[189] Breslauer Dürerfest
20. Mai 1836.
1.
Es leben die Gönner und Könner!
Denn ein Künstler, was gewönn' er,
Hätt' er nicht auch seine Gönner?
Der Künstler muß auf der Erde leben,
Doch ist sein ganzes Ringen und Streben
Euch auf der Erde den Himmel zu geben.
Er möchte lieber im Himmel schweben,
Als unten an der Erde kleben –
Doch muß er nun mal auf der Erde leben.
Wenn's euch nun freut, wie der Künstler waltet und schaltet,
Wenn euch freut was er in Worten und Tönen entfaltet,
Und zu seelenvollen Bildern gestaltet,
So mögt ihr eure Freude zur Erscheinung bringen,
Und lasst anmuthiglich eure Meinung klingen,
Und vergleicht nicht erst mit der Bildnerei des Thalers
die Schilderei des Malers
Und mit der Moneten Singsang
der Poeten Klingklang!
Denn das ist mir nun einmal klar
Seit manchem Jahr und bleibt auch wahr
Heut' und immerdar:
[190]Alle wahre Kunst
Ohne wahre Gunst
Müht sich fürwahr umsunst.
Drum lasst uns alle das Glas erheben:
Die Kunst und die Gunst,
sie sollen leben!
2.
Es leben die komponisten!
Die aus dem gewaltigen Meer von Tönen
Fischen die Perle des Edelen, Schönen,
Die uns des Lebens Mißklang' entwöhnen,
Allem Jammern, Klagen und Stöhnen,
Uns mit dem Weltgewühle versöhnen,
Uns das Leben erheitern, verschönen –
Die, was ein Dichter irgend gesagt hat,
Was er gelacht und was er geklagt hat,
Was er zu ahnen kaum gewagt hat,
Rastlos streben und ringen
Schöner in Tönen darzubringen.
In allen Herzen muß das Schön' ersprießen,
Wenn sie das Schön' in Tön' ergießen;
Und wir wollen den Dank im Becherklang bringen,
Wenn sie uns ihren Zechersang singen.
[191] 3.
Es leben die Dichter, die fröhlich strebenden,
herzenerhebenden,
Düstres und Klares, Schönes und Wahres
sinnig verwebenden,
Erd' und Himmel minnig umschwebenden,
die da trachten und dichten,
das Dunkle zu lichten,
das Gebeugte zu richten,
das Verworrne zu schlichten;
Die aus der Erde Banden und Schlingen
Sich frei mit der Lerche gen Himmel schwingen,
Und unbekümmert um diesen und jenen
Fröhlich singen ihr Lieben und Sehnen,
Und nicht aus Pfützen und Lachen schlürfen,
Und keiner undeutschen Quelle bedürfen,
Und nach keinen fremden Gängen schürfen –
Sondern am heimischen Born sich laben
Und in ihrem eigenen Herzen graben,
Weil sie selbst den Schacht im Herzen haben;
Die wie der Frühling Blüthen entfalten
Und wie der Frühling niemals alten,
Und auf die ganze Welt verzichten,
Weil sie nicht um Ruhm und Geld dichten.