45. Der Teufel und der Drescher.

Es war einmal ein Edelmann, der war geizig und drückte seine Leute, wo er konnte, that aber immer, als habe er nur ihr Bestes im Auge und handle nicht anders, als wie er könne. Dieser Edelmann hatte nun unter seinen Leuten einen Knecht, der ihm viele Jahre treu und ehrlich gedient hatte; mit der Zeit war er aber alt [244] und schwach geworden, dass er zwar noch beim Pflügen und Eggen die Ochsen antreiben konnte, jedoch beim Dreschen nichts Rechtes mehr vor sich zu bringen vermochte. In der Dreschzeit brach liegen, heisst aber bei einem armen Tagelöhner so viel, als den ganzen Winter Hunger leiden; darum bat er rechtzeitig den Herrn, als er mit den andern Knechten die Wintersaat untereggte, er möge ihn doch von dem Dreschen um seines Alters willen nicht ausschliessen.

»Ich will dir nicht im Wege sein!« antwortete der Edelmann katzenfreundlich; »Wenn die übrigen Knechte dich als Macher (Macker) haben wollen, so magst du dreschen, so viel und so lange du willst.« Die andern Leute waren aber allesamt verheiratet, hatten für Frau und Kinder zu sorgen und mussten den Dreier dreimal umdrehen, ehe sie ihn aus der Hand gaben. Sie sahen darum bei den Worten des Herrn einander verlegen an, und als der Edelmann sie einzeln fragte: »Willst du des alten Vaters Macher beim Dreschen sein?« überlegten sie, dass sie dann nicht genug ausdreschen könnten, und der Reihe nach sprachen sie: »Nein, ich will nicht!« – »Da hast du's,« rief der Herr, »ich bin's nicht, der dich ins Elend jagt, deine eigenen Kameraden lassen dich im Stich.« – Der alte Mann kratzte sich betrübt hinter den Ohren; endlich fasste er sich Mut und sprach: »Wenn ich nun einen Macher finde, darf ich ihn dann auf den Hof bringen und mit ihm an die Arbeit gehen?« Dagegen konnte der Edelmann nichts einwenden, und der Knecht wankte vom Hofe, einen Macher zu suchen.

Als er im Walde war, begegnete ihm ein steinaltes Männchen, das fragte ihn: »Woher und wohin?« – »Ich komme vom Edelmannshof und suche einen Macher zum Dreschen,« erhielt es zur Antwort. »Da bist du an den Rechten gekommen,« versetzte das Graumännlein, »ich bin ebenfalls auf der Suche nach einem Macher.« – »Allrichtig,« sagte der Knecht, »dann gehören wir zusammen. Viel wird's freilich nicht werden, denn du bist ja noch stakriger, wie ich; aber besser etwas, wie gar nichts.« – »Worauf drescht ihr denn?« fragte der Graumann weiter. »Bei Roggen und Weizen auf den dreizehnten,« erwiderte der Knecht, »beim Hafer dagegen bekommen wir den vierzehnten Scheffel.« – »Darauf geh' ich nicht ein!« meinte der Graumann; »Wenn ich die Woche gedroschen habe, will ich nicht mehr und nicht weniger haben, als was ich am Samstag Abend mit einem Male auf meinem Buckel zum Thore hinaus schaffen kann.« – »Das wäre ein schlechtes Geschäft!« meinte der Knecht. Da aber der Graumann auf seinem Willen bestand, fürchtete er, am Ende seinen Macher wieder zu verlieren und gar nichts zu bekommen; er gab also knurrend klein bei und schritt mit dem Graumännlein dem Gutshofe zu.

Als der Edelmann das gebrechliche Paar sah, lachte er, dass ihm der Leib wackelte. »Herr,« hub der Knecht an, »hier ist mein Macher!« – »Könnt ihr denn auch die Dreschflegel heben, oder soll ich euch einen Jungen geben, der sie euch in die Höhe bringt?« fragte der Edelmann. »Ach, es wird wohl auch noch ohne den Jungen [245] gehen,« meinte das Graumännchen und that dabei so krank und gebrechlich, als stehe Jan Kräuger aus Philippsgrün (d.i. der Tod) ihm schon zur Seite, um ihn mit sich zu nehmen. »Und was soll euer Lohn sein?« fragte der Edelmann. »Was mein Macher am Samstag Abend auf seinem Rücken mit einem Male zum Thore hinaustragen kann,« antwortete der Knecht. »Abgemacht,« rief der Herr, »und kommenden Montag macht ihr euch an die Arbeit! Ihr mögt immerhin eine Woche früher anfangen, als die übrigen Knechte, eine Mandel Garben werdet ihr inzwischen wohl ausgedroschen kriegen.«

Am Montag Morgen gingen die beiden in aller Frühe in die Scheune, die zur Rechten und zur Linken mit reifen Garben bis an das Dach gefüllt war und in der Mitte einen grossen Längs-Flur offen liess. »Womit wollen wir beginnen?« fragte das Graumännchen. »Ich dächte mit dem Roggen,« gab der Knecht zurück. »Meinetwegen, dann steig du ins Fach und wirf mir die Garben herunter!« sprach das Männlein; und der Knecht warf Garben über Garben auf die Scheunenflur hinab, bis er glaubte, jetzt sei es für die ganze Woche genug. »Warum hältst du denn an?« schalt da aber das Graumännchen; und als der Knecht verwundert hinabsah, hatte das Männlein schon alle Garben ausgedroschen, und Stroh, Korn und Spreu lagen, fein säuberlich geschieden, wie's sich gehört, ein jedes an seinem Ort.

Der Knecht erschrak, dass er am ganzen Leib zitterte, denn er erkannte, dass er den Teufel zum Macher erkoren; doch Jenner liess ihm zum langen Besinnen nicht Zeit, der Alte musste immerfort neue Garben herabwerfen, und ehe die Sonne zur Rüste gegangen war, hatte der Roggen im Fach sein Ende genommen und Jenner die letzte Garbe gedroschen. Am andern Tage kam der Weizen an die Reihe, am Mittwoch die Gerste, den Donnerstag und Freitag draschen sie Hafer und Buchweizen und am Sonnabend Vormittag Klewer, Wicken und Rübsen, und damit war alles ausgedroschen, was in der grossen Scheune vorhanden war. Zu guter Letzt musste der Knecht alle Säcke herbei schaffen, die auf dem Gutshofe aufzutreiben waren, und der Teufel schüttete Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Buchweizen, Klewer, Wicken und Rübsen so schnell hinein, dass die Säcke in demselben Augenblick, da sie ihm von dem Knechte gereicht wurden, auch schon gefüllt waren.

Um sechs Uhr, als Feierabend gemacht wurde, trat der Edelmann in die Scheune, um nach dem gebrechlichen Paare zu schauen; aber wie erstaunte er, als er die Arbeit, daran ein Dutzend starker Leute ein Vierteljahr genug zu schaffen gehabt hätten, fix und fertig zu Ende geführt sah. Er freute sich und lachte, lobte die beiden und sprach: »Ihr habt wacker gearbeitet, liebe Leute, nun wollen wir gleich die andern Knechte zusammenrufen und das Korn auf den Boden schaffen.« – »Nein, so war es nicht abgemacht,« rief das Graumännchen mit starker Stimme, »zuvor nehme ich erst auf meinen Rücken, was ich mit einem Gange zum Thore [246] hinausschaffen kann!« Damit ergriff er einen Sack nach dem andern und warf ihn auf seinen Buckel; und als er den letzten hinauf geworfen hatte, ragten die Säcke wie ein Kirchturm in die Luft, und es war ein Himphamp von dem Männlein gefertigt, wie noch keiner gesehen ist, seit die Welt steht.

Dem Edelmann wurde schwarz vor den Augen bei dem Anblick, seine Knie bebten ihm und schlackerten, und seine Stimme zitterte vor Wut, als er den Knechten zurief: »Löst den Bullen von der Kette!« Der Bulle war nämlich weit und breit als ein stössiges Tier bekannt und hatte schon manchen armen Schlucker auf seine Hörner genommen; jetzt sollte er dem Graumännchen zu Leibe gehen oder doch wenigstens gegen den Himphamp rennen, damit die lange Reihe der Säcke durchstossen würde und das Getreide dem Gutsherrn verbliebe. Kaum hatte sich aber das böse Tier mit seinem Gehörn dem Männlein genähert, so lachte dasselbe hell auf: »Der Edelmann hat recht, zu dem vielen Korn müssen wir auch Fleisch haben!« Dann ergriff es den Bullen bei den Hörnern und warf ihn in die Höhe, dass er auf den letzten Sack zu liegen kam und alle viere in die Luft streckte.

Jetzt stieg dem Herrn der weisse Schaum vor den Mund, und er rief die gotteslästerlichen Worte: »Hat mir der Teufel Hab und Gut genommen, so mag er auch mit Leib und Seele zur Hölle fahren!« Darauf hatte Jenner nur gewartet, denn jetzt hatte er Anteil an dem habgierigen Leuteschinder; schnell liess er den Himphamp fallen, drehte dem Edelmann das Genick um und flog mit ihm auf und davon der Hölle zu. Der arme, alte Knecht aber bekam die ganze Ernte und den Bullen obendrein und ward ein wohlhabender Mann; und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er heute noch.

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TextGrid Repository (2012). Jahn, Ulrich. Märchen und Sagen. Volksmärchen aus Pommern und Rügen. 45. Der Teufel und der Drescher. 45. Der Teufel und der Drescher. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8CE6-5