An Phillis
Eine Einladung zu den Ruinen bey Potsdam.
1765.
Durch deines Lagers Ueberhang
Ist nicht des Tages Blick gedrungen,
O Phillis! als mich zum Gesang
Mein klopfend Herz schon aufgezwungen.
Ich nahm die Leyer, dachte dich,
Und frug, ob meine Muse wüßte,
Daß Phillis lieblich träumend sich
Mit mir und ihrem Schäfer küßte?
Komm, meine Freundin! küsse mich,
Und laß mich deine Rechte führen
Zum Hügel, den so schauerlich
Die Zeichen der Vernichtung zieren.
[90]Ein halb zerstöhrter Tempel ragt
Hervor, als hätte man vor Zeiten
Hier den Apoll um Rath gefragt
Beim Waffengriff, zu Krieg und Streiten.
Uns dünkt, als ob die Pythia
Noch in den dunklen Thälern säße,
Und murmelte was jezt geschah,
Und das Zukünftige vergäße.
Komm, meine Phillis! wenn der Tag
So heiter bleibt, und fühle Trauer,
Wie damals, da Dein Daphnis lag
Vor Dir im letzten Todesschauer.
Nein, nicht so grausam fühle sie,
Dich müsse zärtlich nur durchdringen
Bei Birken die Melancholie,
Und dich zu sanften Thränen zwingen.
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