[192] Breslauer Schillerfest
10. Nov. 1836.
Es lebe die Zeit die neue!
Und keiner bereue
Die Zeit die neue,
Doch jeden erfreue
Die Zeit die neue!
Ich beschwör' euch bei den Perrücken und Zöpfen,
Bei den Atlasröcken mit großen Knöpfen,
Bei den runden bepuderten ernsten Köpfen,
Bei dem Reifrockknix und dem Fischbeinmieder,
Bei dem verschämten Aufschlag der Augenlieder,
Bei der Feiertagsruhe aller Glieder,
Bei den Tressen und Litzen,
Manschetten und Spitzen,
Bei den seidenen Strümpfen mit falschen Waden,
Bei den Schönheitspflastern, Schminken, Pomaden,
Bei der Weitschnurigkeit
Und Breitspurigkeit
Aller alten und jungen
Herzen und Zungen –
Wer könnt' es wagen,
Das Verlorene zu beklagen,
Und wünschen, unserem Leben und Treiben
Das Langweilige wieder einzuverleiben?
[193]Wie der Staub verweht durch das Feld,
Ist der Puder hinweg aus der Welt,
Und was er verhüllt und unkenntlich gemacht,
Ist rein und lauter ans Licht gebracht.
Die alte Zeit musste verloren gehn,
Schon weil sie Schillern musste geboren sehn.
Die alte Zeit ist die gerichtete,
die vernichtete,
Weil Schiller dichtete.
Doch wir wollen vom Alten
Alles Gute behalten.
Wir behalten heute zu unserem Feste
das Beste –
All' ihr Versammelten wisst es:
Schiller bleib es, den Schiller ist es.