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Die Nacht

Seid gegrüßt, ihr zufluchtsvolle Schatten,
Ihr Fluren, die ihr einsam um mich ruht;
Du stiller Mond, du hörst, nicht wie Verleumder lauren,
Mein Herz, entzückt von deinem Perlenglanz.
Aus der Welt, wo tolle Toren spotten,
Um leere Schattenbilder sich bemühn,
Flieht der zu euch, der nicht das schimmernde Getümmel
Der eitlen Welt, nein! nur die Tugend liebt.
Nur bei dir empfindt auch hier die Seele,
Wie göttlich sie dereinst wird sein,
Die Freude, deren falschem Schein so viel Altäre,
So viele Opfer hier gewidmet sind.
Weit hinauf, weit über euch, ihr Sterne,
Geht sie entzückt mit heilgem Seraphsflug;
Sieht über euch herab mit göttlich heilgem Blicke,
Auf ihre Erd, da wo sie schlummernd ruht....
Goldner Schlaf, nur dessen Herz zufrieden
Wohltätger Tugend wahre Freude kennt,
Nur der fühlt dich. – Hier stellst du dürftig schwache Arme,
Die seine Hülfe suchen, vor ihn hin.
Schnell fühlt er des armen Bruders Leiden;
Der arme weint, er weinet auch mit ihm;
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Schon Trost genug! Doch spricht er, gab Gott seine Gaben
Nur mir? nein, auch für andre lebe ich. –
Nicht von Stolz, noch Eitelkeit getrieben,
Kleidt er den Nackten dann, und sättigt den,
Dem blasse Hungersnot sein schwach Gerippe zählet;
Und himmlisch wird sein fühlend Herz entzückt.
So ruht er, allein des Lasters Sklaven
Quält des Gewissens bange Donnerstimm,
Und Todesangst wälzt sie auf ihren weichen Lagern,
Wo Wollust selber sich die Rute hält.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hölderlin, Friedrich. Gedichte. Gedichte 1784-1800. Die Nacht. Die Nacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7C81-A