[224] Der Schlaf,
an Herrn Gleim, als er sagte, daß er immer gut schliefe, und sie gebethen wurde, dem Schlaf ein Lied zu singen
Den 2ten April 1762.
Die stille Nacht streut ihre Schlummerkörner
Auf den, der mit dem Pfluge zog,
Und in ein krummes Joch, trotz stolz gewachsaer Hörner
Des Stieres Nacken bog!
Der Wanderer wirft seine müden Glieder
Auf unbepfühlte Lagerstatt;
Und ruhet königlich, wenn auf ihn sein Gefieder
Der Schlaf verbreitet hat.
[225]
Freund, von Olymp versenden ihn die Götter
Sie wachen über ihre Welt,
Wenn er so sanft herab, wie weiche Rosenblätter
Auf deine Augen fällt.
Er träufelt Balsam in die Seele nieder,
Die ganz des Tages Last gefühlt.
So wird das welke Graß nach heisser Sonne wieder
Vom Abendthau gekühlt!
O er besucht mit Träumen künftger Erndte
Den, welcher Weitzen ausgeklopft;
Und flieht den reichen Mann der künstlich schwelgen lernte,
Und Speis' auf Speise stopft!
Er flattert von dem Auge des Gecrönten,
Der, an das Kriegesschild gestützt,
Da stehet, und sein Land vor dem unausgesöhnten
Ergrimmten Feinde schützt!
[226]
Der Geitzige verwachet sich zur Strafe
Und fürchtet seines Götzen Raub
Der weise Monadist entreisset sich dem Schlafe
Und theilet Sonnenstaub.
Von dir, o Freund, ist nie der Schlaf gewichen
Als wenn du hast nach Mitternacht
Voll Patrioten-Ernst den grösten Held verglichen
Mit Herculs Kämpfer-Macht.
Noch schlummerst du gleich zärtlichen Entzückten
In sanfter Ruh; so, wie zur Zeit,
Da Liebes-Götter dich mit Veilchen, die sie pflückten,
Geworfen und bestreut;
Und Phöbus dir von dem Parnaß hernieder
Drey Musen an die Wiege gab!
Sie sangen dich in Schlaf, und wehrten dir durch Lieder
Den schweren Traum-Gott ab!