Gedancken über den Streit der Seele und Wollust des N. der von seiner Maitresse allezeit übel sprach
1.
Du must lieben/
Aber ach/ du weist nicht wie?
Tausend Foltern und Betrüben
Fliehen deine Seele nie.
Daß sie so verflucht und hasset/
Was sie in ihr innres fasset.
2.
Du must ehren/
Was die Welt unehrlich heißt/
[44]Ehrbegierig/ ach und hören/
Daß dein Hermeliner Geist/
Wenn er sich zu ihr geleget/
Sich in Schlamm der Unzucht träget.
3.
Du wilst freyen
Die so viele Männer kennt/
Die der rechte/ welch bereuen/
Seine Hölle hat genennt.
Sonst das Paradieß auf Erden
Soll dein Fege-Feuer werden.
4.
Du must küssen/
Aber nur aus Raserey/
Und von der Tarantul bissen
Wird Vernunfft und Hertz nicht frey/
Biß die Wollust aufgespielet/
Und du in dem Schlamm gewühlet.
5.
Solst du lieben/
Ach so sey durch lauter Huld
Dir nicht weiter vorgeschrieben/
Himmel/ was mit Ungedult
Du vor eine Lust erkennest/
Und doch einen Abschen nennest.
6.
Drum ihr Seelen
Flieht wo Wollust aufgedeckt.
Die den Köder einmabl wehlen/
Welcher Anfangs lieblich schmeckt/
Werden Fischen gleich gefangen/
Und daran auf ewig hangen.