[415] Er ist unglückselig

C.H.v.H.


Ich unglückseliger! warum bin ich gebohren?
Soll ich ein gauckel-spiel der falschen sterne seyn?
Hat das verhängniß denn zum balle mich erkohren?
Schau ich für sonnen-licht blitz und cometen-schein?
Weiß ich von freuden nichts zu sagen?
Macht mich der himmel nur zur wahlstatt vieler plagen?
Ich muß mit kummer-brodt die matte seele speisen;
Das thränen-wasser ist mein muscateller-most.
Ich muß beständiglich durch scharffe disteln reisen;
Die schmertzen sind mein tranck/ das unglück meine kost.
Ich muß auff folter-bäncken sitzen/
Und auff den schweren stab des jammers mich nur stützen.
Mein leib ist ein spital/ darinn der geist muß krancken;
Ich bin ein ebenbild der bleichen traurigkeit;
Ich schlage mich mit nichts als sorglichen gedancken/
Mit ach und weh verkürtz ich meine lebens-zeit;
Ich werde jämmerlich geqvälet/
Weil dem gemüthe ruh/ dem blute kühlung fehlet.
Wie vielmahl sitz ich doch betäubt an allen sinnen!
Für schmertzen seh ich offt mit offnen augen nicht.
Verstand und witz ist weg/ ich weiß nichts zu beginnen/
Biß daß ein seuffzer mir den dicken nebel bricht.
Und dennoch kan ich weder meinen sachen/
Noch meiner thränen lauff ein tröstlich ende machen.
Ach daß ich einem nur mein leiden könt entdecken!
Vielleicht würd dieses noch ein pflaster vor mich seyn/
Und in den wunden mir was linderung erwecken.
Doch nein! es weiß kein freund mehr rath für meine pein;
Drum soll kein mensch von mir erfahren/
Was für gefehrten sich des unglücks mit mir paaren.
[416]
Ich will hinführo nicht mit meinen fesseln klingen.
Denn welcher sclave rührt ohn schmertzen doch sein joch?
Ein stummer seuffzer soll nur nach dem himmel dringen/
Vielleicht erbarmet der sich meiner wunden noch.
Zum himmel sollen meine zähren
Sich ferner hin zwar still/ doch unabläßig kehren.
Es kan doch nirgends hin ein wasser freyer fliessen/
Als an denselben ort/ wovon es anfangs kam.
Der himmel martert mich; Drum darff die welt nicht wissen/
Was eigentlich mein leid und meines hertzens gram.
Doch will mich iemand noch beklagen/
So schreib er auff mein grab: Hier ruht ein ziel der plagen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Bd. 1. Verliebte Arien. Er ist unglückselig. Er ist unglückselig. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6D12-A