augen wacht.
Ich will auf deiner Brust in Freundschafft mich umschantzen,
Umbzirckt mit heisser Lust, entnommen der Gefahr,
Wir wollen mit bedacht des Friedens Oelzweig pflantzen,
Da vor der Krieges Dorn mit seinen stacheln war.
Es mag mein kühnes Heer sich wie es will ergetzen,
Es bleibt ein ieder ihm nur selbst der beste Rath,
Sie mögen ihren Fuß auf Woll' und Rosen setzen,
Nachdem sein Paradieß ihr Fürst gefunden hat;
Doch treibet sie die Lust zu mehrem Streit und Kriegen,
So wiederfahr' ihn' diß was itzt ihr Wunsch begehrt,
Ich trachte diese Nacht im Felde nicht zu siegen,
Und meine Freud ist mehr', als ihre Beuthe werth.
Und sagte gleich die Welt, ich hätte sehr gefehlet,
Wer fehlt und fället nicht? Ich bin ein Erdenkloß,
Es ist mir, fall' ich gleich, ein schöner Ort erwehlet,
Ich falle nirgends hin, als nur in deine Schoß.

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TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Rudolphen Königen in Burgundien. Rudolph an Ermegarden. Rudolph an Ermegarden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6C3D-3