[151] Gedanken an Herrn Gleim über den Herrn von Kleist,
nach einem abendlichen Spatziergange im Walde bey Berlin
Dort, wo die Nacht, auf hundertjährgen Eichen,
In einem heilgen Dunkel thront,
Klagt melancholisch über ihre Leichen
Die Taube, die den Wald bewohnt.
Nach Futter war sie ausgeflogen,
Indeß der Sturm herauf die Wolke trug,
Und mit Eißkugeln, die ein halbes Pfund gewogen
Den Baum beschoß, und ihre Jungen schlug!
Dort giengen wir, und Gram, wie ihn die Taube
Dem dunkeln Hayn auf dürren Aesten girrt
Gram einer Braut, die in noch grüner Laube,
Mit ihrem Herzen bey den Todten irrt,
[152]Gieng Freund! in dir! – – Durch jene Krümmen
Der dickbelaubten Bäume hörtest du
In ihren Blättern tausend sanft gerauschte Stimmen,
Und jede Stimme rief dir traurig zu!
Hier ging er einst an deinem Arm, und fester
Noch an dein Herz geschlungen! ach! hier gieng
Dein Freund, der zärter noch, als eine Schwester
Mit seinem Geist an deinem Geiste hieng!
Hier fühltest du mit ihm zugleich das Schöne
Der Schöpfung; o, hier standet ihr,
Wie zwo vom besten Vater gleich gebohrne Söhne
Und spracht von Gott. Hier, sagst du, war es; hier!
Ach! jede Wunde weinend auszuwaschen;
Bey ihm zu knien, bey der Todes Angst
Durch Seufzer seinen Geist noch aufzuhaschen
Dies ist der Trost, nach welchem du verlangst.
[153]O welch ein Schmerz! o welche Freundes-Thränen!
Ganz finstrer Kummer war dein Angesicht.
So stumm sitzt, sich an seiner Urne lehnen
Die Freundschaft deren Auge Klagen
1 spricht.
Freund, keine Seufzer bringen dir ihn wieder!
Und spieltest du des harten Schicksals Ohr
Des Orpheus allerflehentlichste Lieder
Auf einer Steinbezwingbaren Leyer vor!
Doch, riefst du zu den heiligen Gebeinen
Ihn nicht zurück den hingeflognen Geist!
Die Zeit, o Freund, muß dich zu trösten weinen;
Die Ewigkeit mißgönnt' ihr deinen Kleist!