[5] Liebe zwischen Eginhard und Fräulein Emma, Keyser Carlns des Grossen Geheimschreibern und Tochtern

Keyser Carl der Grosse hatte unter vielen Kindern auch ein Fräulein Emma genennet, nicht minder an Leibes als Gemüths Gaben von höchster Vollkommenheit. Nebenst andern Bedienten enthielt sich auch in seinem Hofe Eginhard, Geheimschreiber des Keysers, dem er wegen sonderbahrer Geschickligkeit mehr als mittelmäßig geneiget war. Ich weiß nicht wie dieser gute Mann in etwas übersichtig ward, und der alleine die Briefe seines Herren durchsehen sollte, auch auf die Schönheit der Tochter ein freyeres Auge warff. Die Frucht dieses Fürwitzes war die Liebe, und die Frucht der Liebe, die Gefahr, so in Warheit, wenn er einen strengern Herrn, als Keyser Carln, angetroffen, Ihn in Spott und Todt unfehlbahr würde gestürtzet haben. Die Ungedult seiner Flammen zwang ihn bey der Fräulein, mit der er sonst niemahl ausführlich reden konte, die Genade zu bitten, einmahl alleine bey ihr eingelassen zu werden, die dann auch mit nicht minderer Liebe gegen Ihm entzündet, sein Fürnehmen billigte, und ihm die Abendtzeit darzu bestimmete. Was sie in solcher Zusammenkunfft mit einander abgeredet, und wie sie ihre Stunden wohl angewendet werden haben, laß ich einen der iemals recht verliebt [5] gewesen, und in dergleichen Gelegenheit, wie Eginhard und Emma sich befunden, urtheilen, ich weiß nichts davon. Diß ist gewiß, daß sie beyde unvermercket fast der angehende Morgen überfallen wollen, und das Fräulein, als sie ihren lieben Nacht Gefehrten, weil dazumal ein unverhoffter Schnee kommen, auf dem Rücken aus ihrem Zimmer biß zu einem Scheidewege getragen, in Meinung, nachmals die männlichen Fußstapffen, so wegen der damals üblichen spitzigen Schuh sehr kentbahr waren, mit den ihrigen zuverscharren, von ihrem Herrn Vater, der, ich weiß nicht durch was vor einem [5] Zufall, sich um solche ungewöhnliche Zeit in ein Fenster geleget, unter ihrer süssen Bürde erblicket worden ist. Der gute Alte konte kaum seinen eigenen Augen trauen, musts aber doch endlich nothwendig vor war halten, was er so klar und deutlich gesehen. Er schlug sich etliche Stunden mit dem verwirrtesten Gedancken, so in eines Menschen Sinn kommen könten. Betrübnüß, Verwunderung, Zorn, Rache und Erbarmnüß hatten bey ihm einen unruhigen Sammel Platz, und er wuste bey dieser Bestürtzung nicht eigentlich, zu was er sich entschlüssen sollte. Nach weniger Zeit ließ er seine Räthe erfordern, und begehrete ein Gutachten, was ein Diener wohl verschuldet, der seines grossen Herren Tochter fleischlich zuverführen, und bey ihr eine gantze Nacht ohne alle andere Gesellschafft zuzubringen sich unterstanden hette. Die Meinungen waren ungleich, dieser rieth zum Tode, jener zu immerwährender Gefängnüß, ein ander zu was anderm. Als nun der Keyser sie sämtlich mit grosser Gedult angehöret, befahl er unversehens Eginhard und Emma hereinzuführen, sagende: Hier seind die Verurtheilten, ich weiß nicht, zu was ich mich wohl wenden soll. Auf der einen Seiten stehet die Missethat, die mich als Richter haben will, auf der andern die Erbarmnüß so mir als einem Vater wehmüthig zurufft. Diß ist am Tage, daß ihr beyde gröblich gesündiget und wider Eyd und Blut gehandelt habt. Doch muß ich auch wiederumb gedencken, daß Emma vormahls meine gehorsame Tochter und Eginhard mein treuer Diener gewesen, und dieses verbrechen unter diejenigen gehöret, welchen die hitzige Jugend, wie höchlich zuwünschen, nicht allemahl aus den Augen zu treten vermag. Ein anderer würde die Flecken mit Blut ausleschen wollen, ich aber will meine Väterliche Hand darüber legen. Und hat Emma und Eginharden mit folgenden Worten kürtzlich zusammen gegeben: Eginhard hat allhier seine trägerin, meine Tochter, zur Gemahlin, des tragens halben werdet ihr euch hinfort anderwege mit einander vergleichen.

Eginhard an Emma

Eginhard an Emma

Des grossen Carles Knecht ist die Gedult entrissen,
Ich schreibe was vielleicht mein Leben kosten kan,
Doch darf ich nur einmal dein schönes Auge küssen,
So trett ich wohlvergnügt hernach die Marter an.
Dein hoher Purpur läst mich nicht vom Tode dencken,
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Die steiffe Zuversicht streicht allen Kummer hin:
Beliebt dir einen Blick auf meinen Brief zu lencken,
So mein ich, daß ich schon der Sonne gleiche bin.
Mein Fräulein straffe nicht mein eyfriges Beginnen,
Und reiß das treue Blat nicht vor der Zeit entzwey,
Erwege vor die Noth und Schwachheit meiner Sinnen,
Hernach mach einen Spruch, ob ich zutadlen sey.
Ich weiß, das meine Gluth sich denckt zu hoch zuheben,
Und daß mein Kieselstein zu Diamanten will,
Doch die Erfahrung wird vor mich die Antwort geben,
Der Stände gleichheit ist der Liebe Possenspiel;
Sie bindet Gold an Stahl und Garn zu weisser Seyde,
Macht daß ein Nesselstrauch die edle Rose sucht,
Zu Perlen legt sie Graus, zu Kohlen legt sie Kreyde,
Und pfropfft auf wilden Baum offt eine süsse Frucht.
Sie lachet, was die Welt von Blutverwandnüß saget,
Diß was man Ehlich heist, hemmt ihre Pfeile nicht,
Der Keyser wird ihr Knecht, der Jäger wird erjaget,
Man spührt wie ihre Macht in Stock und Closter bricht;
Ich schreibe, was ich muß, ich steh itzund gebunden,
Die Zeile, so du siehst, will selbst nicht meine seyn,
Der Gott, der alles kan, der hat sie auch erfunden,
Ich aber liefre sie dir nur gezwungen ein.
Diß was ich hier gesagt, ist kein so frembdes Wesen,
Das Fieber so mich plagt, ist dir genug bekant,
Aus meinem Auge hat dein Auge schon gelesen,
Was sie vor Liebes Schrifft hier eingeprägt befandt,
Vor Seufftzen kont ich offt kein rechtes Wort beginen,
Die Augen branten mir, das Hertze ward mir kalt,
Die Hände böbeten, es irrten alle Sinnen,
Ich war ein rechtes nichts, an Farb und an Gestalt,
Du weist wie offtmals ich der Zeilen Reyh verlohren,
Wann ich dem grossen Carl geheime Schreiben laß,
Es fehlten manchesmahl mir Augen, Zung, und Ohren,
Wann meine Herrscherin mir gegen über saß.
Es drang das heisse Blut aus meinen Liebes Wunden,
Wann meine Mörderin auf mich Ihr Auge warff,
Hat deine schöne Hand, O Emma, mich gebunden,
So laß mir doch nur zu, daß ich mich regen darf,
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Ich fall itzund als Knecht zu deinen zarten Füssen,
Ich ruff als Göttin dich mit bleichen Lippen an,
Laß einen milden Strahl auf meinen Scheitel schüssen
Und zeige daß bey dir auch Wehmuth wohnen kan!
O Göttin stürtze mich doch nicht durch deinen Blitzen
Und denck' ein treuer Knecht ist eines Blickes werth:
Du wirst mit mehrern Ruhm auf deinem Throne sitzen,
Wenn deiner Demuth Glantz auch in die Thäler fährt,
Die Flamme, so mich treibt, daß ist ein Zug von Oben,
Ich muß dasselbe thun, was mein Verhängnüß heist,
Es wird die Nachwelt noch den heissen Fürsatz loben,
Der mich itzund verblend't zu deinen Knien reisst;
Will denn dein schöner Grimm mich gantz und gar verterben,
Bricht deine zarte Hand die Hoffnungs-Seulen ein,
Thust du den Freunden diß, wie wollen diese sterben,
Die deinem Vater Feind und dir zuwieder seyn?
Mein Fräulein weigre nicht der Liebe Platz zugeben,
Es ist ein solcher Gast, der Freude mit sich bringt,
Es will der Balsam seyn vor unser junges Leben,
Der in die Augen träufft, und zu dem Hertzen dringt.
Es schmückt der schöne Trieb die Blumen unsrer Jugend,
Und führt uns in das Feld der rechten Frühlings-Zeit,
Man nennt die Liebe zwar die süsse Gifft der Tugend,
Doch der Verleumbder selbst lobt Ihre Liebligkeit;
Es ist die edle Saat so von den Himmel kommen,
Und auf der Erde nichts als Zucker Früchte trägt,
Es ist der beste Leim aus Gottes Hand genommen,
So Mensch zu Menschen fügt, und uns zur Lust bewegt;
Mein Fräulein, meine nicht daß solches dich beflecket,
Es ist ein solches Werck, so Gott uns selber hieß,
Ein Etwas, so Er uns im Paradieß erwecket,
Und mit dem Athem tieff in Adams Nase bließ;
Ich rede wohl zu kühn, Ach Fräulein! diese Flammen
Verzehren was von Furcht und Schrecken übrig war,
Lust und auch Ungedult verbinden sich zusammen,
Und meine Zuversicht verkleinert die Gefahr;
Laß diese heisse Gluth doch nicht vergebens brennen,
Und dencke Liebe sey allein der Liebe werth,
Soll ich mich ohne Frucht stets deinen Sclaven nennen,
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Der ohne deinen Mund sich durch sich selbst verzehrt?
Sprich, sprich ein süsses Wort, laß mich mit meinen keten,
In tieffster Dienstbarkeit für deinen Augen stehn,
Ich komme; darff ich auch vor dein Gesichte treten?
Ach sollt ich doch vergnügt von dir zurücke gehn,
Und eines Kusses darff dein Purpur sich nicht scheuen,
Es soll ein Geissel seyn von meiner Dienstbarkeit,
Laß dich die hohe Gunst, O Fräulein, nicht gereuen,
Die Kette so mich druckt, durchdringt kein Biß der Zeit.
Sprich doch ein süsses Wort, benenne Stell' und Stunde,
Ruffst du, so hält mich auch der Himmel selbst nicht auf;
Dein Willen wird mein Schluß: ein Spruch aus deinem Munde
Soll ein Verhängnüß seyn vor meinen Lebenslauf;
Itzt will ich meinen Brieff, doch nicht die Hoffnung schlüssen,
Er hat, ich neid' ihn fast, weit mehr Gelück als Ich,
Er will von mir zu dir; Ich muß euch beyde küssen,
Zwar mit den Lippen Ihn, und in Gedancken dich.

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TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Eginhard und Fräulein Emma. Eginhard an Emma. Eginhard an Emma. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6D25-F