[168] Die Nachtigall und der Stieglitz
Da, wo des Busches Wiederhall
Am reinsten war, da saß auf ihrer Eiche,
Verborgen, eine Nachtigall;
Und Knaben plätscherten nicht weit davon im Teiche.
Sie saß, und sang in Fried' und Ruh;
Die Vögel hörten ihr auf allen Aesten zu.
Ach! aber weg vom Bade schlich
Ein Knabe zu dem Baum, und scharrte
Den Boden auf, und stellte sich
Am nahen Schlehdorn auf die Warte.
Die Nachtigall ist treu und gut,
Man kann sie leichtlich überraschen;
Sie glaubte jetzt, ein Würmchen zu erhaschen,
Und flog herab mit unbesorgtem Muth,
[169]Als, wie ein Blitz, des Knaben Hut
Die arme Sängerinn bedeckte,
Und sie durch ihr Geschrey den Busch zu Klagen weckte.
Das größte Mitleid trug
Mit ihr ein Stieglitz, alt und klug,
Von jener Art, die nimmer unterlassen,
Ihr Tröstungs-Wort als Predigt abzufassen.
Der sagte: Liebe Nachtigall!
Von Herzen dauert mich dein unverhoffter Fall.
Die Welt ist schlimm; es gibt der losen
Gesellen jetzund überall.
Daß aber auch ihr Virtuosen
In eurem Thun und Dichten jederzeit
So neu, so albern seyd,
Als wüchsen euch die Flügel eben!
Auf eines Kindes Wink sich also Preis zu geben,
Für Meistersänger, welche Schmach!
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Die winselnde Gefangne sprach:
O Freundinn! soll ich nicht dem Menschen mich vertrauen?
Ich nehm' in Gärten, Feldern, Auen
Ihm nichts, bin keinem je zur Last;
Dem Müden sing ich gern bey seiner Abend-Rast,
Und hoffte Schutz und Lohn von ihm, der solche Gruben
Mir gräbt im unverdächt'gen Hain.
Du konntest, fiel der Stieglitz ein,
Von Männern des gewärtig seyn;
Doch, liebe Nachtigall, von Buben,
Von Lotterbuben, nein!