Die Nadelstichsheilung

Den 14ten August 1786.


Ditmar spielte mit Minetten
Und sie war ihm zugewandt,
Als ob Beyde sich gekannt
Mondenlang schon hätten.
Auf sein Knie hub er das Kind,
Und wie nun die Kinder sind,
Rasch und leicht wie Mayenwind,
Flüchtig wie des Rehes
Jugendlicher Sprung ins Gras,
War Minettchen, und da saß
Eine Nadel bei dem Spas
In dem Schürzchen, und des Wehes
Von dem kleinen Nadelstich
Schämte Ditmars Finger sich,
[207]
Hing herunter und verheilte
Sich mit seinem eignen Blut;
Ein halb Viertelstündchen weilte
Dieses Schmerzes Wuth –
Aber wenn der Ditmat künftig
Mit erwachsnen Mienchens spielt,
Die schon groß sind, und vernünftig,
Wenn Er da Verwundung fühlt,
Von des schönsten Auges Blicken,
Von der Lippen Grazie;
O dann thuts im Herzen weh,
Und man muß sich flehend bücken,
Daß Gott Amors Bruder eilt,
Der die Wunde heilt.
[208]

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TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1792). Episteln und Erzählungen. Die Nadelstichsheilung. Die Nadelstichsheilung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8E98-5