[51] Uber die Thorheit der menschlichen Begierden

1.
Der Geist hat in des Leibes Banden
Gewalt und Unrecht ausgestanden/
So lang er auf der Welt in solchen Kercker lebt.
Bald soll er zu des Fleisches Lüsten/
Bald vor des Geitzes weite Küsten/
Und bald bemühet seyn/ wenn man nach Ehren strebt.
2.
Was ists/ wenn Wollust aufgedecket/
Wenn Süßigkeit letzt sauer schmecket?
Wenn man die Seele zwingt in uns berauscht zu seyn?
Mensch/ glaubst du gleich kein Auferstehen/
So macht dein immer müßig gehen
Dir durch ein giftig Blut schon hier die Höllen Pein.
3.
Der Geist/ so rein sein hohes Wesen/
Muß manchem Gold aus Kothe lesen.
Man stopft ihm/ wenn er schmält/ das Maul mit Klumpen zu.
Es heißt/ hilf mir zusammen scharren.
So müß-vergnüget wehlen Narren
Zum Hunger Uberfluß/ und Sorgen zu der Ruh.
4.
Die Ehrsucht hecket tausend Grillen.
Der Wahn muß so die Welt erfüllen/
Als ob nicht jeder Geist gut nach dem Uhrsprung sey.
Wenn einer nur was neues lehret/
Es sey auch gottloß und verkehret/
So ist es Weltberühmt und macht vom Sterben frey.
5.
O Thor/ was Salomon geschrieben/
Ist auch nicht ungetadelt blieben.
[52]
Wird nicht der Griechen-Heer in Gräbern noch geschimpft?
Viel schlechter bleibt man dem gewogen/
Worüber du die Stirn gezogen/
Und nach der Stoer Art dein Maul so oft gerümpft.
6.
Heut machstu dir noch viele Sorgen/
Die Phantasie verschwindet morgen/
Wenn dich die Eitelkeit in ihr Register trägt.
Denn bauen Wollust/ Geitz und Ehre
Im Sterben andern diese Lehre:
So wird der Menschen Wahn erschrecklich wiederlegt.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Moralische Uber-Schrifften- und Gedichte. Uber die Thorheit der menschlichen Begierden. Uber die Thorheit der menschlichen Begierden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-88DE-C