Zuruf an den Fremdling
beim Marmorsarge Friedrichs des Großen
am 18. August 1786.
Wandrer, weile noch und steh,
Dich mit unsern Herzen zu betrüben
Bei dem weißen Marmor, überschrieben:
Friedrich, der Alleinzige. –
Siehe nur, so viel ist hier geblieben
Von dem Ersten aller Könige –
Nur ein enges Beingehäuse
Ward die Wohnung eines theuren Haupts,
Voll Gedanken! stark, und hoch, und weise!
Keine Nachwelt glaubts,
Was Ihm unter Seinen Zeitgenossen
Biographen, Redner, Dichter hier,
Als ein Todtenopfer, ausgegossen,
Da Sein Geist mit hoher Flugbegier
[263]Ueber Länder, Meere, Gräber, Thronen,
Sich erhob ins unbekannte Reich
Zu den Königen, die ihre Kronen
Wohl geschützet, und zugleich
Süßen Landesvaternamen
Lieber hörten, als den Titelklang
Eines Ueberwinders, wenn sie kamen
Aus dem Siegesthatendrang.
Vaterlandesvater war der Große,
Der Gepriesne, wenn Er weit
Von des Vaterlandes Schooße
Unter fürchterlichem Streit,
Unter Kriegesblitz und Donnerschlägen,
In Gefahr wie Berg und Felsen stand. –
So viel Blicke, so viel Vaterseegen
Gab Er Seinem Volke, wenn das Land
Friedensseeligkeit genossen.
Ach, auf Seiner lorbergrünen Bahn
Ist nie eine Tagesfrist verflossen
Ohne daß Er Guts gethan –
Niemals kam ein junger Morgen,
Der in Seiner rechten Hand
Den Regierungsstab nicht fand,
Schwer von Königlichen Sorgen,
[264]Oder großer Feldherrn Pflicht.
Immer war Sein Angesicht
Vor der Morgenröthe munter,
Bis Sein Augenglanz sich unter
Todesdunkelheit verlor –
Dörfer hieß Er aus der Erde steigen,
Wenig Tage noch zuvor,
Eh Sein Mund auf immer mußte schweigen:
Ihm zum Hymnus blühen sie empor!