Judith an Balduin

Kan Balduin denn noch der Judith nicht vergessen,
Und streicht sein alter Wunsch auch endlich über See!
Du bist in frembder Lufft und weit von mir gesessen,
Doch stöhrt dein kühner Brieff mein heisses Ach und Weh,
Wer bey der Leiche sitzt soll nicht von Liebe hören,
Es schickt sich Aloë zu Bisemkugeln nicht:
Es solte deine Brunst nicht meine Seuffzer stören,
Noch deiner Kühnheit Trieb verrücken meine Pflicht
Ich lasse mich itzund mit Trauerflor ümschlüssen,
So streut dein kecker Geist verliebte Blumen aus,
Und weil mein Auge läßt die Wasserperlen flüssen,
So dringt dein freyer Schertz in mein betrübtes Hauß.
Kein Freuden Pflaster dient vor die gekränckten Hertzen,
Die Wehmuth stünde dir am allerbesten an,
Ein Freund, der sich ergetzt bey seiner Freundin Schmertzen,
Hat zwar nach seiner Lust, doch nicht nach Pflicht gethan.
So geht es Balduin; was liebst du? deine Lüste;
Mein Ruhm, ja ich dazu, mag bleiben wo ich will,
Du suchst ein Freuden Feld und läst mich in der Wüste,
Dieß, was Vergnügung heist, ist dein erwehltes Ziel.
Du lachest, ob die Welt auf meinen Nahmen fluchet,
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Du schaust auf deine Lust, nicht meinen Ehren Ruhm,
Wann Balduin erhitzt die Freuden Rosen suchet,
So meint er, Lust und Leid sey gleiches Eigenthum.
Darff ich die Warheit hier mit rechten Nahmen nennen,
(Doch dieses stehet mir bey meinem trauren frey,)
So muß ich nur für dir und aller Welt bekennen,
Daß auf der Männer Wort nicht viel zubauen sey.
Was liebt ihr? euch, nicht uns; ihr spielt mit Schwur und Eyde,
Und sucht durch Falschheit Wind den Hafen euer Lust,
Ihr kleidet euer Wort in schwanenweisse Seyde,
Indem der Boßheit Ruß erfüllet eure Brust.
Ihr wünscht das Gottes Zorn euch schleunig soll verzehren,
Dafern ein Tropfen List vergället euren Sinn,
Und gebet da und dort vertiefft in solchen Schweren
Vor einen halben Kuß den gantzen Himmel hin.
Ihr bauet mit Gefahr auf unsers Ruhmes Grunde,
Der oftmals sehr beschwert in tausend Stücken bricht,
Ihr blaset falschen Dunst aus eurem geilen Munde
Und schont in eurer Gluth der reinsten Seelen nicht.
Zuletzte stirbt die Lust, nicht aber unser Schande,
Ihr schaut uns dann erstarrt als todte Bilder an,
Und rühmt euch offtermahls in einem frembden Lande,
Was, wo, wie, und bey wem ihr böses habt gethan;
Denn euer Laster dürfft ihr nicht, wie wir, verdecken,
Gewohnheit hat das Werck schon in den Schwung gebracht,
Daß dieses, was uns kan in Ewigkeit beflecken,
Euch oft bey Schertz und Wein zu grossen Helden macht;
Vergieb mir, Balduin, so ich zu deutlich mahle,
Und ohne Vorhang dir entblösse meinen Geist,
Die Antwort, so du schaust, kommt aus dem Trauer Saale,
Der bundte Farben mich itzt gar vermeiden heist.
Du hofst vielleicht von mir viel angemachte Speisen,
Und Worte so von nichts als Balsam trächtig stehn,
Du wünscht, ich solte dir, als wie du mir, erweisen,
Das rechte Liebe nicht so leichtlich kan vergehn;
Doch dieses schickt sich nicht zu meinem Wittben Stande,
Wer hier zufertig ist, fällt leichtlich in verdacht,
Ich lebe wie du weist in einem frembden Lande,
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Da oft ein Tropfen Lust zu Laster wird gemacht;
Doch scheu ich mich auch nicht dich meinen Freund zu nennen,
Denn Wehmuth scheinst du mehr als Zornes werth zu seyn.
Wer kan sich endlich gantz von seiner Regung trennen?
Der Himmel preget uns selbst das Erbarmnüß ein.
Ich werde nimmermehr dein Sinnen Fieber rühmen,
Und dieses was itzund benebelt deinen Geist;
Doch will sich dieses auch nicht alzuviel geziehmen,
Daß ein gesunder Arm den Krancken niederreist.
Mein Freund, trag mit Gedult, bestille dein Gemüthe,
Und laß Vernunfft und Rath stets bey dem Ruder stehn,
Der Himmel der uns kennt, ist noch von alter Gütte,
Er heist der See und auch des Glückes Sturm vergehn.
Nicht zwinge, was du wünscht, der Höchste muß es geben;
Wer allzustrenge rennt, kombt langsam an das Ziel;
An dessen Faden wir und unsre Sachen schweben,
Verfügt nicht allezeit was Blut und Regung will.
Im Alter seyn wir noch den Kindern gleich gesinnet,
Für Rosen greifen wir offt heisse Nesseln an,
Und wenn das kalte Gift uns aus den Händen rinnet,
So meynen wir alsdann es sey uns Leid gethan.
Ein mehrers will mir Flor und Boy nicht wohl vergönnen,
Es ist genung von der, die ihren Mann beklagt,
Ich tadle, Balduin, dein eyfriges Beginnen,
Ob die Beständigkeit mir gleich nicht mißbehagt;
Den Schluß, den du gefast, soll keine Wittib hören,
Die Mann und Könige bezahlet ihre Pflicht,
Die bleiche Schuldigkeit will mich was bessers lehren,
Ein weinend Auge lobt dergleichen Zeilen nicht.
Bleib Freund, doch bleib auch stets in reiner Freundschafft Schrancken,
Denn Freundschafft dieser Welt ist offt nur Mummerey,
Meinst du, du köntest nicht von alter Liebe wancken,
So glaub auch daß mein Leid nicht so vergänglich sey;
Du lachst, ich bin betrübt, du schreibst von Gluth und Flammen,
Indem die Trauer Bach beschwemmet meine Brust,
Es schickt sich ich und du so ungereimt zusammen,
Als sich verbinden läst der Schmertzen mit der Lust.
Nicht zürne daß mein Schluß zu sehr nach Myrrhen schmecket,
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Es haftet der Zibeth auf meinem Briefe nicht,
Wer weiß es ob die Zeit, so Lust und Leid erwecket,
Nicht nach dem Wermuth Spruch ein Zucker Urthel spricht.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Graf Balduin. Judith an Balduin. Judith an Balduin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6CA5-A