1. Fabel/
Uber der Frantzosen und Teutschen Poesie
Budorgis und Pariß bemüthen sich/ den Preiß/
Den edlen Palmen-Zweig einander auszuwinden.
Wo/ sprach Pariß/ wo ist ein Land/ das gleichen Fleiß
Und gleiche Schönheit läßt in den Gedancken finden?
Budorgis gab hierauf: so schön auch euer Geist/
So scheinet Phœbus doch mit gleich geneigten Strahlen
Auf unser Vaterland/ und was ihr selten heist/
Kan unser Reichthum wohl an gleichen Wehrte zahlen.
Wie? welcher Schimpf/ Pariß! ein unbekandtes Land
(So prahlt' es) darf sich wohl zu deiner Sonne wagen?
Wem unsre Adler nicht/ sprach jenes/ wohl bekandt/
Der kan von ihrem Flug auch nichts gescheutes sagen.
Ihr seyd in euch verliebt/ und untersuchet nicht/
Wie retn/ wie schön allhier der Musen Qvellen springen.
Wie wieder die Natur bey uns kein Dichter spricht;
Wie eure Sylben oft und Reimen übel klingen.
Damit so zogen sie die Palmen hin und her/
Als Lindenstadt hierauf sich in das Mittel setzte.
Hier sahe man sich um: es kam von ohngefehr/
Daß Meissen sich zugleich der Palmen würdig schätzte.
Sein Linden-Zweig roch schön/ so kräfftig als beliebt.
Ich aber kan den Streit hier nicht zu Ende führen.
Denn weil es/ sprach Pariß/ bey euch auch Palmen giebt/
So sollen sie mich nur des Alters wegen zieren.
Ausspruch:
Ein junger Adler lernt so wohl als alte fliegen/
Drum bilde dir/ Pariß/ nichts mit dem Alter ein;
Denn Teutschlands Morgenröth ist schon so hoch gestiegen/
Daß weil du untergehst/ so wird sie Sonne seyn.