Uber einen schönen Abriß des Herrn Christus/der sein Creutz umarmet hatte

Wein Jesus werde gar in meine Brust gemahlt!
O Glaube/ reiß Ihr ab/ so wie er hier getroffen.
Wie Er die Sünde trägt/ wie Er vor mich bezahlt:
In Jesu Wunden steht der gantze Himmel offen.
Er hat sein Creutz im Arm. O ungemeine Huld!
O Liebe/ die uns kan den bittern Tod versüssen!
Ach! Jesus Lieb' umarmt so fest der Menschen-Schuld/
Als wär' es seine Lust am Creutze sterben müssen!
Er legt es an das Hertz/ und zeigt beweglich an/
Wie lieb Er uns gehabt/ wie unser Heil und Leben
Ihm an den Hertzen liegt; wie es Ihm Weh gethan/
Daß wir im schweren Zorn auf ewig solten schweben.
Er stehet nackend da. Die Unschuld braucht kein Kleid.
Die Demuth Christi büßt/ was unser Stoltz verdienet.
Daß uns die Sünde band/ war unserm Jesu leid/
Er trug die Banden selbst/ daß unsre Freyheit grünet.
Den Schwamm hält seine Hand/ mit Eßig angefüllt.
Welch Labsal vor ein Hertz/ das mit dem Tode ringet!
Wie bitter ist sein Kelch/ woraus das Leben qvillt/
Das uns sein Kelch nunmehr in seinem Blute bringet!
Der Rohr-Stab steht am Creutz. O schlag' an deine Brust!
Um deinetwegen wird dein Jesus wund geschlagen.
Man geisselt seinen Leib um unsre böse Lust/
Wir sollen sein Verdienst/ er will die Schmertzen tragen.
O welch Erbarmen ists! bist du von Marmor-Stein/
Bist du von Diamant/ sein Blut muß dich erweichen.
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Schick einen Blick dahin/ wo Jesus Wunden seyn/
Wo sich um deine Schuld die Unschuld läßet streichen.
Vieleicht so jammerts dich; es bricht dein Hertz entzwey/
Die Wehmuht schließt es auf mit tausend Thränen-Güßen.
Er leidet ja um dich. Wer wolte diese Treu/
Nicht voller Lieb und Schmertz mit naßen Augen Küßen.
O Seele thu es doch! Er hatte nichts gethan/
Und gleichwohl zaget er um deiner Ubelthaten.
Ach eile zu dem Creutz/ schau Ihn mit Zähren an/
Und höre/ was er wird der matten Seelen rahten:
Ich lege mein Verdienst/ spricht Jesus/ nun auf dich.
Gedenck an meine Huld/ du hattest viel verbrochen.
Doch deiner Sünden-Last erbarmt mein Vater sich/
Und hat durch meinen Todt dich völlig loß gesprochen.
Geh hin/ ich liebte dich/ wie nie ein Mensch geliebt.
Erinnre dich daran/ mich wieder lieb zu haben.
Stirb allen Lastern ab/ die mich schon einst betrübt/
Weck nicht die Sünden auf/ die ich vor dich begraben.
Weil du in meinen Tod getauffet worden bist/
So lebe nun mit mir/ damit ich möge sehen/
Daß auch dein alter Mensch mit mir gecreutzigt ist/
Daß ich den neuen seh in meinem Wandel gehen.
Betrachte mich recht wohl/ beschaue meine Noth/
Hier geb ich/ liebster Mensch/ was dich allzeit beglücket:
Es sey in Freud und Leid/ im Leben oder Todt/
So habe Jesus Creutz in deine Brust gedrücket/
Wie es die Liebe hält/ die Menschen Liebe heißt/
Wie ich den Arm gestreckt/ der deiner sich erbarmet/
Wie ich mein Creutz umfaßt/ das niemand von mir reißt/
Du aber bist mein Creutz/ wie ich dich selbst umarmet.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Galante und Vermischte Gedichte. Uber einen schönen Abriß des Herrn Christus. Uber einen schönen Abriß des Herrn Christus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8898-8