Dorimön und Amariethe
in ihrer neuen Wohnung
1768.
Dorimön:
Du Wonne meiner jungen Tage,
Du Leben meines Lebens, sage,
Wie diese Hütte dir gefällt?
Amariethe:
Wie einer von den Erdgöttinnen
Der allerhöchste Thron der Welt!
Dorimön:
Mein Vater wohnete darinnen
Viel schöne Sommer lang, und fand
Vergnügen dran mit eigner Hand
Die zarten Bäume zu begießen,
Die dazumal von mir sich noch umspannen ließen,
[276]Und nun so hoch empor gestrebt;
Hier hat mein Vater froh gelebt,
Wie in dem seligen Gefilde
Der erste Mensch mit seiner Braut.
O du nach eines Engels Bilde
Für mich so liebenswerth gebaut,
Hier will ich leben dir zur Seite
So glücklich wie der erste Mann.
Amariethe:
Hier geb ich dir durch Blumen das Geleite
Vom kunstgepflanzten Garten an
Bis in die wilden Rosen-Hecken.
Dorimön:
Der Laube grünes Dach soll dich und mich verstecken
So oft der Mittag glüht; hier will ich Rosenduft
In langen Zügen geitzig trinken,
Und wann aus ungepaarten Finken
Die bange Liebe lockend ruft,
Und wann die Nachtigallen klagen,
Daß Fels und Hügel Antwort giebt,
Dann will ich im Entzücken sagen:
Ich bin geliebt!
[277] Amariethe:
Und ich will mich von deinem Busen stehlen
Des Morgens, wenn aus Lerchen-Kehlen
Das erste Lied gen Himmel tönt;
Ich will die schönsten Blumen pflücken
Den kleinen Altar auszuschmücken,
Den deine Mutter oft gekrönt
Mit Rosen und mit Reben-Ranken;
Dann wecket dich mein sanfter Kuß,
Dann folgst du meinem Wink und kniest mit mir am Fuß
Des Opfer-Heerdes, dem zu danken,
Der alle Wesen kommen hieß,
Und über unsern Häuptern Sonnen
Und um uns her die Flur entstehen ließ,
Und dich erschuf, den ich so zärtlich lieb gewonnen,
Dich meines Herzens süßen Freund!
Dann beten wir und loben mit einander
Den guten Gott, der uns vereint,
Und unser Lob steigt mit einander
Wie zween Flammen hoch empor
Und unser Lob erreicht sein Ohr!